Sie suchen nach illegalen Substanzen, Bargeld oder Schmuggelware. Acht Zollhunde sind am Grenzübergang Weil am Rhein stationiert. Um sie sinnvoll einzusetzen, müssen Mensch und Tier ein gezieltes Training durchlaufen. Wir haben Diensthundeführer und -trainer Klaus Behringer bei der Arbeit mit einer Junghündin in Ausbildung begleitet.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Alex Dietrich
Das fängt ja gut an. Klaus Behringer hält den Verkehr auf der A5 auf, damit das Netzwerk-Südbaden-Auto die Autobahn queren darf. Behringer ist Zollamtsinspektor. Dass die Pkws am Grenzübergang Weil am Rhein auf sein Kommando hören, gehört zum Job. Seit 45 Jahren ist er beim Zoll, seit 41 Jahren Diensthundeführer und heute zeigt er uns, wie der Alltag mit Vierbeinern aussieht.
Dafür hat Behringer Britta Kaufmann und Junghündin Kira dazu gebeten. Sie erwarten uns am Zollgebäude. Die Kollegin und die Hündin heißen in Wirklichkeit anders – aus Sicherheitsgründen haben wir ihre Namen geändert – nur Klaus Behringer, der nicht mehr aktiv im Kontrolldienst arbeitet, tritt unter echtem Namen auf. Behringer, 62 Jahre alt, ist ein leidenschaftlicher Erzähler. Ein Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung, mehr als die Hälfte seines Lebens hat er auf Hundeplätzen verbracht. Auf seinem rechten Unterarm prangt das Tattoo seiner Hündin Zamba, mit der er acht Jahre lang ein Team beim Zoll Lörrach bildete. Die Haut drumherum ist wie am anderen Arm auch fast vollständig vernarbt. Hunderte Bisse haben ihre Spuren hinterlassen. Berufsrisiko.
Wie das passieren kann, erleben wir live. Kira befindet sich noch in Ausbildung. Die Tauglichkeit wurde der neun Monate alten Schäferhündin bereits bescheinigt, jetzt geht das Training los. „Bei Diensthunden gibt es kein gut oder schlecht“, sagt Behringer. „Es gibt nur geeignet und ungeeignet“. Britta Kaufmann hält Kira an der Leine, Klaus Behringer steht rund zehn Meter entfernt. Er trägt Schutzjacke sowie Beißschutzmanschetten um die Arme und animiert die Hündin zum Bellen. Auf Kommando springt sie auf ihn zu und beißt in den Armschutz. Sobald sie die Manschette als Beute erobert hat, ist sie auf einen Schlag ruhig. „Bei der Schutzdienstausbildung lernen Hunde Verhaltensweisen, die für die Verteidigung und den Schutz des Hundeführers wichtig sind“, erklärt Behringer. „Dazu gehören das Stellen und Verbellen von Personen sowie die Abwehr eines Angriffs.“ Dabei hilft ihm als Trainer der angeborene Beutetrieb des Tieres.
Insgesamt gibt es acht Diensthunde beim Zoll in Lörrach, drei weitere sind in Karlsruhe stationiert. Alles Schäferhunde, fast ausschließlich deutsche. Mit ihnen arbeitet Behringer, der sich selbst Zollhundelehrwart nennt, obwohl es längst Trainer heißt, am liebsten. Beim Zoll sind alle Hunde kombiniert als Schutz- und Spürhunde ausgebildet. Sie finden Tabak, Rauschgift, Bargeld. Trotz der neuen Gesetzeslage sind die Tiere auch auf Cannabis geschult, denn grenzüberschreitend ist der Transport verboten. Es ist das am häufigsten festgestellte Mittel. „Jetzt startet die Festivalsaison, da finden wir dann oft Ecstasy“, erklärt Behringer.





