Unter dem Label Jazzhaus firmieren in Freiburg unterschiedliche Dienstleister in Sachen Musik. Die kleine Plattenfirma Jazzhaus Records hat sich in gut 20 Jahren erfolgreich auf einem umkämpften Markt etabliert. Das Programm ist genauso vielfältig wie im gleichnamigen Keller.
VON JOACHIM SCHNEIDER
Zwischen einem Schulgebäude und einer kleinen Ladenzeile geht es einen asphaltierten Weg nach hinten. Hier sieht die Wiehre geradezu geschäftig aus, weniger großbürgerlich. In der Glümerstraße, mit der Hausnummer 2b steht ein langgestrecktes älteres Gebäude mit haufenweise Klingeln: Kleingewerbe, Selbstständige, Künstler steht da – und auch Jazzhaus. Damit ist nicht nur der Veranstaltungssaal gemeint. Auf einer Etage befinden sich eine Konzertagentur, das Management des Kellers in der Schnewlinstraße, ein Musikverlag und die kleine Plattenfirma: Jazzhaus Records. Diese hält sich erstaunlicherweise schon bald 20 Jahre in einem überaus schwierigen Geschäft, das durch die Streamingdienste ein weiteres Mal in eine Existenzkrise rutschte, nachdem das goldene und silberne Zeitalter längst zu Ende gegangen waren. Der Stellenwert von Musik und Tonträgern hat sich radikal verändert.
„Am Anfang hatten wir uns überlegt, ob wir wirklich so heißen wollen“, sagt Michael Musiol, Chef des ganzen Unternehmens. „Aber das Jazzhaus als Veranstaltungsort stand und steht ja auch heute noch für ein vielfältiges Allerlei. Wir sind halt musikalisch an vielen Themen interessiert.“ In der Tat, anders als bei vielen kleinen unabhängigen Labels, die mit einem bestimmten Sound auch ein Image transportierten, regiert bei Jazzhaus Records die Beliebigkeit, was nun nichts Schlechtes heißen muss: Singer-Songwriter aus Deutschland und Italien, Klassischer Rock aus der Schweiz, Blues aus England und Australien, Jazz und Pop aus dem Norden, Hip-Hop von Zweierpasch aus der Region, internationales Entertainment von Ute Lemper neben den heimischen funky Grooves von Fat Cat, Provinz und Metropole: New York und Stühlinger, Sizilien und Südbaden. Ganz schön Multi-Kulti – wie geht das?
„Viele Künstler kommen auf uns zu“, sagt Label-Manager Thorsten Ilg, „und dann wird aus verschiedenen Gesichtspunkten ausgesucht.“ Einer ist zum Beispiel, dass Jazzhaus Records unbekannte regionale Bands fördern will. Otto Normal gehörten damals dazu, Die Leute, SchulzeMeierLehmann, Refridgerators. Ein anderer Aspekt ist natürlich, dass sich das Label finanzieren muss, auch wenn es, wie Musiol sagt, „aus kommerzieller Sicht nicht ganz weit vorne ist“. Die Labelarbeit erfordere viel Engagement und „im Endeffekt ist es nur sinnvoll, wenn das Gesamtpaket stimmt“.
Wie zum Beispiel bei Pippo Pollina: Der Wahlschweizer stammt ursprünglich aus Sizilien wie seine Labelkollegin Etta Scollo und zählt zu den letzten großen Cantatori jenseits der Alpen. Pollina, der am 18. Mai seinen 60. Geburtstag feiert, weiß eine große Fanschar hinter sich, seine Alben verkaufen sich um die 20.000 Mal, die Vinyl-Ausgabe immerhin 1000 Stück. Hier kam der Kontakt zustande, als die Bookingagentur Jazzhaus-Artists mal eine Deutschlandtournee organisierte. Das war vor mehr als zehn Jahren. Zwischendurch hatte Pollina mal die Agentur gewechselt, doch nun sei alles wieder in einer Hand. Pippo ist der „größte Seller, er spielt gut 120 Shows im Jahr, es gibt Reisebusse, die zur Arena in Verona fahren oder ins Teatro Massimo in Palermo. „Wir hatten kurz überlegt ein Reisebüro aufzumachen“, sagt Thorsten Ilg grinsend, der übrigens bei Nummer 12 im Jahr 2007 zu Jazzhaus Records kam.
