Punktlandung. Ein Jahr nach der Eröffnung ihres Restaurants am festen Standort in der Dreikönigstraße in Freiburg wurde das Restaurant Hawara von Nico Heuer und Yannik Spielmann mit einem roten Michelin-Stern für seine hervorragende Küche ausgezeichnet. Zudem ehrte der renommierte französische Gourmetführer das Hawara mit einem grünen Stern für sein umweltbewusstes und nachhaltiges Engagement.
Text: Gabriele Hennicke
Genau eine Woche nach der Verleihung der Sterne in Frankfurt tragen die beiden immer noch ein breites Grinsen im Gesicht und die Augen leuchten, sobald es um die Sterne geht. Und wie vor gut einem Jahr beim Besuch während der Zeit, als sie das lange leerstehende ehemalige „Klösterle“ in Freiburger Stadtteil Wiehre in Eigenregie renoviert haben, gibt es ein improvisiertes Frühstück. Kaffee, Brezeln, süße Stückchen. Die beiden sind noch ein bisschen müde, gestern Abend wurde es spät, das Hawara war die vierte und letzte Station eines Genussspaziergangs Freiburger Gourmethäuser. 42 Gäste zogen von Restaurant zu Restaurant und tafelten an langen Tischen.
„Ein roter Stern, das ist eine große Sache. Es fühlt sich richtig gut an. Wir bekommen ganz viel Wertschätzung, das ganze Team zehrt davon“, sagt Yannik Spielmann. Noch auf der Fahrt zur Michelin-Gala nach Frankfurt war ein Anruf der Badischen Zeitung gekommen, die zum Stern gratulierte, offensichtlich wurde die Pressemeldung schon vor der Veranstaltung versendet. Doch die Nervosität blieb, so lange, bis die beiden dann tatsächlich aufgerufen wurden. „Wir waren schon unter Anspannung, auch wenn ein Michelin-Stern nicht unser ausgesprochenes Ziel war. Wir wussten ja durch die Einladung, dass wir was kriegen, und hatten mit einem grünen Stern gerechnet“, ergänzt Nico Heuer.
„Ein roter Stern, das ist eine große Sache. Es fühlt sich richtig gut an. Wir bekommen ganz viel Wertschätzung, das ganze Team zehrt davon.“ — Jannik Spielmann, Hawara
Die beiden 31-jährigen Spitzenköche, die seit Kindertagen befreundet sind, haben viel Zeit in Sterneküchen verbracht, angefangen von der Ausbildung im Raben in Horben, dessen Inhaber Steffen Disch im Frühjahr überraschend gestorben ist. „Er wäre so stolz auf uns gewesen“, sagt Nico Heuer. Nach der Ausbildung ging Spielmann nach Südafrika, war kurz bei Franz Keller am Kaiserstuhl und folgte dann Nico Heuer nach Wien, wo der auf Sterneniveau kochte. Nach einer weiteren Station im Drei-Sterne-Restaurant Frantzén in Stockholm starteten die Freunde 2020 in Freiburg in die Selbstständigkeit. Zunächst mit Popup-Restaurants, gut ein Jahr im Vorderhaus der Fabrik in der Habsburgerstraße und seit vergangenem Sommer eben im Klösterle.
Ein roter Stern sei auch deshalb etwas ganz Besonderes, weil das Hawara kein typisches Michelin-Konzept verfolge, sondern seinen eigenen Weg gehe, sagen die beiden. Zu diesem Weg gehört beispielsweise ein eigener Garten in Freiburg-St. Georgen, wo Gärtner Sebastian Wolf nach einem ausgeklügelten Anbauplan Gemüse, Kräuter, Gewürze und Blumen für die Floristik anbaut. Im Mai, wenn die Jungpflanzen groß genug sind, kommt das zwölfköpfige Restaurantteam zum Pflanzen. „In diesem Jahr ist unser Garten noch wichtiger für uns geworden. Wir haben den Anbau vergrößert, freuen uns, dass wir schon unseren eigenen Szechuanpfeffer ernten können und unser eigenes Wasabi“, sagt Yannik Spielmann. Zweimal die Woche geht es zum Ernten in den Garten. Und von dem, was wächst, lassen sich die beiden inspirieren, aktuell von den ersten Zucchini und Auberginen.
