Dieser Anspruch eint die Kaffeerösterei, die Misoproduktion, die Chocolaterie, die Brennerei und die Salzmischer, die wir auf den folgenden Seiten vorstellen. Diese fünf sind, wie viele andere kleine Manufakturen auch, ein Gegenentwurf zur Lebensmittelindustrie.
Texte: Julia Donáth-Kneer, Kathrin Ermert, Susanne Maerz • Fotos: Santiago Fanego, Felix Groteloh, PR
Herget Schokoladenmanufaktur — Emmendingen


Stefan Herget prüft die Temperatur der flüssigen Schokolade, nickt zufrieden und legt dann eine Praline nach der anderen auf das Band der Überzugsmaschine. Diese transportiert die Kugeln durch eine Art langsam fließenden Schokoladenwasserfall. Mit einer anderen Maschine hat er davor die Hohlkörper gegossen und diese mit einer Masse aus Sahne, Butter, dunkler Schokolade und etwas Weinbrand gefüllt. Am Ende dekoriert der Chocolatier die süßen Kugeln noch mit einem Streifenmuster aus Vollmilchschokolade und einem weißen Punkt – fertig ist der Herrentrüffel. Bis zu 5000 Pralinen am Tag produzieren Stefan Herget und seine Mitarbeitenden in der Saison am Tag. Von Oktober bis Weihnachten ist Hochkonjunktur in der Schokoladenmanufaktur in Emmendingen. Im Ladengeschäft geben Fenster den Blick auf die Produktion frei. Ob Mango-, oder Champagnertrüffel, mit oder ohne Alkohol: Der Chocolatier kreiert alle Sorten selbst, gleiches gilt für die Schokoladentafeln und anderen süßen Produkte – „natürlich abgestimmt mit meinem Team“, betont er. Das besteht aus ihm, seiner Frau Claudia und in der Saison neun Mitarbeitenden. Hier, auf 300 Quadratmetern, hat der Allgäuer vor zehn Jahren seine berufliche Heimat gefunden. Davor arbeitete Herget rund 20 Jahre in verschiedenen Unternehmen der Schokoladenindustrie in Deutschland und Österreich, davon zwölf Jahre als Betriebsleiter. Mit 52 Jahren wagte er schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete die Herget Schokoladenmanufaktur. „Es war die richtige Entscheidung“, sagt er mit Nachdruck, auch wenn er nun mehr arbeite als zuvor.
mae
Schwarzwald Miso — Geisingen


„Ich habe etwas gesucht, das mich fasziniert“, sagt Peter Koch. Die Automobilbranche, in die es ihn nach dem BWL-Studium verschlagen hatte, tat das nicht. Während seiner Auszeit in Südostasien entschied er sich, den Nebenerwerb seiner Mutter fortzuführen: Miso. Sie produzierte und vertrieb die japanische Würzpaste nach einem Rezept, das ein japanischer Zen-Meister ihr bei seinem Schwarzwaldbesuch hinterlassen hatte. Miso entsteht aus einfachen Zutaten: Reis, Hülsenfrüchte, Salz, Wasser, die mithilfe einer Starterkultur fermentieren und monatelang zu einem besonderen Produkt reifen, das man laut Peter Koch nicht nur in der asiatischen Küche, sondern für alle Gerichte verwenden kann, sogar süße. „Geschmacksveredler“ nennt er es: „Miso wirkt wie ein Fahrstuhl, es bringt alle Zutaten zusammen auf ein höheres Niveau, ohne den Geschmack der einzelnen zu überlagern.“ Diese Verwandlung war die Faszination, die er suchte. Vor zehn Jahren begann Peter Koch, sein Unternehmen aufzubauen. Heute ernährt die Schwarzwald-Miso GmbH den Gründer und zwei Mitarbeitende. Sie produzieren in 240 Quadratmeter großen Räumen eines früheren Lebensmittelmarkts in Geisingen (Kreis Tuttlingen) rund 200 Kilogramm Miso pro Woche. Die meisten Zutaten kommen aus der Region, der Reis aus Italien. Alles Bio. Nach zwei Tagen wandert die Paste in Kunststofffässern ins Lager, nach einem Jahr wird sie abgefüllt und versandt. Einen Großteil verkauft Koch über den eigenen Onlineshop an Privatleute und die Gastronomie. Auf seiner Referenzliste stehen auch zahlreiche Sternerestaurants.
kat
Feierabend Brände — Oberrotweil


