Die Becherer Möbelwerkstätten aus Elzach setzen auf Vielseitigkeit statt Spezialisierung: von privaten Einrichtungen bis zu Komplettlösungen für Konzerne, Verwaltungen, Kliniken und mittelständische Betriebe. Über Möbel und Menschen mit Charakter.
Text: Christine Weis • Fotos: Alex Dietrich
Zum Gespräch lädt Firmenchef Benedikt Becherer in sein repräsentatives Büro: Wände und Boden sind aus Weißtanne, die großen Fenster lassen Licht und Landschaft herein und geben den Blick frei zum Hörnleberg mit der kleinen Wallfahrtskapelle, die wie ein Schutzpatron über das Elztal wacht. Nur Magnus Becherer, der zweite Geschäftsführer, fehlt an diesem Augusttag. Er musste kurzfristig nach Stuttgart, um einen Kunden aus China zu treffen. Von Elzach nach Fernost, da stellt sich gleich die Frage nach dem Exportvolumen. „Unser Auslandsgeschäft umfasst zehn bis fünfzehn Prozent, wir liefern dabei vor allem nach Übersee“, sagt Benedikt Becherer. „Wir brauchen diesen Markt, dennoch kommt unsere Kundschaft hauptsächlich aus Südbaden.“ Es sind Privatleute, mittelständische Unternehmen, Bibliotheken, Kliniken, Hotels, Gasthäuser oder Verwaltungen.
Die Bandbreite der Produkte reicht vom Badschrank für den Nachbarn in Prechtal bis zum Konferenztisch für die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt. „Wer bei der EZB am Tisch sitzt, wissen wir nicht, aber wir kennen denjenigen, der ihn bestellt. Der direkte, persönliche Kontakt ist uns wichtig“, betont der 43-Jährige und ergänzt: „Jedes Einrichtungsstück erzählt eine Geschichte von den Menschen, die es nutzen und von jenen, die es herstellen.“ Die Letzteren sind aktuell 68 Mitarbeitende, darunter acht Auszubildende. Sie setzen rund tausend Projekte im Jahr um, dazu zählt das einfache Fensterbrett wie auch der Auftrag in siebenstelliger Höhe für die Ausstattung eines Klinikneubaus.
„Jedes Einrichtungsstück erzählt eine Geschichte von den Menschen, die es nutzen und von jenen, die es herstellen.“ – Benedikt Becherer
„Wir sind zufrieden“, fasst Benedikt Becherer die Geschäftslage zusammen. Gerade seit Corona habe insbesondere der Privatkundenbereich stark zugelegt, der Wunsch nach langlebigen, individuellen Möbeln halte bis heute an. Unterdessen verfüge man ebenso über einen stabilen Stamm an Gewerbekunden, insbesondere Familienunternehmen aus der Region. Als aktuelle Referenzen nennt er die Freiburger Universitäts-Kinderklinik, den Medizintechnikhersteller Intuitive, Jobrad, Optiker und Juwelier Febon aus Endingen, das Elztalhotel in Winden sowie das Weingut Kiefer in Eichstetten.
„Mit unserer Bandbreite sind wir sehr flexibel und können auch schnell auf Marktveränderungen reagieren, zugleich ist das aber auch kraftintensiver als eine Spezialisierung“, erläutert der Geschäftsführer, der das 1906 gegründete Familienunternehmen in der vierten Generation leitet. Die größte Herausforderung sei indes der Fachkräftemangel. „Bald geht eine ganze Generation in Rente, das müssen wir auffangen.“ Deshalb stünden Ausbildung, Nachwuchsförderung und flexible Modelle zur Weiterbeschäftigung im Ruhestand ganz oben auf der Agenda.

Vom Bauernhof zum Balanceboard
Seine Schreinerlehre machte Benedikt Becherer nicht im eigenen Betrieb. Erstmal woanders Erfahrungen sammeln, war seine Devise. Nach der Ausbildung studierte er Innenausbau an der Technischen Hochschule in Rosenheim und war anschließend einige Zeit bei einem Möbelbauer tätig, ehe er 2010 im das Familienunternehmen kam. Sein ein Jahr älterer Cousin Magnus Becherer ging den umgekehrten Weg: Erst Studium in Furtwangen, Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Product Engineering, dann die Schreinerausbildung. Auch er arbeitete bei verschiedenen Firmen, bevor er 2012 bei Becherer miteinstieg. Noch waren ihre Väter Rochus und Wendelin Becherer, heute beide über 70 Jahre alt, weiterhin im Geschäft. Gemeinsam vollzogen sie sukzessiv den Generationenwechsel bis zur Übergabe im Jahr 2015. Stand der Eintritt in den Familienbetrieb je infrage? „Darüber haben Magnus und ich eigentlich nie geredet“, sagt Benedikt Becherer. „Aber es gab auch keinen Grund, etwas anderes zu machen. Die Firma stand gut da, hatte einen tollen Ruf, war attraktiv.“