Apropos Reise. Ein anderer Kontakt ergab sich im finnischen Tampere, wo 2019 die World Music Expo, stattfand, eine große Wandermesse für Musik. Dort lernte Musiol die Agentur von Ute Lemper kennen, und so kam es, dass der Musical- und Gesangsstar bei Jazzhaus Records veröffentlicht. Nicht ganz: Es gab noch einen Zwischenstopp in Münster: Dort traf Musiol die Künstlerin, die seit den 1990er-Jahren in New Yorks Upper West Side lebt, um das Ganze in trockene Tücher zu bringen. Dabei war das Album „Tribute to Marlene“ vor drei Jahren nur der Vorgeschmack. Im Mai erscheint „Time Traveler“ mit Eigenkompositionen über die unterschiedlichen Lebensabschnitte des Weltstars. Unter gleichem Titel – zu Deutsch: „Die Zeitreisende“ – erscheint die Autobiografie von Ute Lemper, die dieses Jahr 60 wird. Ein Dokumentarfilm über ihr Leben ist ebenso entstanden. „Time Traveler“ dürfte aus Labelsicht ein Selbstläufer werden.
„Wir haben zu allen Musikerinnen eine enge Beziehung“, sagt Musiol. Und Illg ergänzt: „Wenn jemand anruft, erreicht der- oder diejenige die gewünschte Person persönlich“. Wenn man so will, gibt es auch eine persönliche Beziehung zur Kundschaft. Die will noch etwas in den Händen halten, sei es Vinyl oder eine schön gemachte CD. Das gilt auf jeden Fall für die Fans der Schweizer Rockband Ellis Mano Band, alte Haudegen der Schweizer Musikszene. Mittlerweile hat die Truppe um den Sänger Chris Ellis (eigentlich Christian Ertl) und den Gitarristen Edis Mano ihr drittes Album auf Jazzhaus Records veröffentlicht und erreichte wieder den zweiten Platz der eidgenössischen Albumcharts – dafür reichen ungefähr 5000 Stück. Und auch die Vinylfans wurden bedient. Da stellt sich irgendwann die Frage, ob nachgepresst werden soll, ob sich nochmal 500 Stück verkaufen. Drunter fängt kein Presswerk an. Die guten alten Schallplatten sind sehr teuer in der Herstellung – von der bedruckten großen Papierhülle über die Matrix bis zum Rohstoff Vinyl gut 10 Euro pro Stück. Da können einige unverkaufte Exemplare schon weh tun.
„Der Vinylmarkt ist immer noch im Wachstum, doch die Majors versuchen die Schlüsselpositionen zu übernehmen.“
Thorsten Ilg, Jazzhaus-Records
Überhaupt Vinyl. Der Markt ist da – ob immer noch oder wieder ist Ansichtssache. In den USA haben die Vinylverkäufe die der CD vergangenes Jahr überholt. Dass hier Geld verdient werden kann, ist unbestritten: „Der Vinylmarkt ist immer noch im Wachstum“, sagt Ilg, „doch die Majors versuchen die Schlüsselpositionen zu übernehmen.“ Im Klartext: Die großen Plattenfirmen wollen die wenigen unabhängigen Presswerke, die es noch gibt, aufkaufen. Auf jeden Fall wird es für die Kleinen schwieriger an die Ressourcen zu kommen. „Der Markt ist umkämpft und eine leichte Phase hatten wir nie“, sagt Musiol, während die Konzerne Stars wie Michael Jackson nachtrauern und den goldenen Zeiten der CD.
So entwickelte sich im Laufe der Jahre bei Jazzhaus Records eine große Flexibilität, was die Arbeit mit den Künstlern angeht. Ein eigener Grafiker ist zur Stelle, wenn gebraucht, im Prinzip sind alle Medien im Portfolio. „Je nachdem wie strukturiert die Band ist, können wir Freiheiten einräumen, Empfehlungen aussprechen oder unter die Arme greifen“, sagt Thorsten Illg. Und: „Die Zeiten, in denen die Nirwana-Platte vom Taschengeld abgespart wurde, sind vorbei. Heute ist alles irgendwo verfügbar, nun geht es darum Aufmerksamkeit zu erzeugen, in den sozialen Kanälen präsent zu sein, auf die Playlists bei den Streamingportalen zu kommen“. Eine Mitarbeiterin kümmert sich hauptsächlich um die sozialen Medien.
Und wie lange kann es noch weitergehen? „Wir sind ein starkes Team“, sagt der 59-jährige Michael Musiol, „und verantwortungsbewusst. Es geht darum alles zu erhalten, auch den Keller, dafür ist alles vorbereitet.“