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  • Pause 07/2021
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Vom Herd ins Beet – und zurück

  • 27. Juli 2021
Beet & Bete
Gemüse statt Gäste: Sebastian und Carolin waren 16 Jahre Gastronomen, jetzt sind sie Gärtner. Fotos: Alexander Dietrich
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Nach 16 Jahren Gastronomie haben sich Carolin und Sebastian Rechenbach vorerst von Küche und Gästen verabschiedet, Kochschürze gegen Gartenschuhe getauscht und die Stadt bewusst hinter sich gelassen. Als Mikrofarmer von „Beet & Bete“ betreiben sie einen halben Hektar Land am Kaiserstuhl.

VON ANNA-LENA GRÖNER

In der Nacht vor diesem sonnigen Morgen am Kaiserstuhl hatte es heftig geregnet. In den Garten von „Beet & Bete“ duftet es nach nasser Erde und Kräutern. Sebastian Rechenbach hebt das grüne Laub seiner Rüben an, das vom Starkregen etwas eingeknickt ist. Auch die aufgerollte Plane des langen Folientunnels hängt mit schweren Wasserbäuchen an den Seiten durch. Damit sie nicht reißt, lässt er den nassen Ballast ab.

Unter dem Folientunnel wachsen Gurken, Paprika und vor allem Tomaten:  Fleischtomaten, Strauchtomaten oder auch grüne Zebratomaten. „Der Tunnel war zuerst voll mit Salat, Spinat und Radieschen und wurde in diesem Jahr schon einmal komplett abgeerntet“, sagt Carolin Rechenbach. Ihr neues Leben als Mikrofarmer ist vor allem eines: viel Arbeit. Auf insgesamt drei fußläufig beieinander liegenden Grundstücken zwischen Oberbergen und Oberrotweil baut das Paar saisonales Gemüse an. Nach der Ernte wird es direkt an private Haushalte und regionale Gastronomiebetriebe geliefert.

Von Freiburg bis Waldkirch, von Bad Krozingen bis Breisach fährt Carolin die Kisten aus. Einmal die Woche kommt das Gemüse direkt an die Haustüre, dafür bezahlt der Kunde 25 Euro im Monat. Die Neu-Gärtner sind vorerst vollkommen ausgelastet. „Mehr geht nicht“, sagt die 37-Jährige. „Wir machen ja beinahe alles nur zu zweit.“ Im Team ist das Paar beruflich seit 16  Jahren unterwegs. Jedoch auf anderen Wegen als den eigentlich gelernten: Carolin ist Buchhalterin, Sebastian Touristiker.

Da merkt man abends, was man geschafft hat: geerntet wird in mühevoller Handarbeit.

Ihr Herz schlägt für gutes Essen, Qualität und erlesene Produkte. Ihr Motto: „learning by doing“. Zuerst waren sie ein Mietkoch-Duo, später Café-Betreiber und schließlich Restaurant-Besitzer. Zuletzt im „Gramercy“ in der Freiburger Fischerau. Dort bestand im fünften Jahr die Möglichkeit einer Sonderkündigung und nach stetig steigenden Kosten entschied sich das Paar im vergangenen Jahr, den Herd in Zukunft erstmal auszulassen. 

Jetzt ist das Beet ihr neuer Arbeitsplatz. „Für mich ist es eine Pause von der Gastro, aber vor allem eine Pause von der Innenstadt, die mich am Ende sehr genervt hat“, sagt Sebastian. „Wenn ich im Gemüsebeet bin und arbeite, geht es mir gut.“ Das erste Stückchen Kaiserstühler Land hatte der 42-Jährige bereits vor drei Jahren gepachtet, um eigene Produkte für seine Gramercy-Küche anzupflanzen. „Ich hatte Bock auf Gemüse und auf Produzieren“, sagt der Selfmade-Koch.  „Außerdem war ich einfach oft nicht mit der Qualität der bestellten Ware zufrieden.“ 

Also nahm er es selbst in die Hand und aus einem kleinen Gartenprojekt sind seit letztem Oktober ein halber Hektar und ein Business geworden.  Anders als bei anderen regionalen Gemüsekisten-Anbietern gibt es bei „Beet & Bete“ keine Auf-Wunsch-Bestellungen, keine Demeter-Flug-Mangos fürs halbberuhigte Umweltgewissen. Stattdessen Überraschungskisten. Rein kommt, was gerade wächst und reif ist. Weniger planbar, dafür garantiert regional und direkt von der Hand in die Kiste. 

