Der Wahl-Freiburger Gregor Zimball galt als hervorragender Interpret brasilianischer Musik, bis eine Krankheit ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Im Internet ist die Musik des Gitarristen, Sängers und Komponisten zu hören.
VON JOACHIM SCHNEIDER
Irgendwann gabelt sich der Weg. Die einen gehen da lang, die anderen dorthin. Bei Gregor Zimball war es der Gitarrenlehrer, der ihm quasi den kleinen Schubser gab. „Er mochte brasilianische Musik und hat sie mir vorgestellt, spielen konnte er sie gar nicht mal so gut“. Das war in Hildesheim irgendwann Ende der 80er. In den Sommerferien vor dem Abitur ging der Teenager nicht in die USA oder reiste durch Europa, sondern er und zwei andere Kumpels flogen nach Brasilien um Land, Leute und Musik kennenzulernen. Und dann war es um ihn geschehen.
Seit dem vergangenen Jahr gibt es in den einschlägigen Portalen unter dem Namen Zimbalada quasi das komplette Schaffen des Gitarristen und Komponisten. Gut 30 Jahre umfasst die kreative Zeit des mittlerweile in Freiburg lebenden Musikers. Und das Verblüffende daran: Wo die Stücke aufgenommen wurden, hört man ihnen genauso wenig an wie seinen Urheber: Den blonden Jungen aus Hildesheim, der brasilianische Musik zu seinem Steckenpferd machte. Ein Stück ist schon 1991 entstanden, aber erst 2007 fertiggestellt und aufgenommen worden.
Ein erstes Thema für Gitarre mit brasilianischem Flair. Es heißt „Anjo“ auf deutsch Engel. Das etwas dünne Meeresrauschen ist original das von Rio – mit dem Handy aufgenommen. Ein ruhiges, etwas melancholisches Gitarren-Instrumental, bei dem die rhythmischen Verschiebungen erst gar nicht auffallen, so locker kommen die daher.
Ein anderes Stück namens „Samba Teresa“ erzählt instrumental die Geschichte von einem Typen, der in einem angesagten, gefährlichen Künstler-Viertel – viel zu früh unterwegs – ganz alleine in der Kneipe an einem Tisch hockte. Schließlich bauten sich Musiker um ihn auf und der einsame Gast saß plötzlich mitten in einer Samba-Kapelle. Der Typ ist natürlich Gregor und das Stück eine Hommage an den Kneipen-Samba und seine unzähligen begnadeten Musiker. Samba definiert einen bestimmten Rhythmus, der auch viel ruhiger daher kommen kann als das lustige Gehüpfe, das vom Carnaval bekannt ist. Diese kleine Geschichte datiert vom Jahre 1995.
Brasilien statt USA
Während sich seine Gitarrenkollegen eine berühmte Schule im Jazz- und Rock-Mekka USA aussuchten, ging der Brasilien-Fan lieber nach Rio, um die Sprache zu lernen und vor allem die Musik zu studieren. „Mir passierte dort alles, was einem weißen Europäer passieren kann“, grinst er gut 25 Jahre später: Ausgeraubt am zweiten Tag, das komplette Geld weg, keine gescheite Bleibe gefunden, immerhin hatte er eine verheißungsvolle Adresse im Gepäck: Cigam, die Musikschule von Ian Guest, bot tatsächlich Kurse an.
Der in Ungarn geborene Pianist stand schon in den 60er Jahren mit den absolut Großen des Bossa Nova wie Tom Jobim auf der Bühne, arbeitete im Studio mit an Klassikern der brasilianischen Musik. „Der lebte schon damals alleine und nahm mich in sein Landhaus mit, um Musik zu machen. Das waren im Prinzip kostenlose Workshops, bei denen ich unglaublich viel gelernt habe.“ Heutzutage ist einiges von und mit Ian Guest im Internet zu finden, damals war ein Kontakt nur übers Telefon möglich. Zwei Stücke sind direkt Ian Guest gewidmet und machen ihm in Struktur und Leichtigkeit alle Ehre.
