Vereinsrat statt Präsident: Der Sport-Club Freiburg hat auf seiner Mitgliederversammlung am 9. Oktober nach kontroversen Debatten ein neues Gremium installiert und es zugleich besetzt. Außerdem berichteten die Vorstände von den guten sportlichen wie wirtschaftlichen Ergebnissen der vergangenen Saison.
Text: Susanne Maerz
Geburten ziehen sich bekanntlich häufig hin und verlaufen nicht ohne Schmerzen. Das war auch auf der Mitgliederversammlung des Sport-Club Freiburg am 9. Oktober zu beobachten. Nach einer langwierigen, kontrovers geführten Debatte wurde die Satzung geändert und ein neues Gremium ins Leben gerufen sowie besetzt: der Vereinsrat.
Die Fakten sind schnell erzählt: Künftig übernimmt ein neun- bis zwölfköpfiges, ehrenamtlich agierendes Organ die Aufgaben, die bisher Präsident und Ehrenrat innehatte. Dazu kommen einige neue. Im Mittelpunkt stehen der Dialog mit den Mitgliedern und das Sorgetragen dafür, die Vielfalt im Verein zu berücksichtigen. Diese, mit 87 Prozent Zustimmung von den 755 anwesenden Mitgliedern verabschiedete Satzungsänderung, hatten Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam mit in der aktiven Fanszene engagierten und zufällig ausgewählten Mitgliedern in einem neun Monate dauernden Prozess erarbeitet.
Eingeleitet worden war dieser auf der Mitgliederversammlung vor einem Jahr. Dort hatte sich der Unmut vieler darüber entladen, dass der Ehrenrat im Vorfeld in Absprache mit dem Vorstand, aber ohne Einbindung der Mitglieder entschieden hatte, keinen Kandidaten für die eigentlich anstehende Präsidentenwahl vorzuschlagen und das Amt stattdessen ruhen zu lassen. Der daraufhin begonnene Dialogprozess sei „extrem kontrovers, aber konstruktiv“ geführt worden, berichtete Oliver Leki, Vorstand für Finanzen, Marketing und Organisation. In einer internen, aber für alle Mitglieder offenen Veranstaltung im Sommer waren die Ergebnisse vorgestellt worden (Netzwerk Südbaden berichtete) – in gewohnter Einträchtigkeit.
Weibliche und jüngere Kandidierende bevorzugt
Von dieser Harmonie war jetzt auf der Mitgliederversammlung allerdings nicht mehr viel zu spüren. Vor allem an einem Punkt entlud sich der Unmut vor allem aus der aktiven Fanszene: Die geänderte Satzung sieht vor, dass sich zwar alle Mitglieder mit mindestens fünf Unterstützern um einen Posten im Vereinsrat bewerben können. Die Auswahl indes obliegt dem Aufsichtsrat, der der Mitgliederversammlung nur so viele Kandidatinnen und Kandidaten inklusive eines oder einer Vorsitzenden zur Wahl vorschlägt, wie es maximal Posten zu besetzen gibt. Das waren diesmal vier, da für eine zweijährige Übergangszeit die erst vergangenes Jahr gewählten acht Mitglieder des Ehrenrats in den Vereinsrat wechseln. Normalerweise beträgt eine Amtsperiode drei Jahre.
Im Sommer hatten sich 33 Mitglieder beworben, wie der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Johannes Baumgartner erläuterte. 29 hätten die formalen Kriterien erfüllt und seien fachlich wie persönlich geeignet gewesen, darunter eine Handvoll Frauen. Mit Letzteren führte der Aufsichtsrat persönliche Gespräche. Letztendlich sei es vor allem darum gegangen, die Vielfalt im Verein zu berücksichtigen. Angesichts eines von eher älteren Männern dominierten Ehrenrats wurden nun vor allem Jüngere und Frauen berücksichtigt. Auch die Dauer der Mitgliedschaft (mindestens fünf Jahre war gewünscht, aber keine Pflicht) und die Fanbiografie sollten berücksichtigt werden.
Vorgeschlagen und schließlich gewählt wurde Marc Schmid (47) als Vorsitzender. Der Handelsvertreter engagiert sich seit 1995 ehrenamtlich im Verein, war zehn Jahre lang Fanbeauftragter und sitzt seit 2014 im Aufsichtsrat. Den Posten legte er nun nieder, er hatte sich wegen seiner Kandidatur auch nicht an der Auswahl der Kandidierenden beteiligt. Außerdem gewählt wurden Lea Ehinger (27), Rechtsanwältin und Gründungsmitglied des Fanclubs „Rotes Rudel“, Fabian Freiseis (38), promovierter Theologe, der im Dialogprozess als eines der 50 zufällig ausgewählten Vereinsmitglieder beteiligt war und als deren Sprecher im Rampenlicht stand, sowie Stefanie Renz (33). Die Produktmanagerin ist unter anderem in der Supporters Crew engagiert, in der Fanszene bekannt, beliebt und wurde Stimmenkönigin des Abends mit einer Mehrheit von 88,5 Prozent.
Unmut über Prozess der Kandidatenauswahl
Zuvor hatten mehrere Mitglieder das Verfahren wegen der fehlenden Wahlmöglichkeiten als undemokratisch und den Auswahlprozess als intransparent kritisiert. Man habe einen offenen Wahlkampf vermeiden wollen, den es in vielen anderen Vereinen gebe und der oft einer Schlammschlacht gleiche, erklärten der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich Breit und sein Stellvertreter Johannes Baumgartner mehrfach. So wolle man den Freiburger Weg schützen und eine Ausgliederung der Profiabteilung verhindern. Dieses Prozedere versprachen sie angesichts der Kritik in den Gremien zu überdenken.
