Einheimischen einen Blick in das Leben der Menschen zu gewähren, die den Freiburger Münstermarkt einmalig machen – das ist das Ziel von Barbara Schneiders samstäglichen Frühstücks-Touren. Ein Erlebnis in jeglicher Hinsicht.
VON SIGRID HOFMAIER
„Morgens um sieben Uhr ist es auf dem Münstermarkt am schönsten“, zitiert Barbara Schneider das Credo von Walter Drayer. Der ist seit 2013 einer der drei Münstermarktmeister und hat an diesem Morgen bereits die Stellflächen der Stände vermessen, die entsprechenden Gebühren berechnet und das frühmorgendliche Chaos sortiert. „Manchmal klappt’s gut, manchmal besser“, sagt Drayer.
Zum Start in die Tour gibt es für die 20 Gäste am noch dunklen und vier Grad kühlen Morgen heißen Kaffee und Croissants. Barbara Schneider erzählt von der wechselhaften Geschichte des Münstermarktes, der eng mit der Stadtgründung 1120 verbunden ist. Sie erklärt die Aufteilung in Bauernstände auf der Nord- und Händlerstände auf der Südseite. Dann geht’s los zu insgesamt neun Stationen der zweieinhalbstündigen Tour.
Start ist der Stand der Metzgerei Hämmerle aus Niederwinden im Elztal: In vierter Generation ist Florian Hämmerle zur Stelle. Die Urgroßmutter transportierte vor 38 Jahren Schwarzwälder Schinken, Bauchspeck und Eier aufwändig nach Freiburg. Heute bietet der moderne Wagen alle Produkte aus der heimischen Schlachtung.
Hämmerles Arbeitstag beginnt samstags um 2.30 Uhr mit den Vorbereitungen für den Markttag, um 4 Uhr sind er und seine Mutter auf dem Markt, ab 6 Uhr ist alles bereit für den Verkauf vor dem Historischen Kaufhaus. Ihr Einblick in die Kunst des echten Schwarzwälder Schinkens verdeutlicht, dass Qualität vor allem Zeit braucht: Über zwölf Wochen dauert es, bis das gute Stück aus der Schweinekeule gereift und genussfertig ist. Wie er schmeckt, probieren die Frühstückstourgäste direkt – ein Vesperpaket für daheim gibt’s obendrauf.
Regionalität funktioniert nicht in allen Bereichen
Inzwischen hat sich der Himmel über dem Schlossberg hellblau gefärbt. Weiter geht’s zu Oliver Ambergs, der unter dem Namen „Olivers Münsterblume“ in dritter Generation Blumen auf dem Münstermarkt verkauft. „Angefangen hat alles mit der Oma. Die hat Sträuße gebunden und verkauft, weil der Opa zu wenig Geld nach Hause brachte“, sagt Ambergs.
Am Stand von Martin Meier und seiner Schwester Gudrun aus Bötzingen gewinnt die Frühstückstruppe einen Einblick in einen modernen landwirtschaftlichen Mischbetrieb, der das Überleben zwischen Obst-, Gemüseund Weinanbau auf fünf Hektar sowie einem Hofcafé sichert.
Vier Mal pro Woche bietet die Familie ihre Produkte auf dem Münstermarkt an, „die 35-Stunden-Woche haben wir mittwochs schon zusammen“, sagt Martin Meier. Neben den traditionell heimischen Sorten gibt es auch „ebbis, was net jeder het“. Artischocken aus eigenem Anbau zum Beispiel.
Walter und Claudia Schwaab aus Denzlingen bauen ihren Stand mit Obst und Gemüse seit knapp 45 Jahren an der Westseite des Kornhauses auf. Ihr Angebot stammt aus eigenem Anbau und regionalem Zukauf im Umkreis von 20 Kilometern. Drei Generationen arbeiten im Betrieb des Ehepaares, zunehmend schwierig sei es, geeignete Saisonkräfte zu finden.
Gerade während der Pandemie ein großes Thema für viele landwirtschaftliche Betriebe und ein großer Mehraufwand. Das Schwaab-Obst wurde dennoch rechtzeitig abgeerntet – wie es schmeckt, davon darf sich die Gruppe direkt überzeugen.
