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  • Inklusion 12/2021
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Hofgut Himmelreich: Investition in mehr Inklusion

  • 28. September 2021
Heike Kromer, Max Gräßlin und Thomas Puchan vom Hofgut Himmelreich
Heike Kromer, Max Gräßlin und Thomas Puchan vom Inklusionsbetrieb Hofgut Himmelreich. Foto: A. Dietrich
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Ein neues Tagungshotel soll die finanzielle Zukunft des Hofguts Himmelreich sichern. Der Inklusionsfachbetrieb aus dem Dreisamtal vereint seit 18 Jahren Gastronomie, Bildung und Beratung unter einem Dach. Er ist einer der ersten seiner Art in Deutschland. 

VON CHRISTINE WEIS

Das Hofgut Himmelreich liegt auf dem Streifen zwischen der B31 und der Höllentalbahn am Ende des Dreisamtals in Kirchzarten. Auto- und Zugverkehr fließen auch an diesem Montag Ende August rege, doch auf dem Anwesen sind die Parkplätze und Tische leer. Die Gaststätte ist außerplanmäßig zu Wochenbeginn geschlossen, und damit weist Thomas Puchan auf eines seiner drängenden Probleme hin: Personalmangel. Mitten in der Pandemie, im Januar, hat der Hotelökonom die Geschäfte des Integrationsunternehmens übernommen. Krisenstimmung will er allerdings nicht aufkommen lassen. Er hat sich vorgenommen, Himmelreich in eine wirtschaftlich stabile Zukunft zu führen. Gleichwohl er zunächst erstmal den Notstand verwalten muss. 

Zum Hofgut gehören ein Restaurant, ein Hotel mit zwölf teils barrierefreien Zimmern, der RegioMarkt mit DB-Reiseagentur im Bahnhof Himmelreich sowie eine Akademie. Die von Mathias Schulz geleitete Bildungseinrichtung gilt als zentrales Drehkreuz im Bereich Inklusion in der Region. Dort werden Menschen mit Beeinträchtigung für den Arbeitsmarkt im Hotel- und Gaststättengewerbe ausgebildet, Inklusionsvermittler für Kommunen qualifiziert und vielfältige Projekte mit unterschiedlichen Partnern initiiert. 

Zwölf Menschen mit kognitiven Einschränkungen sind auf dem Hofgut in der Küche, im Service sowie für Arbeiten im RegioMarkt beschäftigt. Hier klappt die Zusammenarbeit von behinderten und nichtbehinderten Kollegen seit Jahren. Die Lehrinhalte der Akademie werden gegenüber in der eigenen Gaststätte praktisch umgesetzt. Das ist die Besonderheit der Institution, die sich landesweit seit Gründung im Jahr 2003 einen Namen gemacht hat, und auch Thomas Puchan vom Esslinger Öko-Hotel Ecoinn, das er einst zum ökologischsten Hotel Europas machte, ins Dreisamtal führte.

„Himmelreich ist ein einzigartiger Inklusions-Leuchtturm, von denen es noch viel zu wenige gibt“, sagt Puchan. „Ich wünsche mir, dass es nichts mehr Besonderes ist, wenn Menschen mit Handicap in Betrieben arbeiten, sondern Normalität – so wie im Himmelreich.“ 

Thomas Puchan
Thomas Puchan Geschäftsführer Hofgut Himmelreich
Thomas Puchan leitet seit Anfang 2021 die Geschäfte des Hofguts Himmelreich. ER will Soziales, Ökonomie und Ökologie verbinden. Foto: A. Dietrich

Für diese Überzeugung will er künftig auch mit Veranstaltungen und Medienarbeit trommeln. Bei dem neuen Format „Himmlisches Dinner“ sind Prominente geladen, die sich politisch und gesellschaftlich für das Thema Teilhabe stark machen. Zu den ersten, bereits ausgebuchten Terminen im Oktober kommen der SC-Freiburg-Trainer Christian Streich und die ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Landeskirche Deutschlands Margot Käßmann. Im November folgen der Grünen-Politiker Boris Palmer und im Januar der älteste Sohn von Willy Brandt, der Historiker Peter Brandt. Für nächstes Frühjahr hat sich ein Filmteam für eine Dokumentation über Menschen mit Down-Syndrom angekündigt. 

