Die Zahlen gut, die Stimmung schlecht wie nie – so lässt sich die Mitgliederversammlung des Sport-Clubs Freiburg zusammenfassen. Am Ende gerieten die außergewöhnlichen finanziellen und sportliche Leistungen in den Hintergrund, und der Ehrenrat wurde abgewatscht.
Text: Susanne Maerz
„So was hat man lange nicht gesehn“: Die Liedzeile, die gewöhnlich die Fans im Stadion vor Freude über gute Spiele anstimmen, galt für die Mitgliederversammlung des SC Freiburg am 10. Oktober in der Freiburger Messe auf gegenteilige Weise. Im Mittelpunkt standen die Vorgänge im Vorfeld: In der Einladung zur Mitgliederversammlung waren die Fans im Sommer darüber informiert worden, dass der Ehrenrat des Vereins den bei den Mitgliedern beliebten Präsidenten Eberhard Fugmann nicht für eine zweite Amtszeit vorschlagen werde und dass überhaupt kein Präsident gewählt werden soll. Als Grund waren unterschiedliche Vorstellungen über die Ausgestaltung des Präsidentenamtes genannt worden. Fugmann hatte daraufhin sein Amt zum 1. September ruhen lassen.
Was ist vorgefallen, was steckt wirklich dahinter? Wer hat wann die Entscheidung getroffen, keinen Kandidaten vorzuschlagen? Und ist das laut Satzung überhaupt erlaubt? Diese Fragen trieben viele Fans um. In einer emotionalen, langen Debatte wurden sie verhandelt. Dabei machten der Vorsitzende des Ehrenrats, Rolf Ziegelbauer, eine unglückliche Figur, der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich Breit agierte wenig souverän. Während Breit von den vielen, sich teils wiederholenden und bohrenden Nachfragen der Mitglieder – unter anderem von seiner Tochter Helen Breit, Mitglied im Fanbeirat und Sprecherin der Vereinigung Supporters Crew –genervt wirkte, druckste Ziegelbauer herum, ehe er die Vorgeschichte skizzierte.
Die geht in Kürze so: Anfang dieses Jahres tauschten sich die acht ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder des Ehrenrats mit Eberhard Fugmann über dessen Arbeit aus – natürlich vor dem Hintergrund der turnusgemäß anstehenden Präsidentenwahl im Herbst. „Es gab zu diesem Zeitpunkt keine so starken Vorbehalte“, sagte Ziegelbauer. Später seien diese aber so groß geworden, dass man Fugmann nicht erneut als Kandidaten nominieren wollte. Unter anderem, weil der Club-Fan-Dialog, den der Präsident laut Satzung gestalten soll „nicht so war, wie es der Club und die Fans erwartet haben“. Bei einer Sitzung mit Vorstand und Aufsichtsrat Ende Juli sei schließlich herausgekommen, dass man sich eine weitere Zusammenarbeit so nicht vorstellen könne, erklärte Ziegelbauer. Die Zeit bis zur Mitgliederversammlung sei dann zu kurz gewesen, um einen neuen Kandidaten zu finden. Bereits zu Beginn der Versammlung hatte er eingeräumt: „Rückwirkend muss man sagen, dass es besser gewesen wäre, den Prozess früher zu beginnen.“
Das war, so sollte sich kurz darauf zeigen, nur eine Seite der Wahrheit. Die andere skizzierte Sportvorstand Jochen Saier nach weiteren kritischen Nachfragen: Es sei weniger um die Person Eberhard Fugmann gegangen als um die Definition des Präsidentenamtes. Es sei ein Fehler gewesen, das ehrenamtlich geführte Präsidentenamt in der Satzung mit operativen Funktionen zu versehen, sagte Saier. Für den Dialog mit der Fanszene auch im Zusammenspiel mit anderen Bundesligisten brauche es professionelle Strukturen. Der Sport-Club hat seit 2014 einen Präsidenten, als aus dem ehrenamtlichen ein hauptamtlicher Vorstand wurde. Seine Aufgaben wurden danach noch einmal verändert.