Beim Stand des Forellenhofs aus Umkirch an der Nordseite des Münsters serviert Michaela Herr für Barbara Schneider und ihre Frühstücksgruppe Canapées mit Lachs, Forelle und Tatar von der Lachsforelle. Als eine der wenigen Fisch-Sommelières Europas ist sie mit den Fischen aus eigener Zucht bestens vertraut und klagt: „Immer mehr Menschen wissen immer weniger über Lebensmittel.“
Die Frage, warum der Rotbarsch aus der Nordsee und nicht – weil doch regionaler – aus dem Bodensee stamme, habe sie doch etwas aus der Fassung gebracht, sagt sie. Ihre Erzeugnisse aus eigener Edelfischräucherei mit Ladengeschäft an der Dreisam werden ergänzt durch saisonale Fisch- und Meeresfrüchte-Spezialitäten. Woran der Verbraucher frischen Fisch erkennt, erklärt sie am Exemplar einer Lachsforelle.
Marktbeschicker Ireneus Frost hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Seit 15 Jahren verkauft er auf dem Münstermarkt, den er als sein Wohnzimmer bezeichnet, seine in Gläsern eingefangenen Aromen: Neben Fruchtspezialitäten sind das vor allem eigene Essig- und Senfsorten. Nach Verkostung verlässt der Trupp den Stand mit einem Gläschen Fruchtaufstrich im Gepäck.
Die direkte Begegnung als Marktvorteil
Imkermeister Christoph Koch aus Oppenau hat neben 30 Honigsorten weitere Bienen-Produkte im Angebot. Nach einem Gläschen wärmendem Honigschnaps werden die Honigsorten verkostet: Lavendel aus Südfrankreich, Kirschblüte aus der Ortenau, Wald- blütenhonig aus dem Taubergießen und Weißtanne aus dem Renchtal.
„Seit 200 Jahren, die Familie kann gar nicht ohne Bienen sein“, sagt Christoph Koch zu seiner Leidenschaft. Der Ortenauer baut seinen Marktstand nur samstags auf der Nordseite des Münsters auf und legt viel Wert auf den persönlichen Austausch mit seinen Kunden. Besonders in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung sei das ein unschätzbarer Vorteil.
Nächster Stand der Frühstückstour: Die Winzerfamilie Sexauer aus Ihringen präsentiert ihr Angebot an Weinen, Obst und Gemüse gemeinsam mit dem benachbarten Käsestand von Peter und Eva Jamei aus Kempten. Der klassische Kaiserstühler Verbundbetrieb Sexauer baut auf 20 Hektar in der Region Spargel, Kern- und Steinobst sowie Reben an.
Nur durch die Direktvermarktung auf dem Münstermarkt, ab Hof und über einen Online-Shop könne der Familienbetrieb in sechster Generation seit 1985 überleben. Doch die Zeiten werden härter und der Preisverfall schreite voran. Wenn er sich etwas wünschen dürfte, dann „mehr Winzer in die Stadt“, denn schließlich sei Freiburg doch als Weinstadt bekannt, sagt der Junior.
Peter Jamei reicht den passenden Käse zu Wein, Secco und Federweißem und verrät: „Guter Käse braucht Gefühl und Zeit.“ Vor zwölf Jahren tauchte der Allgäuer erstmals mit zwei seiner Käsesorten auf dem Münstermarkt auf: Bergkäse jung und alt. Inzwischen gibt es mehr von seiner Käsekunst, und die Schlange vor dem Stand ist immer lang.
Dass alle „satt nach Hause gehen werden“, wie Barbara Schneider auf ihrer Webseite zur Münster Frühstückstour verspricht, ist evident. Die eigentlich obligatorische Münsterwurst wird auf später verschoben – oder gespendet: Am Würstlestand von Daniel Brunner können Kunden eine Wurstspende hinterlegen, damit sich bedürftigere Menschen auch eine Wurst gönnen können.
Das Aufeinandertreffen von Erzeugern, Händlern und einheimischen Kunden bietet weit mehr regionales Wissen, als es ein schlichter Samstagseinkauf leisten kann. „Sehr zufrieden“ sei sie mit den ersten vier Terminen ihrer Frühstückstour, sagt Barbara Schneider über ihre jüngste Idee. Für sie eine Herzensangelegenheit, kein Einkommen zum Auskommen, betont sie. Wichtig sei ihr, dass Arbeit und Engagement wertgeschätzt und real entlohnt würden – das der Marktverkäufer ebenso wie ihres.
Münster-Frühstückstour: Die nächsten Termine sind ab 5. März zweimal im Monat geplant. Die zweieinhalbstündige Tour kostet 39 Euro. Infos und Buchung unter: www.muenstermarktfruehstueckstour.jimdosite.com