Inklusion ist Bestandteil nachhaltigen Wirtschaftens 

Puchan ist ein Verfechter des Dreisäulen-Modells der Nachhaltigkeit – sowohl auf politischer wie auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Demnach sind Soziales, Ökologie, Ökonomie gleichrangig. Den Bereich Ökologie verstärken sie aktuell. Im Oktober wird das Restaurant ökozertifiziert und darf damit das Bio-Siegel verwenden. Dafür werden Lebensmittel aus biologischem, überwiegend regionalem Anbau und Fleisch aus Tierwohl-Produktion verwendet. Der Wein kommt ausschließlich von biologisch wirtschaftenden Weingütern, beispielsweise vom Bio-Winzer Markus Bürgin aus Fischingen oder vom Demeter-Weingut Pix aus Ihringen. Das Bio-Bier liefert die Familien-Brauerei Rogg aus Lenzkirch. 

Soziales und Ökologie müssen finanzierbar sein, davon ist der Hotelökonom fest überzeugt. Man dürfe sich kein falsches Bild machen. Sie erhielten für das soziale Engagement zwar Fördergelder, diese ermöglichten lediglich, dass man gegenüber den Mitbewerbern überhaupt konkurrenzfähig sei. Die Pandemie hat auch im Himmelreich ihre Spuren hinterlassen und die Kassen belastet. Im Moment kämpfe er zudem mit einer Brandschutzsanierung des denkmalgeschützten Gebäudes in Höhe von einer halben Million Euro.  

Dennoch sieht er die wirtschaftliche Zukunft mit dem neuen inklusiven Tagungszentrum als gesichert. Geplanter Baubeginn ist nächstes Jahr; eröffnen will man 2024. Architektenwettbewerb, erste Gutachten und Genehmigungen sind abgeschlossen. Für die Finanzierung der Baukosten von über zehn Millionen Euro finden derzeit konkrete Verhandlungen mit Banken statt.  

Neben Seminarräumen, die auch für die Akademie genutzt werden, wird der Neubau auf dem eigenen Gelände ein Hotel mit 60 Betten beherbergen – und vielen Menschen mit Beeinträchtigungen Arbeitsplätze bieten. Der Bedarf ist an barrierefreien und behindertenfreundlichen Hotels sei groß. „Wir werden häufig von Gruppen angefragt, die inklusiv reisen wollen. Den Mangel an behindertengerechten touristischen Angeboten bestätigt uns auch die Schwarzwald Tourismus GmbH“, sagt der 60-Jährige. 

Inklusion und Fachkräftemangel 

Der Fachkräftemangel im Gastronomiebereich hat sich durch die Coronakrise nochmals verschärft. Gerade in diesem Bereich sieht Puchan großes Potenzial für die Integration von Menschen mit Behinderung ins Arbeitsleben. Voraussetzung sei eine gute Ausbildung und die Bereitschaft von Arbeitgebern sich auf die individuellen Qualifikationen der Menschen einzulassen. „Bei uns arbeiten beispielsweise mit Heike Kromer und Max Gräßlin zwei langjährige Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen im Service-Bereich, für sie und ihre Service-Kollegen ist der Kontakt zu den Gästen wichtig. Andere Kollegen mit Beeinträchtigungen arbeiten wiederum lieber in der Küche bei Dessert- und Salatzubereitung oder im Spüldienst,“ erläutert Puchan.  

Vor kurzem hat er einen Leiter für den RegioMarkt im Bahnhof eingestellt. Der erfahrene Einzelhändler fängt im September an und freue sich auf den neuen Job und die Zusammenarbeit mit behinderten Menschen. „Wir bieten nicht nur Geld, sondern auch Sinnhaftigkeit“, sagt Puchan. Das klingt nach einem perfekten Motto fürs Recruiting in Zeiten des Fachkräftemangels – egal, ob für Arbeitnehmer mit oder ohne Beeinträchtigung. Wenn sich davon viele überzeugen lassen, dann werden demnächst in Himmelreich weder Parkplatz, Gasthof noch der Bahnhofsmarkt wegen Personalmangel leer bleiben. 

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