Wir müssen essen und trinken. Aber die Art, wie wir das tun, also unsere Esskultur, wandelt sich. Genuss wird zugleich überstrapaziert und verliert an Bedeutung. Wir legen mehr Wert auf gesundheitliche Themen und finanzielle Aspekte – das bekommt auch die Gastronomie zu spüren. Immerhin: Echte Gastfreundschaft hat weiter Konjunktur.
Von Kathrin Ermert
„Genießen – darf man das heutzutage guten Gewissens?“, fragt Rudi Walter eingangs seines 2024 erschienenen Buch „Genießen. Was schön ist und gut tut.“ Der frühere Cheflektor des Herder-Verlags meint damit nicht nur die von Kriegen und Krisen geprägte Gegenwart, sondern auch die allgegenwärtige Angst, etwas zu verpassen, den Imperativ des Genießens, der uns von der Werbung für Kinderschokolade („So geht Genuss!“) bis zum Lebensabend in der teuren Seniorenresidenz („Genießen Sie Ihr Alter!“) begleitet. „Man kann nicht ständig genießen“, betont Walter. „Aber immer wieder.“ Er definiert Genuss jenseits von Konsum als Moment, in dem alles stimmt, innerlich wie äußerlich und rät, sich solche Momente bewusst zu machen. Nicht nur das Schlechte zu sehen, sondern auch das Schöne wahrzunehmen: „Vieles ist bedrückend. Aber auf wie viel kann man sich auch freuen?“
Just beim Thema Essen und Trinken nimmt die Bedeutung von Genuss allerdings ab. …