Dass dies nun vielleicht erneut geschehen kann und das Amt gar zur Disposition gestellt wird, von diesen Überlegungen des Vereins fühlten sich die meisten Mitglieder überrollt – und straften stellvertretend den Ehrenrat, allen voran dessen Vorsitzenden Rolf Ziegelbauer, ab. Der Diskussion folgten langwierige Abstimmungen mit langen Auszählungsverfahren, die den Verein unvorbereitet zu treffen schienen. Schließlich wurden Aufsichts- und Ehrenrat entlastet, allerdings mit ungewöhnlich vielen Gegenstimmen. Und Rolf Ziegelbauer wurde nicht erneut in den Ehrenrat gewählt.
Finanzielle Bestleistung und Beifall für den Freiburger Weg
Im Kontrast zu dieser disharmonischen Diskussion und Abstimmung, die sich bis kurz vor Mitternacht zogen, stand der erste Teil der Mitgliederversammlung. Unter dem wiederholten Beifall der anwesenden 992 von insgesamt 73.000 Mitgliedern – beides Rekordwerte – hatten Ziegelbauer, Breit sowie die Vereinsvorstände Oliver Leki und Jochen Saier ihre Bilanz der Saison 2023/24 und damit des vergangenen Geschäftsjahres (bis 30. Juni) gezogen.
Die Einnahmen aus der Europa League und vor allem die „außergewöhnlich guten“ Transfererlöse für Mark Flekken und Kevin Schade, die beide vor gut einem Jahr zum FC Brentford gewechselt waren, hatten einen Jahresüberschuss von 40,8 Millionen Euro (2022/23: 16,1 Millionen Euro) zur Folge. Das ist eines der besten Ergebnisse im Ligavergleich und ein Vereinsrekord. Das Eigenkapital stieg somit auf 151,9 Millionen Euro (von 111,1 Millionen Euro), ebenfalls außergewöhnlich für einen Topclub. Beim Umsatz rangiert der SC eher im Mittelfeld, verzeichnete mit Erlösen von 203,1 Millionen Euro (2022/23 waren es 175,3 Millionen Euro) indes erneut einen Vereinsrekord.
Als Wermutstropfen sieht Oliver Leki die nach wie vor hohe Abhängigkeit von Fernsehgeldern. Sie machten 88,6 Millionen Euro und damit etwa 44 Prozent des Umsatzes aus. Dem gegenüber stehen fast gleich hoch gebliebene Ticketeinnahmen von 26,7 Millionen Euro und leicht gesteigerte Sponsoringeinnahmen von 24,5 Millionen Euro. Die wirtschaftlichen Erfolge seien „die Grundlage dafür, dass wir uns nicht ausgliedern müssen und dass wir keine Investoren brauchen“, unterstrich Leki. Der SC Freiburg sei einer der wenigen Club in Deutschland, bei dem „die Leitplanken für die eigenen Handlungsfelder intakt sind“, sagte er und erhielt dafür kräftigen Beifall.
Sportvorstand Jochen Saier betonte, dass elf Spieler des Profikaders der Saison 2023/24 den Weg über die Freiburger Fußballschule genommen hätten und der Kader trotz der Rekordtransfers intakt geblieben sei. Für die Entscheidung, den Freiburger Weg weiterzugehen und das Eigengewächs Julian Schuster zu Christian Streichs Nachfolger als Cheftrainer zu machen, erhielt Saier den größten Beifall des Abends.
Damit der Sport-Club beim nächsten Mal an den harmonischen Teil der Mitgliederversammlung anknüpfen kann, müssen nun die Mitglieder der verschiedenen Gremien und die Hauptamtlichen in den kommenden Monaten „eine gute Lösung finden, wie es mit Blick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre weitergeht“. Laut Finanzvorstand Leki soll die Mitgliederversammlung der Auftakt für einen Prozess sein, in den alle Mitglieder einbezogen werden und an dessen Ende eine Entscheidung über die Zukunft des Präsidentenamtes und möglicherweise die Wahl eines neuen Präsidenten steht. Fansprecherin Helen Breit mahnte, das versprochene Beteiligungsverfahren ernst zu nehmen, es professionell zu führen und die Mitglieder wirklich einzubeziehen. Denn dies sei in der Vergangenheit nicht wirklich gelungen.