Aber es gibt auch klassischen Modern Jazz aus dieser Zeit vor der Jahrtausendwende, denn zurück in Deutschland 1996 begann der Gitarrist beim famosen Briten Mike Walker Jazz zu studieren an der Hochschule Franz Liszt in Weimar. „Alle wollten mit mir spielen, auch die Professoren, weil mein Repertoire, darunter Bossa Nova Klassiker wie „Girl from Ipanema“, überall gut ankam“, sagt Greg
Doch ebenso in dieser Studienzeit entwickelte sich ein übertriebener Ehrgeiz. Der Gitarrist war besessen davon, der Beste sein zu wollen. Unvergessen der Rekord von zwölf Stunden Üben an einem Tag, um das fehlende Selbstwertgefühl zu kompensieren. Kunst kommt von Arbeit, lautete sein damaliges Motto, im Gegensatz zum Stückeschreiben, das ihm leicht von der Hand ging – und bis heute geht. 2004 wollte Greogor Zimball ganz nach Brasilien auswandern, doch nach einem halben Jahr war das Geld alle. Und noch etwas machte sich dort bemerkbar, was später sein Leben komplett verändern sollte. Eine Sehstörung, deren Ursache aber zunächst nicht bestimmt werden konnte.
In „Meu Brazil“, bei dem er alles selber spielt und singt – Perkussion, eine Flöte und natürlich Gitarren – goss er die Sehnsucht nach diesem Land in Musik. Die Sehstörung stellte sich als erstes Symptom einer Multiplen Sklerose heraus, am Wohnort Berlin führte die Diagnose zu einer Zeit voller Kreativität und Unangestrengtheit auch bei den Jazz-Stücken, obwohl oder vielleicht gerade, weil die MS wie ein Damoklesschwert über ihm hing.
„Ich konnte meine Musik erst wertschätzen, als ich sie selber nicht mehr spielen konnte.“
Gregor Zimball
Von Berlin nach Freiburg
Nach 10 Jahren Berlin – „ein hartes Pflaster für Musiker“ – kam er 2011 nach Freiburg. Als Mitglied der Band Lateralmusic hatte er zwei Alben veröffentlicht und sich im Duo Zito oder mit eigenem Ensemble einen Namen als Gitarrist für brasilianische Musik erspielt, doch mit Partnerin und Sohn wechselte er in den Breisgau, wo schon der befreundete Schlagzeuger Beni Reimann wohnte.
Nach dem Scheitern seiner Beziehung stürzte sich der Wahl-Freiburger wieder in die Musik. Doch bevor sich so etwas wie Erfolg im Süden einstellen konnte, stieg er 2015 aus. Krankheitsbedingt.
„Lucia“ seiner Tochter gewidmet, ist in Freiburg eingespielt und mit dem Telefon im Probenraum aufgenommen. Es markiert den Schlusspunkt von fast vier Stunden spannender, schöner, exotischer und auch melancholischer Musik. „Die Krankheit machte mich nachgiebiger und öffnete mir die Augen. Ich konnte meine Musik erst wertschätzen, als ich sie selber nicht mehr spielen konnte.“ Sagt der Gitarrist heute. Doch es soll weitergehen. Gregor Zimball will irgendwann wieder auf einer Bühne stehen. Vielleicht kann er der Krankheit ein Schnippchen schlagen, aufgeben wird er nicht. Zu erzählen hat er eine Menge und nicht nur über Musik aus Brasilien.
1 Kommentar
Lieber Gregor,
welch wunderschöne Musik mit Gefühl und Ausdruck auf höchstem Niveau!
Ich wünsche dir gute Besserung und noch viele erfüllende Jahre!
Deine ehemalige Lehrerin und beste Freundin deiner Mutter Marianne,
Christiane Bednarek aus Hildesheim