Auch ein paar Gastronomiebetriebe kommen in den Genuss der saisonalen Frische von „Beet & Bete“. Darunter das „Lollo“ in Freiburg oder das Restaurant „Köpfers Steinbuck“ in Vogtsburg. Weitere Restaurants fragen gerade an. Doch zu viele können die beiden Mikrofarmer gar nicht bedienen, sowohl von der Masse, aber auch von der „Manpower“.

Bisher ist das Konzept nicht wirtschaftlich genug, um weitere Helfer mit ins Beet zu holen. Auch die Anschaffungen fürs Gärtner-Geschäft waren kostspielig. 

Alles offen 

Auf einst verwilderten Wiesen haben Carolin und Sebastian fast im Alleingang, mit viel Handarbeit und Rückenschmerzen, unter Anleitung von Fachliteratur und Online-Tutorials ihre Gemüsebeete angelegt. Vor allem von den Bio-Vorzeige- Gärtnern Charles Dowding und Richard Perkins lernen die frisch gesäten Gemüsebauern ihr Handwerk. 

Jetzt gibt es Tröpfchenbewässerung aus Regenwassertanks, Hackschnitzelwege, Folientunnel und eine Lagerhütte mit etwa zwei Meter tiefem Erdkeller. Letzteren hat Sebastian ebenfalls selbst ausgehoben. Er dient als Kühlraum für die frisch geernteten Gemüse-Kisten. „Meine Waldorfschulzeit kommt mir hier zugute“, sagt er und zeigt auch sein selbstgezimmertes Setzling-Häuschen, gebaut aus Brettern und alten Fenstern. 

Es erinnert ein bisschen an ein Bild aus Sven Nordqvists Kinderbüchern „Petterson und Findus“ – etwas windschief, dafür authentisch und irgendwie arg lieb. Auch das Hochbeet mit den Kartoffeln hat der 42-Jährige selbst gebaut. Die Wühlmäuse sind der Grund für die Etagenwohnung. Schnell merkten die beiden Gärtner, wie viele Fress-Feinde im Gemüsebeet lauern. 

„Hier“, sagt Sebastian und zeigt auf einen vorbei flatternden, weisen Falter. „Bei dem dachte ich früher immer: oh wie schön, ein Schmetterling. Aber das ist ein gemeiner Kohlweißling.“  Und der legt seine Eier gerne auf Kohlgewächse oder Kapuzinerkresse, die Raupen futtern sich später durchs Blattwerk.  Auch Schnecken, Kartoffelkäfer und Erdflöhe fühlen sich zwischen dem ungespritzten Gemüse wohl. 

Viele Stunden Arbeit stecken in diesem „beet & Bete“-Garten – einer von insgesamt drei am Kaiserstuhl.

Ein bisschen kämpfen Carolin und Sebastian bei Viechern und Unkraut noch gegen Windmühlen, doch wie zu Beginn ihrer Gastro-Zeit lernen sie durchs Ausprobieren. Nicht nur bei der Bekämpfung von Schädlingen, sondern auch bei der Frage, was gut bei den Kunden ankommt, welches Gemüse am ertragsreichsten und welches am wirtschaftlichsten ist. 

„Tomaten sind zum Beispiel ein Produkt, bei dem man die Qualität sofort schmeckt und mit dem man Geld verdienen kann, was für uns natürlich wichtig ist, um den ganzen Laden am Laufen zu halten“, sagt Sebastian. Ähnlich sei es mit Möhren. Beide Gemüsesorten seien für die Gastronomie spannend.  So ganz ohne Bezug zur Küche können die beiden doch nicht. Zwar würden sie kein klassisches Fünf-Tage-Restaurant-Geschäft mehr betreiben wollen, aber: „Ich koche einfach immer noch sehr gerne. Das vermisse ich tatsachlich“, sagt Sebastian. 

Bis zum 1. Dezember geht die Saison ihrer Gemüse-Kiste, danach möchten Carolin und Sebastian entscheiden, wie es mit „Beet & Bete“ weitergeht. Eine Idee geistert beiden im Kopf herum: „Der Traum wäre ein Hofladen, in dem wir auch selbst verarbeitetes Gemüse anbieten und vielleicht zwei bis drei Mal in der Woche einen kleinen Mittagstisch“, sagt Sebastian. „Ja, das wäre super“, pflichtet Carolin bei, „mit ein  bisschen Gastro noch dabei.“ 

INFO: Aktuell nehmen Carolin und Sebastian wieder neue Gemüse-Kisten-Bestellungen an. Den Kontakt gibt’s HIER

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