Wer ein Schickimickiambiente und -gehabe erwartet, wird im Hawara nicht fündig. Schließlich bedeutet der Wiener Ausdruck „Hawara“ Kumpel oder Freund. Die Küche spiegelt die Region zwischen Schwarzwald, Rhein und dem Elsass wider. Die Sterneköche kombinieren regionale saisonale Produkte mit nordischem Purismus, französischen Nuancen und japanischem Handwerk. Zur Vorspeise und als Zwischengang gibt es in der Regel Fisch, zum Hauptgang wird meist Fleisch serviert. Auch beim Einkauf trägt das regionale Konzept: Der Fisch kommt entweder von einem Forellenhof aus Schiltach oder vom einzigen Rheinfischer aus Karlsruhe. Das Schweinefleisch produziert der Ringlihof in Horben im Auftrag der Hawaras als Molkeschwein. Das Rindfleisch stammt ebenfalls von ausgewählten Höfen im Schwarzwald.



Ähnlich wie beim Freiburger Restaurant Jacobi, das vor einem Jahr erstmals und jetzt wieder mit dem roten und grünen Michelinstern ausgezeichnet wurde, gehört auch beim Hawara der enge Kontakt zu den Lieferanten zum Konzept. „Und das geht auf“, sagt Yannik Spielmann. „Wir wollten in unserem Restaurant einen Ort schaffen, an dem wir uns wohlfühlen und an dem die Gäste glücklich sind. Für diesen unseren Weg bekommen wir ganz viel positive Resonanz.“ Der Guide Michelin formuliert es so: „In diesem angenehm unprätentiösen Restaurant leben Nicolai Heuer und Yannik Spielmann ihre nachhaltige Küchen- und Gastronomiephilosophie. (….) Gerichte wie zum Beispiel „Geräucherter Wels, Bio-Kartoffeln, Physalis“ und spannende Desserts wie „Eis aus gerösteten Kartoffelschalen, Birne Helene“ sind mit ihren interessanten Kontrasten und vollmundigen Aromen eine echte Freude.“
Mittwochabends gibt es „Bistroküche“, ein kleineres Menü und ein A-la-carte-Angebot, von Donnerstag bis Samstag serviert das Hawara ein fünfgängiges Überraschungsmenu mit drei Kleinigkeiten vorweg und etwas Süßem hintenraus. Das Hawara stellt – wie beispielsweise die Traube in Blansingen bei Efringen-Kirchen, die auch ihren roten und grünen Stern in der aktuellen Ausgabe des Guide Michelin verteidigt hat – selbst eine alkoholfreie Variante der Weinbegleitung aus Essenzen, Auszügen, Säften und Fermenten her. Einige der Ansätze für diese Getränke stehen in großen Ballonflaschen im Eingangsbereich des Restaurants. Neben Plätzen an Holztischen gibt es im Innenraum Thekenplätze, die besonders gerne von jungen Leuten gebucht werden, sowie eine Terrasse mit Tischen unter der Kastanie.
Hier feierte das ganze Team mit allen Wegbegleitenden und Unterstützenden am Tag nach der Sterneverleihung ein Fest, das die erfolgreichen Köche sehr genossen. Gefragt nach ihrem Erfolgsrezept, sprechen sie von der Produkttiefe, von der vielen Zeit und den vielen Gedanken, die sie ihren kulinarischen Kreationen zukommen lassen. Von dem, was die Gerichte ausmacht, erzählen sie ihren Gästen gerne. Und diese Geschichten sind wohl das, was ein Essen im Hawara für die Gäste so besonders macht.