Das Aktionstheater Panoptikum aus Freiburg sorgt seit rund 35 Jahren als Theaterkollektiv international für einiges Aufsehen, die Auftritte finden auch auf öffentlichen Plätzen statt. Die nächsten Termine sind vom 3.-7. Mai auf dem Theaterfesstival in Deventer in den Niederlanden.
Von Stephan Elsemann
Theater, kleines Haus. Zu Gast ist das Aktionstheater Panoptikum mit einer neuen Produktion: „Hochwasserzukunft“. Es wurde unter der Regie von Sigrun Fritsch und der Libanesin Sabine Choucair zusammen mit 18 jungen Freiburgern und in Freiburg lebenden Flüchtlingen erarbeitet. Es ist Teil eines internationalen Projektes mit dem Namen „Power of Diversity“. Panoptikum, mit Sitz in Freiburg, ist weltweit bekannt für seine aufwendigen Kulturprojekte. Es sind Stadtrauminszenierungen mit Musik, mit Text, mit Feuerwerk und Artistik. Rund 35 Leute arbeiten ständig bei Panoptikum mit. Ende Juli wird das neue große Spektakel als internationale Koproduktion in Freiburg uraufgeführt.
Wie wurde Pan.Optikum, was es heute ist? Ein Blick in die Geschichte des Theaterkollektivs erzählt einiges darüber, wie sich mit Kultur nicht nur künstlerisch, sondern wirtschaftlich erfolgreich arbeiten lässt. Es ist auch die Geschichte eines Lernprozesses.
Musiker und bildende Künstler gründeten das Ensemble 1982 in Berlin, von denen heute keiner mehr dabei ist. Es waren goldene Zeiten für die Kultur Westberlins, denn viel Geld floß aus dem Bund für die Unterstützung der Inselstadt. Doch die Wende 1989 brachte ein jähes Ende. kein Geld mehr aus Bonn, keine Existenzgrundlage mehr. Die Gruppe ging auseinander. Zuvor hatte Sigrun Fritsch, die heutige künstlerische Leiterin, Panoptikum den Gründern abgekauft.
Einige Mitglieder siedelten sich in den Vogesen und Südbaden an und schlugen sich mit Kleinst-Projekten und anderen Jobs durch. Unterricht, Theaterworkshops, ab und zu eine Produktion. Pan.Optikum war in diesen Jahren nur noch ein loser Zusammenschluss. Doch es muss einiges vom Geist des Straßentheaters geblieben sein, denn 1998 raufte man sich wieder zusammen, um ein großes Stück zum Goethe-Jahr zu produzieren: „Prome-theus“. Das Stück wurde beim Sommertheater in Schloss Wolfsburg gezeigt und kam sehr gut an, doch klar war auch, dass sich der Erfolg nicht über das Goethe-Jahr hinaus bewegen würde. Prometheus hatte das Feuer in der Gruppe wieder geweckt, doch in diesen Jahren reifte die Erkenntnis, dass man schon bei der Konzeption neuer Stücke darauf achten muss, dass sie gut verkäuflich sind, an verschiedenen Orten spielbar und außerdem über einen längeren Zeitraum als nur eine Saison.
Das neue Stück „Il Corso“ war so eine Produktion, ein Aktionstheater mit Texten nach Pablo Neruda. 100.000 Mark investierte ein befreundeter Pyrotechniker in die Produktion. Auftritte 2001 zum Münstersommer in Freiburg und beim Kunstfest in Weimar versetzten das Publikum in Begeisterung, es wurde aber 2001 nur noch ein weiteres Mal gebucht – es war Zeit, beim Marketing etwas zu verändern. Das Booking lief bis dahin über eine Agentur, die wenig Verständnis für die Arbeit von Pan.Optikum hatte und deshalb die Produktionen auch nicht gut verkaufen konnte.
So stieg Matthias Rettner, von Beruf eigentlich Kammersänger, vollzeit bei Pan.Optikum ein, um das Marketing zu übernehmen. Und es sollte sich zeigen, dass es fürs Überleben künstlerischer Unternehmungen ganz wichtig ist, jemanden dabei zu haben, der sich für Marketing und wirtschaftliche Belange begeistern kann. Denn in den folgenden zwei Jahren wurde „Il Corso“ über 50 Mal gebucht, insgesamt bis 2011 mit über 150 Auftritten.