Die Firmengeschichte reicht weit zurück. 1906 richtete Alois Becherer, der Urgroßvater der jetzigen Inhaber, auf dem Bauernhof im Ortskern von Elzach eine kleine Schreinerei ein, in der er Schränke oder Bettkästen für den täglichen Gebrauch zimmerte. Mit den Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt weg von der Landwirtschaft hin zum Handwerk. 1996 zogen die Becherers aus dem Ortskern ins Gewerbegebiet Biederbachwiesen. Ein Schritt, der den Wandel zum modernen Produktionsbetrieb markierte.



„Die Stärke meines Vaters lag in technischen Innovationen. Mein Onkel Wendelin hat als Innenarchitekt die gestalterische Handschrift geprägt“, berichtet Benedikt Becherer. Beides wirke bis heute fort. „Wir legen Wert auf gute Gestaltung. Uns ist es wichtig, dass Material und Form langlebig sind. Haltbarkeit, heimische Hölzer, kurze Wege, regionale Partner und kompetente Ansprechpartner: Das verstehen wir unter Nachhaltigkeit.“ Auch das Gebäude erzählt davon: Die 6000 Quadratmeter Fläche werden mit Strom von der PV-Anlage auf dem Dach versorgt, geheizt wird mit Biomasse. Das Gebäude entstand in drei Phasen, die sich an den Fassaden ablesen lassen. Das Lärchenholz des mittleren Teils, Baujahr 1996, hat nachgedunkelt. Daneben der hellere Kubus von 2006 ebenfalls aus Lärche. Der Neubau aus vorvergrauter Weißtanne wurde Ende 2024 fertiggestellt.
Becherer versteht sich als Betrieb, der in Elzach zuhause ist. Aktionen für Schulen und Kindergärten gehören ebenso dazu wie der Heimatmarkt. Kürzlich haben Jugendliche im Rahmen des Ferienprogramms Balanceboards in der Werkstatt gebaut. Viele der Mitarbeitenden wohnen im Ort oder angrenzenden Gemeinden und haben kurze Anfahrtswege, auch das sei ein Aspekt von Nachhaltigkeit, findet Benedikt Becherer.




Hightech und Handarbeit
Beim Gang durch den Betrieb zeigt sich, wie vielschichtig das Unternehmen aufgestellt ist. In der Planungsabteilung arbeiten Innenarchitektinnen und Bauzeichner an Büro-, Wohn- und Praxislandschaften. Auf den Bildschirmen entstehen fotorealistische Visualisierungen: Esszimmer, Küche, Bad. Schon früh im Planungsprozess können Kunden so sehen, wie ihre Räume später aussehen werden. Wer mag, setzt eine 3D-Brille auf und spaziert virtuell durch sein neues Haus.
In der Produktion laufen viele Prozesse automatisiert mit Hightech-Maschinen. Ohne Handarbeit geht es dennoch nicht. Etwa in der Furnierverarbeitung, einer der sensibelsten Schritte. Gerade entsteht ein Sideboard mit Nussbaumfurnier. Vereinfacht erklärt, werden die ein Millimeter dünnen Holzblätter so zusammengesetzt, dass Maserung, Farbe und Verlauf die gewünschte Optik ergeben. Im Team entscheiden die Spezialisten, welche Stücke zusammengehören, wie die Flächen verlaufen und welches Bild das Möbel am Ende trägt.


In der Lackiererei werden Unterbauten für große Konferenztische mehrmals geschliffen, lackiert und dann getrocknet. Nebenan arbeiten zwei Auszubildende an einem Spiegelschrank und einem Musterbett für Krankenhauspersonal. Und während dort noch gehobelt und geleimt wird, ist ein weiterer Auftrag in der Endabnahme. Der Einkäufer inspiziert die maßgefertigte 2,8 Meter hohen Schränke aus geweißter Eiche. In der letzten Halle werden die Möbelstücke versandfertig verpackt. Von hier gehen sie dann in alle Richtungen nach China, Frankfurt und vor allem in die Regio.