Bei der Premiere führte das in der geänderten Satzung verankerte Vorgehen indes dazu, dass die Kandidierenden für das neue Gremium nicht im Vorfeld, sondern auf der Versammlung befragt und einige von ihnen dabei ziemlich persönlich und undifferenziert angegangen wurden. Immerhin verlief die anschließende Abstimmung technisch reibungslos. Nach langwierigen manuellen Auszählungen vor einem Jahr hatte der Verein auf ein geheimes Verfahren mit elektronischen Stimmgeräten umgestellt.
Fast einstimmig wurde auf diese Weise auch der langjährige, im Jahr 2009 gestorbene Vorstandsvorsitzende Achim Stocker zum Ehrenvorstandsvorsitzenden ernannt – nach emotionalen Worten von Heinrich Breit vor und Stockers Witwe Hannelore nach der Wahl. Beide erinnerten daran, wie Achim Stocker für den Verein gelebt und mit seinem 36 Jahre langen Wirken an dessen Spitze den Grundstein für den heutigen Erfolg gelegt hatte.
Bestes Ergebnis in Saison ohne Europapokalteilnahme
An die „sportlich sehr erfolgreiche“ vergangene Saison erinnerte schließlich Finanzvorstand Oliver Leki, bevor er die Bilanz des vergangenen Geschäftsjahres (bis 30. Juni) vorstellte. Der Sport-Club hatte mit seinem neuen Cheftrainer Julian Schuster und 55 Punkten Tabellenplatz fünf in der Fußballbundesliga erreicht, sich einen Platz in der Europa League gesichert und dabei die Qualifikation für die Champions League am letzten Spieltag nur hauchdünn verpasst.
Finanziell konnte der Verein, allerdings wenig überraschend, nicht an die Rekordergebnisse der beiden vorangegangenen Spielzeiten anknüpfen. Bereits im Juli hatte Oliver Leki im Interview mit Netzwerk Südbaden gesagt: „Es war wirtschaftlich ein gutes, solides Jahr, und wir haben einen ordentlichen Jahresüberschuss erwirtschaftet. Es wird aber kein Rekordjahr werden wie 2023/24.“ Das lag in erster Linie daran, dass die erste Herrenmannschaft nach zwei Saisons in Folge nicht wieder international spielte und auch früh aus dem DFB-Pokal ausgeschieden war. Damit sanken die Umsatzerlöse 2024/25 im Vergleich zur Vorsaison von 203,1 auf 162,8 Millionen Euro – laut Leki gleichwohl „das beste Ergebnis in einer Saison ohne Europapokalteilnahme“.
Zu Buche schlugen vor allem die angesichts einer geringeren Zahl an Spielen von 88,6 auf 78,9 Millionen Euro zurückgegangenen Fernsehgelder und die aus denselben Gründen von 26,7 auf 21,1 Millionen Euro gesunkenen Ticketeinnahmen. Außerdem führte Oliver Leki die „für unsere Verhältnisse eher überschaubaren Transfererlöse“ an: Sie gingen von rund 40 auf 17,1 Millionen Euro zurück, die sonstigen Einnahmen, in denen sie enthalten sind, von 63,3 auf 37,6 Millionen Euro. Immerhin konnte der Verein die Sponsoringeinnahmen von 24,5 auf 25,2 Millionen Euro steigern. Man habe viele neue Sponsoren dazugewinnen und aufgrund der sportlichen Erfolge besser dotierte Verträge abschließen können, so Leki.
Bemerkenswert ist der im Ligavergleich besondere, für den Sport-Club indes typische und wiederholt positive Jahresüberschuss: Er betrug 11,8 Millionen Euro. Der Rekord der Vorsaison von 40,8 Millionen Euro war indes nicht zu erreichen. So kommentierte Leki das Ergebnis auch mit den Worten: „Es war schonmal besser, aber ist trotzdem ziemlich gut“ und betonte, man plane nie mit Einnahmen. Eine weitere Besonderheit des SC Freiburg sind die nicht vorhandenen Bankschulden. Auch diesmal konnte das Eigenkapital gesteigert werden: von 151,9 auf 163,7 Millionen Euro.
Weiter gestiegen ist auch die Zahl der Mitglieder auf nun knapp 79.000. „50.000 bis 60.000 von ihnen kennen keine sportlichen Misserfolge“, sagte Sportvorstand Jochen Saier bei seiner Saisonbilanz. Er führte dies als eine mögliche Erklärung für das „ungewöhnlich laute Grummeln im direkten Umfeld des Vereins und darüber hinaus“ an, nachdem der SC mit zwei Niederlagen (gegen Augsburg und Köln) in die laufende Saison gestartet war. Die Erwartungen an die Mannschaft seien gestiegen.
„Natürlich sind wir maximal ambitioniert“, sagte Saier, verwies aber zugleich darauf, wie schnell eine Unachtsamkeit in 90 Minuten ein Spiel kippen lassen könne und dass auch immer wieder die Situation eintreten könne, am letzten Spieltag um den Klassenerhalt kämpfen zu müssen. Und er erinnerte daran, wie sich der SC Freiburg von ganz hinten in die Mitte der Bundesliga hochgearbeitet habe. Ebenso wies er auf das Selbstverständnis als Aus- und Weiterbildungsverein hin, das mit erfolgreichen Transfers einhergehe, sowie an die Durchlässigkeit von der Fußballschule bis in die erste Mannschaft. Er appellierte an alle Mitglieder: „Wir müssen wachsam sein, aber auch demütig bleiben und einen klaren Blick auf die Dinge bewahren.“ Worte, die auf keiner Mitgliederversammlung des Sport-Clubs fehlen und bei denen er sich der Unterstützung praktisch aller Anwesenden sicher sein konnte.