Es gibt sie noch: junge Menschen, die einen Bauernhof auf dem Land übernehmen. Matthias Hang und Evelyn John sind dafür aus Rheinland-Pfalz nach Tennenbronn gezogen. Hier bewirtschaften sie Wiesen, halten Kühe und produzieren Käse.
Text: Susanne Maerz
Matthias Hang schneidet ein Stück Heumilchkäse mit Bockshornkleesamen aus der eigenen Käserei auf, betrachtet es und sagt: „Da erkennt man den Sinn in der Arbeit. Das erfüllt uns.“ Hinter ihm sieht man die verschiedenen Wohn- und Wirtschaftsgebäude des als Bio-Mooshof bekannten landwirtschaftlichen Betriebs. Es gibt drei Ferienwohnungen, eine Käserei, einen kleinen Hofladen, verschiedene Ställe und Wohngebäude. Dort leben seit November 2023 Matthias Hang, seine Frau Evelyn John und die dreijährige Tochter zusammen mit den Altbauern. So, wie es auf einem Bauernhof seit Jahrhunderten üblich ist.
Allerdings sind die verschiedenen Generationen, die am Rande des Schwarzwaldortes Tennenbronn zusammenleben, nicht miteinander verwandt, sondern über ein Inserat zusammengekommen. Da die eigenen beiden Töchter die Landwirtschaft und Käserei der Eltern nicht übernehmen wollten, suchten Josef und Erika Günter nach externen Nachfolgern. Matthias Hang und Evelyn John wiederum suchten nach einem Hof, um dort Kühe halten und Käse produzieren zu können. „Das war schon länger unser Traum“, berichtet die 33-Jährige, während sie Kaffee mit frischer Kuhmilch anbietet. Dabei sind beide Quereinsteiger: Evelyn John, in Freiburg aufgewachsen, ist Kulturwissenschaftlerin und arbeitet nach wie vor in Teilzeit als Projektkoordinatorin. Ihr zwei Jahre jüngerer Mann ist Eisenbahningenieur und arbeitete mehrere Jahre bei der Deutschen Bahn. Morgens ging er aus dem Haus und kam erst am Abend wieder zurück.
Vom Weingut zur Käserei
„Ich wollte mein Kind aber auch tagsüber sehen und ihm die Möglichkeit bieten, dass es frei aufwächst“, erzählt er. Während des Gesprächs ist seine Tochter im Kindergarten, wird aber im Lauf des Nachmittags mal mit den Kindern der Feriengäste spielen, mal zu den Kühen in den Stall oder auf die Weide gehen, natürlich unter Aufsicht der Eltern.
Matthias Hang wuchs auf einem Weingut in Rheinhessen auf, das seine Familie im Nebenerwerb betreibt. Die Idee, selbst einmal Winzer zu werden, verwarf er aber nach einigen Überlegungen. Schließlich werde immer weniger Wein getrunken, gibt er zu bedenken. Außerdem habe er keine Idee gehabt, wie er sich von anderen Weingütern abheben könne. „In der Natur und mit den Händen zu arbeiten, hat mir aber immer Spaß gemacht“, sagt Matthias Hang. Gemeinsam mit seiner Frau machte er sich Gedanken über eine Alternative. Und so entstand die Idee für eine Landwirtschaft mit eigener Käserei. Das nötige Rüstzeug für Kühe und Käserei eigneten sie sich in verschiedenen Kursen an.
Vor vier Jahren wagten Hang und John in Grolsheim (Rheinland-Pfalz) den Sprung in die Selbstständigkeit in der Landwirtschaft. Mithilfe eines Existenzgründerdarlehens schafften sie sich die ersten Kühe und nötigen Anlagen für die Käseherstellung an und mieteten einen kleinen Hof. Doch dort fehlte der Platz für die Kühe, die daher das ganze Jahr über ein paar Kilometer entfernt auf der Weide stehen mussten. „Es war klar, dass dies keine Lösung auf Dauer sein kann“, berichtet Evelyn John. Aber es war eine Zeit, in der sie Erfahrung sammelten, die ihnen nun zugutekommt: Die beiden bauten ihre Marke Qulibri auf, produzierten Käse und vermarkteten ihn in der Region. „Natürlich haben wir einige Fehler gemacht, aber auch daraus gelernt“, sagt Matthias Hang. Parallel dazu suchten sie nach einem eigenen Hof mit angrenzenden Weideflächen und Platz für Stall, Käserei und Wohnung. Über ein Inserat wurden sie im Jahr 2023 auf den in einem kleinen Seitental zwischen der Firma Schneider Schreibgeräte und dem Ort Tennenbronn gelegenen Bio-Mooshof aufmerksam.
