Die Infrastruktur im ländlichen Raum verschlechtert sich. Das betrifft auch die Grundversorgung. Doch es gibt mit genossenschaftlich organisierten Lebensmittelgeschäften eine Gegenbewegung, wie das Beispiel eines Dorfladens in Buchenbach zeigt.
Text: Christine Weis • Fotos: Santiago Fanego
Donnerstagmorgen, 8.30 Uhr Die Sonne strahlt ins spätsommerliche Dreisamtal. Biegt man von der stark befahrenen B 31 bei der Ausfahrt Richtung St. Peter und Buchenbach ab, wird es beschaulich und ruhig. Je weiter die Entfernung vom urbanen Raum, desto mehr Natur macht sich breit und umso schlechtere Infrastruktur gibt es – da ist Buchenbach keine Ausnahme. Kein Wunder ging ein Ruck durch die Gemeinde mit ihren rund 3.200 Einwohnern, als Christian Renner im Mai 2017 sein Lebensmittelgeschäft für immer zusperrte. Erinnert sich Irmy Fuß. Sie kennt den Ort durch und durch. „Ich bin in Unteribental aufgewachsen und weiter als bis zum Ortszentrum habe ich es nicht geschafft“, scherzt die 62-jährige medizinische Fachangestellte.
Als Christian Renner im Mai 2017 sein Lebensmittelgeschäft zumachte, ging ein Ruck durch die Gemeinde Buchenbach.
Früher gab es hier mehrere Läden. Der Bäcker ist noch da, Apotheke, Blumenladen und Bankfiliale sind längst verschwunden, und auch die Metzgerei hat aufgegeben. Auf einen Lebensmittelladen wollten die Buchenbacher jedoch nicht verzichten und so nahmen tatkräftige Bürgerinnen und Bürger das selbst in die Hand. Seit 2021 gibt es den Dorfladen Buchenbach, einen genossenschaftlich organisierten Grundversorger direkt beim Rathaus in der Dorfmitte.



Der Reihe nach: Der Weg zum Laden war kein leichter, sagen die Vorstände der Dorfladen-Genossenschaft Irmy Fuß und Siegbert Weber bei einem Treffen Ende August. Zunächst organisierte der damalige Bürgermeister Harald Reinhard 2017 eine Bürgerversammlung zum Thema Nahversorgung. Dabei hätten sich alle mit einer Ausnahme gegen einen Supermarkt auf der grünen Wiese und für einen kleinen Laden ausgesprochen. Als nächstes folgte eine Umfrage, die eruieren sollte, wer in einem solchen Laden dann auch einkaufen und sich engagieren würde. „Die Umfrage war leider nicht sehr spezifisch und sorgte für wenig Resonanz“, sagt Siegbert Weber. Doch daraufhin hat sich der Initiativkreis Dorfladen zusammengefunden, der das Projekt angestoßen und vorangetrieben hat. Zunächst waren es rund zehn Personen, alle ohne Erfahrung im Einzelhandel.
Siegbert Weber und Irmy Fuß waren von Anfang an dabei. Weber, der seit zwanzig Jahren in Buchenbach lebt, konnte als Wirtschaftsprüfer betriebswirtschaftliches Know-how beisteuern. Dass es einen Laden geben soll, war allgemeiner Konsens. Doch wer diesen betreiben, welche rechtliche Form es sein sollte und wo er seinen Standort haben könnte, sei zunächst offen gewesen. „Wir schauten erstmal, wie es andere machen“, erzählt Weber. Sie holten sich Rat bei den Betreibern der Läden in Friedenweiler-Rötenbach, in Müllheim-Britzingen und in Grunern bei Staufen.
Buchenbach ist längst kein Einzelfall. Neben den genannten gibt es auch im Kleinen Wiesental oder Schweighausen Geschäfte mit ähnlichem Konzept. Ein anderer Trend, die Nahversorgung im ländlichen Raum aufrechtzuerhalten, sind Automatenläden, wie sie beispielsweise Marktplatz Twenty47 betreibt. Vor kurzem wurde in Obersimonswald und in Falkensteig ein solcher eröffnet. „Uns geht es nicht allein um eine Einkaufsmöglichkeit, sondern auch um den sozialen Treffpunkt“, betont Irmy Fuß. Das kann ein Automat nicht leisten.
Viele Schritte, viele Hände
Von der Idee bis zur Eröffnung des Buchenbacher Dorfladens vergingen drei Jahre intensiver Arbeit. Der Prozess umfasste unter anderem eine Machbarkeitsstudie, eine erneute Umfrage mit spezifischen Fragestellungen, ein detailliertes Konzept, einen Businessplan, mehrere Infoveranstaltungen für die Bürgerschaft, die Sicherstellung der Finanzierung, Gründung einer Genossenschaft, den Ausbau und Einrichtung des Ladens, den Sortimentsaufbau und schließlich die Einstellung von Mitarbeitenden.

„Am zeitintensivsten war die Gewinnung einer ausreichenden Anzahl von Genossenschaftsmitgliedern, damit wir die angestrebte Eigenkapitalquote von 50 Prozent erreichen, um dann mit diesem Polster ein Bankdarlehen für die restliche Finanzierung zu erhalten“, berichtet Siegbert Weber. Schließlich habe sich auch die Gemeinde mit Geschäftsanteilen von 10.000 Euro und einem direkten Zuschuss von 15.000 Euro beteiligt. Die Investitionskosten ins Anlagevermögen von 180.000 Euro seien schließlich durch Eigenkapital in Form von Genossenschaftsanteilen, einem Kredit der Sparkasse, Fördermittel aus dem Programm Entwicklung des ländlichen Raums des Landes Baden-Württemberg sowie dem erwähnten Zuschuss der Gemeinde gestemmt worden. Heute hat die Genossenschaft 270 Mitglieder mit insgesamt 942 Anteilen und einem Betrag von 94.200 Euro.