Andreas (50) und Christian Burghart (53) sind im Kaiserstuhl aufgewachsen. Ihr Vater, gelernter Obstbaumeister, bewirtete mehrere Hektar Land. Inzwischen ist der Senior über 80, auf Leitern klettert er nicht mehr. Seit zehn Jahren sind die Söhne am Ruder, sie haben das Brennrecht in vierter Generation übernommen und produzieren Edelbrände auf einem Obsthof bei Oberrotweil – alles in reiner Handarbeit und im Nebenerwerb. Im echten Leben arbeitet Andreas Burghart als Wirtschaftsinformatiker, Christian Burghart als Webdesigner. Die Leidenschaft fürs Destillieren ist beiden in die Wiege gelegt. Früher, in den heißen Sommern im Kaiserstuhl, klaubten die Jungs begeistert das Obst vom Boden, das der Vater später zu Bränden verarbeitete. Stundenlang saßen sie vor der Destille und beobachteten die Prozedur. Nun haben sie das Verfahren angepasst. Modernes Brenngerät, ein neues Marketingkonzept: Feierabend Brände heißt die kleine Manufaktur, benannt einerseits nach der Feierabendstraße, in der die Burgharts aufgewachsen sind, andererseits, weil nach Feierabend gebrannt wird. Und sie experimentieren mit neuen Geschmackserlebnissen. Dafür kaufen die Brüder vorbelegte Eichenholzfässer und lagern ihre Destillate darin – so entsteht Kaiserstühler Zwetschgenbrand mit Rumaromen aus Jamaica, Kirsche reift in einem alten Bourbonfass aus den USA und Muskateller Trester in einem Cognacfass. Das kommt bei Kennern gut an, Werbung machen die Brüder nicht. Ihre Brände gibt es im eigenen Webshop, bei wenigen Händlern und in der Gastronomie der Region – zum Beispiel im Sternerestaurant Merkle in Endingen – aber auch in einer Kölner Bar und bei Spirituosenhändlern in Norddeutschland.
juli
Schwarzwaldsalz — Triberg


Dass Markus Geßner Salz macht, liegt an einem Zufall. In einem Winter vor sechs Jahren kaufte er einer Kindergartengruppe selbstgemachtes Kräutersalz ab und war erstmal ratlos: Was macht man damit? Also begann der leidenschaftliche Hobbykoch zu experimentieren. „Und wie Männer nun mal sind, stiefelte ich in den nächsten Supermarkt und kaufte erstmal viel zu viel: kiloweise Zutaten“, erzählt der 51-Jährige lachend. Dann begann er in der heimischen Küche eigene Sorten herzustellen. Die ersten Versuche – mit Fichte, mit Chili, mit Rotwein – gibt es heute in leicht abgeänderter Form immer noch. „Ich hatte keinen Plan und keine Ahnung, wo das hinläuft“, berichtet der gelernte Kaufmann, der nach wie vor Vollzeit in seinem regulären Job arbeitet, obwohl sein Produkt Schwarzwaldsalz Fahrt aufnahm. Zwei Jahre lang fuchste sich Geßner durch EU-Vorgaben und die Regularien der Lebensmittelherstellung. Bald stieg seine Lebensgefährtin mit ein und das Paar verbrachte seine Freizeit mit dem Schwarzwaldsalz: Produktentwicklung, Etikettierung, Abfüllung, Vertrieb. Zu finden sind die Kräutersalze im Webshop sowie auf Märkten, vornehmlich in der Region, seit diesem Jahr auch im Rheinland, in Nord- und Ostdeutschland. Die Marke mit dem Schwarzwald im Namen und dem Bollenhut im Logo komme bundesweit gut an. Seit zwei Jahren steht in Triberg eine kleine Manufaktur mit Showroom, Lagerfläche, Produktionsküche und Verkauf. Immer noch ist alles reine Handarbeit, es gibt nur zwei Maschinen zum Rühren und Abfüllen. Die Ideen entstehen beim Ausprobieren.
juli
Günter Coffee — Freiburg


Der Duft von frisch geröstetem Kaffee liegt in der Luft in der Rösterei von Günter Coffee im Freiburger Stadtteil Haslach. Seit einem dreiviertel Jahr hat die Manufaktur von Philip Weller, seiner Frau Aurore Ceretta und seinem Bruder Mats Weller dort eine neue Heimat gefunden. Der Name indes zeugt noch von den Anfängen: 2018 gründete das Trio die Rösterei in Freiburg-Günterstal – und zwar mit dem Anspruch, hochwertigen, ausgewählten Kaffee sortenrein so zu rösten, „dass der Eigengeschmack der Kaffeebohne und nicht das Röstaroma dominiert“, erklärt Philip Weller beim Besuch Ende September. In Berlin, wo der gebürtige Freiburger mit seiner Frau bis 2014 lebte, lernten sie eine solche moderne Kaffeekultur kennen – und in beiden wuchs der Wunsch, diese auch in Freiburg einzuführen. Neben fruchtig-süßen Noten hat Günter Coffee inzwischen auch kräftig gerösteten Kaffee im Sortiment. Zwei bis drei Tonnen Bohnen werden pro Monat geröstet, über die Gastronomie, ausgewählte Edekamärkte und den Onlineshop vertrieben. Ausgeschenkt wird der Kaffee zudem in den eigenen Cafés: Seit ihrer Rückkehr nach Freiburg 2014 betreibt das Ehepaar das Café Marcel im Freiburger Stadtgarten – dabei entstand denn auch die Idee, den Kaffee, den sie ausschenken, nach ihren Vorstellungen selbst herzustellen. 2018 eröffneten sie zusätzlich den Günter Coffee Store in der Innenstadt.
mae