Auch die Vorgänger arbeiten noch mit
Beim ersten Besuch vor Ort im vergangenen Jahr war es zwar kalt und neblig, aber die Chemie zwischen ihnen und den Eigentümern, der Familie Günter, stimmte sofort, berichtet die gebürtige Freiburgerin Evelyn John. Beim zweiten Treffen nahmen sie ihre Tochter mit, die Sonne schien, und die Entscheidung für den Umzug war gefallen. Der fand dann vergangenen November statt.
Zwei Generationen der Familie Günter wohnen nach wie vor auf dem Hof. Josef Günter (64) kümmert sich um die 30 Hektar Wald, seine Frau Erika (60) betreut die Ferienwohnungen und Feriengäste, und ihre 83-jährige Mutter Emma Hug hilft auch noch mit so gut es geht. Darüber seien sie froh, sagt Evelyn John. „Alles auf einmal zu übernehmen, wäre für den Anfang zu viel gewesen.“ Die Neubauern kümmern sich im Gegenzug darum, dass das Gras auf den 16 Hektar Wiesen entweder zu Heu gemacht wird oder von den inzwischen 15 Kühen und 6 Kälbern beweidet wird. Und sie verarbeiten die 150 Liter Heumilch, die diese durchschnittlich am Tag geben, komplett zu etwa ein Dutzend verschiedenen Käseprodukten: zu Weich- und Schnittkäse, zu Joghurt sowie einem Grill- und Pfannenkäse. Letzterer ist im Sommer ihr Bestseller, berichtet Evelyn John. Etwa fünf Tonnen Milchprodukte stellen die Neubauern im Jahr her. Jeden Tag stehen sie dafür in der Käserei. Da sie die Milch nicht abliefern, müssen sie sie täglich verarbeiten.
„Wollt ihr das wirklich?“ Das seien sie oft gefragt worden, berichtet Evelyn John. Schließlich könnten sie nun nicht mehr einfach mal ein Wochenende wegfahren. Aber das nehmen sie gerne in Kauf. „Wir sind glücklich hier“, sagt Matthias Hang. Sie schwärmen von der Ruhe, in der nur das Traktorengeräusch, oder das Muhen der Kühe oder Meckern der Ziegen die Stille unterbricht, wo die Kühe sich frei zwischen Weide, Stall und Melkmaschine bewegen. Und vom aktiven Vereinsleben und der Gemeinschaft in Tennenbronn, einem Ort mitten im Schwarzwald, in dem viele junge Leute bleiben, anstatt in die Stadt zu ziehen.
Käse im Abonnement
Qulibri haben sie ihren Hof genannt, so wie ihren Käse. Der Name steht für die freie Kuh und den Kolibri, der sich nicht einfangen lässt. Ein kleiner Kolibri ist auch auf ihrem Logo zu sehen. Qulibri-Käse gibt es in verschiedenen Edeka-Hieber- und Beckesepp-Märkten zu kaufen. Ebenso im Hofladen, über den Webshop und im Abo. Um die 70 Kundinnen und Kunden erhalten darüber jeden Monat für einen festen Preis Käseprodukte, holen sie entweder auf dem Hof oder an einem Sammelpunkt in Freiburg ab oder erhalten sie per Post. Dazu zählen sogar einige aus den Anfangstagen in der Pfalz. Ein prominenter Abnehmer ist die Obere Metzgerei Winterhalter aus Elzach, die den Grillkäse unter anderem fürs Catering verwendet. Dazu kommen weitere Gastronomen.
Es läuft gut. Auch wenn sie davon nicht reich werden. „Was bedeutet schon finanzieller Reichtum, wenn man das hier haben kann“, sagt Matthias Hang und blickt über die Wiesen und Weiden. „Es ist wunderschön hier.“ Dafür, dass es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch zwischen Vorgängern und Nachfolgern gut läuft, sorgt bei Bedarf ein externer Coach. Mit diesem haben Alt- und Jungbauern auch den Businessplan von John und Hang besprochen und die Übergabe gestaltet. Nach wie vor tauschen sie sich regelmäßig gemeinsam aus. Schließlich wollen sie noch viele Jahre gemeinsam auf dem Hof leben. 35 Jahre lang läuft der Pachtvertrag. „Bis ich selber in Rente gehe“, sagt Matthias Hang.