„Wir wollten alle im Boot haben – sowohl die Bevölkerung als auch die Gewerbetreibenden“, sagt Irmy Fuß. Daher hätten sie einen runden Tisch einberufen und einen Fragebogen in alle Briefkästen gesteckt. Sie wollten wissen, welche Öffnungszeiten und Produkte gewünscht sind und ob es Einwände gibt. Und gab es denn Gegenwind? „Ja, einige befürchteten, der Laden würde der ortsansässigen Bäckerei Konkurrenz machen“, berichtet Fuß. Doch Bäckermeister Sascha Kreutz hatte das Vorhaben unterstützt und kreierte sogar zwei spezielle Dorfladenbrote.

Der Laden wird gut angenommen, sagen Fuß und Weber. Bei unserem Treffen sitzen wir hinter dem 90 Quadratmeter großen Geschäft auf der kleinen Terrasse mit zwei Tischen und einem Spalierobstapfelbaum als Sichtschutz. Drinnen ist viel los. Einige Kunden kaufen ein und die Regale werden bestückt. „Donnerstagmorgen brauchen wir jede Hand, weil unsere Warenbestellung von Okle angeliefert wird“, erklärt Irmy Fuß das rege Treiben. Der Großhändler hat seinen Sitz in Singen und behauptet sich seit 90 Jahren im hart umkämpften Lebensmittelmarkt. Er beliefert selbstständige Einzelhändler wie den Dorfladen und betreibt auch eigene Landmärkte.
„Wir brauchen auf Dauer mehr Umsatz, um steigende Kosten auszugleichen und unsere Mitarbeiterinnen gut zu bezahlen.“
Siegberd WEgber, Vorstand Dorfladen-genossenschaft
In Buchenbach werden die Okle-Waren mit Obst und Gemüse von den Frischebrüdern aus Freiburg und mit Produkten von rund 30 regionalen Anbietern ergänzt. Deren Angebot reicht vom Dreisamtäler Lachs, Käse vom Melcherhof aus Unteribental, Weidehähnchen vom Steingrubenhof in St. Peter bis zu Säften von Jung aus Teningen. Die Backwaren kommen von der Kreutz-Bäckerei gegenüber, Kaisers Guter Backstube und zweimal in der Woche gibt es Holzofenbrot vom Tännlehof in St. Märgen und Linderback in Kappel.

Sozial, wirtschaftlich und wettbewerbsfähig
„Der Laden ist kein Selbstläufer“, sagt Siegbert Weber. Wichtigste Umsatzbringer seien das täglich frisch angelieferte Obst und Gemüse, Molkereiprodukte, Käse, Wurst, Fleischwaren sowie Brot und Backwaren. Bei letztem laufe gerade der Sonntagsverkauf sehr gut. Dann ist von 7:30 bis 11 Uhr geöffnet und es kommen durchschnittlich 130 Menschen in den Laden – nur unwesentlich weniger als an einem ganzen Tag unter der Woche.
Ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer würde es den Dorfladen nicht geben.“
Irmy fuss, Vorständin Dorfladen-Genossenschaft
Seit der Eröffnung des Dorfladens im Juli 2021 seien Anzahl der Kunden sowie Umsatz kontinuierlich angestiegen. Im Geschäftsjahr 2023 lag dieser bei rund 615.000 Euro und verbuchte damit ein Plus von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr, berichtet Weber. Der durchschnittliche Umsatz pro Kopf liege bei lediglich 13 Euro. Das sollte sich seiner Meinung nach ändern. „Wenn jeder für einen Euro mehr einkaufen oder mehr Kunden nicht nur Ergänzungseinkäufe, sondern ihren Haupteinkauf im Dorfladen erledigen würden, hätte dies einen wesentlichen Effekt auf Umsatz und Gewinn“, rechnet Weber vor und ergänzt: „Dann wären wir wirtschaftlich stabiler.“ Man solle aber nicht mit schlechtem Gewissen einkaufen, der Laden biete wettbewerbsfähige Preise. Ein Beispiel: Die Produkte der Molkerei Schwarzwaldmilch gibt es zum gleichen Preis wie bei Edeka.
„Wir brauchen auf Dauer mehr Umsatz, um steigende Kosten auszugleichen und unsere Mitarbeiterinnen gut zu bezahlen“, sagt der 63-Jährige und nennt noch eine entscheidende Kennzahl: Rund 3000 Arbeitsstunden gehen auf das jährliche Konto der rund 35 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. „Ohne sie würde es den Dorfladen nicht geben“, bekräftigt Irmy Fuß. Die Frauen und Männer, die heute Vormittag hier seien, gehörten zu der Einräumgruppe und Fuß zählt weitere auf: Sonntagsbäcker- und bäckerinnen, von denen jeweils zwei die angestellte Verkäuferin beim Sonntagsverkauf unterstützen, die kulinarische Gruppe stellt Kuchen und Quiches her, ebenso gibt es Teams für handwerkliche Aufgaben, Verwaltung, IT, Webseite und Social Media.