Kira und die anderen Tiere werden von Behringer intensiv vorbereitet und durchlaufen monatelange Schulungen in der zuständigen Zollhundeschule im fränkischen Neuendettelsau. Danach geht das Training vor Ort weiter. Etwas mehr als ein Jahr dauert es, bis ein Hund als Diensthund ausgebildet ist. Die Hunde kommen vom Züchter und sind in der Regel „im Rohzustand“, erklärt Klaus Behringer. Das heißt, sie können noch gar nichts. Die Arbeit ist komplex. Erster Schritt: Das Tier und Hundeführer oder Hundeführerin müssen sich aneinander gewöhnen. „Das geht relativ schnell“, sagt Behringer. Bei Britta Kaufmann und Kira war es Liebe auf den ersten Blick. Die 29-Jährige ist Tierfreundin, hat privat außer einem Hund auch ein Pferd, und galt in der Dienststelle bereits als großes Talent, als sie sich als Hundeführerin bewarb. „Für mich fühlt es sich an, als hätte ich mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt sie.
Der Job ist beliebt, aber nicht jeder ist dafür geeignet, meint Kaufmann. Als Hundeführerin wird viel von ihr erwartet, nicht zuletzt, dass sie die Arbeit mit nach Hause nimmt. Die Hunde wohnen bei den Beamten, fahren teilweise sogar mit in den Urlaub. Auch Klaus Behringer hatte gleich ein gutes Gefühl bei Kira. „Das ist wichtig. Wenn der erste Eindruck schlecht ist, bestätigt sich das meiner Erfahrung nach später“, meint er. Die Tiere müssen einiges mitbringen. „Die Wesensmerkmale des Hundes sind entscheidend. Sie brauchen eine gesunde Schärfe, aber einen friedfertigen Charakter und müssen sich zum Beispiel gut durch eine Menschenmasse führen lassen“, erklärt der Profi.
Problematisch sind jene Hunde, die von sich aus völlig angstfrei sind. „Hunde ohne Angst sind ganz schwer zu führen. Sie nehmen die Umwelt mit ihren Gefahren gar nicht richtig wahr und sind für den Dienst eher ungeeignete Kandidaten“, sagt Behringer. Es gibt Hunde mit Nerven wie Stahlseile, die mucken nicht mal, wenn neben ihnen ein Auto explodiert, und Hunde, die schon aufschrecken, wenn ein Blatt vom Baum fällt. Diejenigen, die nichts aus der Ruhe bringt und die über wenig Spieltrieb verfügen, sind zum Beispiel als Blindenführhunde gut geeignet, aber nicht für den Einsatz als Diensthund. „Ein idealer Zollhund befindet sich etwa in der Mitte, mit der Tendenz zum schnelleren Reagieren und mit ausgeprägtem Spiel- und Beutetrieb“, sagt Behringer.
Pawlow und Lernen am Modell
Generell ordnen sich Hunde gut unter, der sogenannte Subordinationsbetrieb ist ein Wesensmerkmal vieler Tiere. Im Training lernen sie grundlegende Gehorsamkeitsübungen wie Sitz, Platz und Stehen. Ihre Ausführung wird in einer Leistungsüberprüfung getestet. Dafür musste Kira zum Beispiel mit angelegtem Beißkorb ruhig liegen bleiben, auch wenn sich Britta Kaufmann 30 Schritte von ihr entfernt. So verharrte sie, bis ein zweiter Hund seine Prüfung abgelegt hatte. Danach musste Kira mit Kaufmann bei Fuß laufen, ohne sich von irgendetwas ablenken zu lassen. „Auf diese Weise werden Gehorsam und Führigkeit überprüft“, erklärt Klaus Behringer. Wie gut ordnen sie sich unter, lassen sie sich gut führen, bleiben sie ruhig, auch wenn andere Hunde anwesend sind, hören sie auf die Kommandos? Es sind Übungen für Mensch und Tier: „So etwas zu trainieren geht nicht ohne gegenseitigen Respekt“, sagt Klaus Behringer. „Hundeausbildung ist immer ein Teamsport“.
Behringer lehrt mit positiver Verstärkung anhand verschiedener Lerngesetze. Dazu gehört die klassische Pawlow-Konditionierung, bei der man mit Reizverstärkern arbeitet. Damit Spürhunde lernen, welche Geruchsstoffe sie erkennen müssen, bekommt der Hundeführer ein großes Schraubglas, in dem ein kleineres Schraubglas steckt. Das kleinere Gefäß enthält den zu erkennenden Duftstoff, zum Beispiel Opium. Der Hundeführer lässt den Hund daran schnüffeln. Ist es das, was er riechen soll, betätigt er einen Klicker. Ist es etwas anderes, nicht. So begreift der Hund: Klick heißt ja. „Das ist das Erste, was er lernt“, sagt Klaus Behringer. Wenn etwas geklappt hat, gibt es entweder Futter oder, wie im Schutzhundetraining, die Beute.


Das zweite Lerngesetz: Lernen am Modell. „Wie im Kindergarten“, meint Behringer, der witzelt, seine beiden eigenen Kinder „wie einen Zollhund“ erzogen zu haben. Ein Beispiel: Hunde laufen ungern auf unsicheren, steilen Treppen oder Gitterstufen. Sie tun es aber, wenn sie ihrem Hundeführer folgen. „Man beginnt leicht, dann wird es schwerer, und der Hund kommt immer hinterher“, sagt Behringer. „Er läuft einfach mit und lernt beim Tun, also am Modell, dass er das kann.“ Dafür braucht es vor allem Vertrauen. Von Diensthunden wird viel erwartet, bei Militär, Polizei oder den Rettungsteams werden sie auch mal aus einem Helikopter abgeseilt oder springen mit ihrem Hundeführer aus Flugzeugen. „Ein Hund kann das alles bewältigen“, betont Klaus Behringer. „Was wir tun, hat nichts mit Dressur zu tun. Wir bilden die Veranlagungen des Hundes aus, wir verlangen aber nichts, was er niemals von selbst tun würde.“
Die Arbeit kann für die Tiere stressig sein, darauf muss die Ausbildung Rücksicht nehmen. Viele Pausen sind wichtig und kürzere Einheiten. „Die Pulsfrequenz eines Hundes steigt beim Suchen auf über 200, die Körpertemperatur auf 40 Grad“, sagt Behringer. Zur Einordung: Der Ruhepuls liegt wie beim Menschen zwischen 60 und 80, eine gesunde Körpertemperatur bei etwa 38 Grad.

Entscheidend ist, dass die Hunde, wenn sie etwas gefunden haben, punktgenau anzeigen, wo es ist. Sie müssen vor allem gelernt haben: Bellen gehört zum Schutzdienst, nicht zum Suchen. „Es bringt ja nichts, wenn wir mit dem Hund in den Kofferraum eines Reisebusses gehen und er bellt einfach nur. Dann wissen wir genauso viel wie vorher“, sagt Behringer. Stattdessen sollen sie passiv mit der Schnauze anzeigen und bleiben, bis der Hundeführer die entsprechende Stelle kontrolliert. Austricksen lassen sie sich nicht. Ein ausgebildeter Zollspürhund riecht die konditionierten Stoffe auch, wenn sie vermeintlich gut versteckt sind. Die aus Filmen bekannten Kaffeedosentricks und ähnliches bringen nichts. Zamba – der Hund auf seiner Unterarmtätowierung – hat mal 10 Gramm Heroin versteckt in einem Hundefutterbeutel gefunden, berichtet Klaus Behringer. Er hat es sofort gemerkt, weil sie nicht an das Futter wollte, und dennoch nicht davon abließ.