Dass es dazu kommen konnte, hing sowohl mit strategischen Enscheidungen zusammen, so wie auch Glück im Spiel war. Zunächst einmal entschied sich Pan.Optikum dafür, nur noch Großproduktionen zu machen. Denn in diesem Bereich gab es wenig Konkurrenz. Nur fünf Aktionstheaterensembles weltweit waren spezialisiert auf große Produktionen, sagt Rettner, die bekannteste darunter „La Fura dels Baus“ aus Katalonien. Noch wichtiger: Panoptikum war schon präpariert für das große Spektakel: mit seinem Team, mit Musikern, Schauspielern, Bühnentechnikern und Pyrotechnikern.
Mit der Entscheidung zur Größe gingen andere Entscheidungen einher, darunter auch juristische. Wie bei jedem Openair spielt das Wetter auch bei Theater unter freiem Himmel eine große Rolle. Die Launen des Wetters könne einer Vorstellung eine schnelles Ende bereiten. Dann muss klar sein, wer die Kosten für den Ausfall übernimmt. Immerhin kostet eine Aufführung eines Pan.optikum-Spektakels rund 35.000 Euro. Um finanziell kein Risiko einzugehen und Streitigkeiten mit Veranstaltern zu vermeiden, wer bei Ausfall einer Vorstellung die Kosten übernimmt, entschied sich Pan.Optikum dafür, alle Inszenierungen wetterfest zu machen. Der Satz „Pan.Optikum spielt bei Regen und Schnee“ ist seither fester Vertragsbestandteil und so liegt der schwarze Peter der Verantwortung, ob eine Vorstellung etwa bei Platzregen abgebrochen werden muss, stets beim Veranstalter.
Das Wetter, und zwar das schlechte, brachte Pan.Optikum dann das Glück des Tüchtigen. Bei einer völlig verregneten Vorstellung von „Il Corso“ saßen im Publikum einige Festivalmacher aus Holland, die registrierten wie wenig sich Pan.Optikum vom Wetter beeindrucken ließ. So begann die internationale Karriere von „Il Corso“, das 2005 dann auch zum 100. Geburtstag von Pablo Neruda nach Chile eingeladen wurde. Eins gab das andere. Mit der internationalen Anerkennung und während vieler erfolgreicher Produktionen in den folgenden Jahren, wurde eine Grundlage gelegt, Fördermittel nicht nur für einzelne Produktionen zu erreichen, sondern auch eine ständige institutionelle. Panoptikum als internationaler Werbeträger für ganz Baden-Württemberg – mit diesem Argument konnte Pan.Optikum eine Landesförderung erreichen, die aktuell bei jährlich 160.000 Euro liegt. Dazu kommen noch einmal 15300 Euro von der Stadt Freiburg.
Ende 2014 wurde das neue Projekt „Power of Diversity“ in Angriff genommen, als internationale Koproduktion. Um EU-Fördergelder dafür zu beantragen waren Partner aus EU-Ländern zu gewinnen. Zudem mussten Pan.Optikum und die internationalen Partner zuerst einmal Geld einbringen, denn die EU unterstützt nur Projekte, die schon eine Finanzierung haben, nach dem Subsidiaritätsprinzip. „Selbstverständlich war das nicht“, sagt Rettner. Nur 16 von 127 Anträgen wurden bewilligt. Die EU-Kulturförderung ist auf drei Jahre angelegt und es geht um sehr viel Geld dabei. Denn bei Bewilligung schießt die EU auf die Vorfinanzierte noch einmal dieselbe hinzu. Für „Power of Diversity“ investierte Panoptikum daher drei Mal 150.000 Euro von ihrer Jahresförderung, insgesamt 450.000 Euro und gewann zehn internationale Partner, die ihrerseits mit 590.000 Euro einsteigen. Mit den zusammen 1.040.000 Euro kann nach Bewilligung der Förderung von der EU noch einmal dieselbe Summe an Förderung hinzu, sodass „Power of Diversitiy“ insgesamt jetzt mit stolzen 2.080.000 Euro gefördert ist. Uraufführung ist am 28. Juli auf dem Stühlinger Kirchplatz in Freiburg.
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