Das Jahr 2020 war für den Messestandort Deutschland finster. Auch in Freiburg überwiegt die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Geschäfts gegenüber Pandemie-konformen Möglichkeiten. In die umstrittene Teilnahme an der Expo Dubai 2021 kommt ebenfalls Bewegung zum Jahresanfang.
VON RUDI RASCHKE
Am Ende machte sich sogar die „New York Times” ums deutsche Messegeschäft Sorgen: Schließlich sind vier der zehn weltgrößten Messehallen hierzulande angesiedelt, laut „NYT” schaffen deutsche Messen 28 Milliarden Euro Wertschöpfung an den Standorten selbst, aber auch bei Hotels, Restaurants und Reiseanbietern. Wer das Geschäft mit Ausstellungen und Kongressen vielleicht etwas aus der Zeit gefallen finden mag, durfte bei diesem Beitrag über die deutsche Messetradition durchaus ins Staunen geraten. Und das hat auch ein wenig mit Freiburg zu tun.
Denn der örtlichen Gesellschaft „Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe“ (FWTM), die das organisiert, sind mit Corona gleich zwei sogenannte Leitmessen ausgefallen, die örtliche „Interbrush“ (Bürstenhersteller) und die „Smarter E“ (früher Intersolar), die Freiburg am größeren Standort München veranstaltet.
Die erste der beiden findet nur alle vier Jahre statt und wurde auf 2022 verschoben, die zweite fiel aus und ist turnusgemäß dieses Jahr wieder dran. Sie tragen einen nicht geringen Anteil am Freiburger Messeumsatz von knapp 30 Millionen Euro, der sich aus Hallenmieten, Stand- und Eintrittsgeldern speist. Daniel Strowitzki, gemeinsam mit Hanna Böhme an der Spitze der FWTM, sagt dann auch offen, dass er froh ist, dass ein kommunaler Träger hinter der Messe stehe: gegenwärtig beispielsweise deshalb wichtig, weil Mitarbeiter der städtischen Veranstaltungshäuser nun im Impfzentrum Beschäftigung finden und gebraucht werden, da die FWTM verantwortlich für das Impfzentrum beim Land ist.
Dass Freiburg auch direkt in der „New York Times“ genannt war, hängt allerdings auch mit der Messe „Leben & Tod“ zusammen, die Ende Oktober statt Richtung Absage ausschließlich ins Internet ging. Angesichts von insgesamt mittleren fünfstelligen Abrufzahlen bei Vorträgen eine durchaus interessante Premiere. Die auch eine Zukunft der Messen zeigen könnte – nachgefragte Themen könnten möglicherweise mehr Besucher von überallher versammeln als es vor Ort denkbar ist. Es bleibt die Frage nach dem Kassenhäuschen: Nicht nur, wieviel sich damit direkt erlösen lässt, sondern auch der Wegfall der übrigen Wertschöpfung bei Übernachtungen etc.
Strowitzki deutet an, dass es nicht der Weg der Messe Freiburg sein wird, zahlreiche neue, virtuelle Tagungen hochzuziehen: Man hätte damit zwar sogar „365 Tage Präsenz“ statt nur ein Wochenende – aber Freiburger Traditionsveranstaltungen wie die „Plaza Culinaria“ oder die „Automobil“ lebten nunmal vom „Riechen, Tasten und Fühlen“, sagt Strowitzki. Und wer beispielsweise wie bei Energiebaumesse „Getec“ eine Investition ins Eigenheim von 20.000 Euro plane, werde durchaus auf eine persönliche Begegnung mit dem Handwerker bestehen.
Zugleich wolle die Messe Freiburg Formate wie die Internationale Kulturbörse IKF langfristig zum Hybrid aus Vor-Ort- Event und Netz-Event ausbauen. Die IKF findet diesen Januar ausschließlich digital statt, was durchaus die Möglichkeit gibt, dass sich Gastspiel-Künstler, -Agenturen und -Veranstalter ein Bild machen können. Aber auch hier werde das Streaming- Geschäft nach der Pandemie eher eine Ergänzung bleiben, weil es die vielen Begegnungen nicht ersetzen könne. Gerade jene, die außerhalb der Messezeiten in Bars und beim Bier stattfinden, deutet Strowitzki.
Eher kein Bierausschank, aber trotzdem viel Bittergeschmack ist mit der Beteiligung Freiburgs an der Weltausstellung „Expo 2020“ in Dubai verbunden: Sie ist ins Jahr 2021 gerückt, aber noch vor ihrer Eröffnung Gegenstand größerer Aufräumarbeiten, zu denen auch ein Untersuchungsausschuss im Landtag zählt. Die Kosten von insgesamt 15 Millionen Euro sind für Freiburg selbst nicht das Kernthema, weil in erster Linie zwischen den Messeinitiatoren, der Ingenieurskammer des Landes Baden-Württemberg und dem Wirtschaftsministerium gestritten wird, wer den Pavillon-Stand finanziert.
Die Unterteilnahme der Stadt an der Seite von Fraunhofer-Institutionen an einer Weltausstellung, in der Baden-Württemberg ohnehin das einzige Bundesland unter lauter Nationen ist, darf man zumindest fragwürdig finden. Oder auch als Erbe des einstigen FWTM-Chefs Bernd Dallmann betrachten, der schon in Shanghai bei der Expo 2010 einen Stand made in Freiburg-Wiehre für das Naheliegende hielt. Ungeachtet von Fragen fehlender Menschenrechte in Dubai oder ob sich Freiburg nicht erst einen Namen in Europa machen sollte, bevor es Weltausstellungen erobert: Strowitzki betrachtet die Teilnahme weiterhin als „Chance für Baden-Württemberg“ und sieht das Projekt positiv. Angesichts prognostizierter 20 Millionen Besucher seien auch die Kosten für diese Imagearbeit im Rahmen. Eine allzu aktive Rolle werde Freiburg voraussichtlich nicht mehr einnehmen, das Land entscheide jetzt über Inhalte. Und Ende Januar wohl auch darüber, ob die FWTM mit Projetpartnern nach einer Ausschreibung nun den Stand bespielen darf. Danach, hofft er, „können wir uns wieder auf das Thema konzentrieren.“
Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe von netzwerk südbaden im Januar 2021.