Kurz vor Jahreswechsel hat unser Redaktionsleiter Rudi Raschke mit dem Hekatron-Geschäftsführer Peter Ohmberger über das Jahr 2016, den Fachkräftemangel und den Standort Südbaden gesprochen.
netzwerk südbaden: Zuallererst: Wie war Ihr Jahr?
Peter Ohmberger: Gut. Sehr gut. Das hat verschiedene Gründe: Deutschland ist im Moment eine Enklave, was das Thema Wirtschaft angeht: Der Konsum läuft, es wird gebaut, der Ölpreis und die Zinsen sind niedrig. Investoren kommen nach Deutschland, weil sie gelernt haben, dass nicht nur die höchste Rendite wichtig ist, sondern eine sichere. Dass es deshalb im Baubereich gut läuft, ist entscheidend für uns. Das zweite ist die Gesetzgebung für private Haushalte: 2014 war Baden-Württemberg dran, 2015 NRW, 2017 kommt Bayern. Für uns ist es hervorragend, dass Baurecht Ländersache ist. Wir hätten es nicht geschafft, wenn alles auf einen Stichtag hin Pflicht geworden wäre.
netzwerk südbaden: Sie haben in der Vergangenheit Rekordjahre hinter sich. Wie ist es dieses Jahr?
Peter Ohmberger: Wir wachsen um zehn Prozent pro Jahr. Wir sind in die Schweizer Securitas-Gruppe eingebunden, für die wir in Deutschland den Partnervertrieb machen. Die Besonderheit der Gruppe ist, dass jede Firma, die ihr angehört, ihre eigene Identität behält. Das ist anders, als wenn Siemens ein Unternehmen kauft.
Wir verzichten damit auf etwas Effizienz, aber es ist uns mehr wert, dass die Marke Hekatron eingeführt ist. Und wir sind mit der Forschung dezentral aufgestellt in Kompetenzzentren. In Sulzburg sind bei uns für die Brandmelder-Sensorik 80 Ingenieure in der Entwicklung, in Österreich machen sie die Brandmelder-Zentralen. Ende 2016 sind wir insgesamt 800 Menschen am Standort hier, wir werden dieses Jahr etwa 160 Millionen Euro machen. Als ich 2002 angefangen habe, haben wir 25 Millionen gemacht. Damals hätte ich nie gedacht, dass es so kommen wird, da wir auch schwierige Zeiten hatten…
netzwerk südbaden: … Sie haben nicht mit dieser Erfolgsgeschichte rechnen können?
Peter Ohmberger: Ich bin mehr als 30 Jahre bei Hekatron, hatte aber zwischendurch die Firma verlassen, 1999 war das, da bin ich im Unfrieden gegangen. Damals habe ich ein eigenes Unternehmen aufgemacht, aber dann kam wieder der Anruf von Hekatron. Der Vertrieb und die Entwicklung haben mich wieder gereizt. Die ersten Jahre gab es keine großen Strategien für uns, kein überdurchschnittliches Wachstum. 2005 kam dann ein technologisch großer Schritt, dann ging es auch strategisch voran und wir konnten auch Märkte gestalten.
netzwerk südbaden: Wie kam es dazu?
Peter Ohmberger: Ich spreche auch gern noch über meine Schwächen, aber zu den Stärken zählt sicher, dass ich mich in meinem Bereich sehr gut auskenne und mich auch das Vordenken sehr beschäftigt. Ich war kürzlich in den USA, wo ich mir Start-Ups angeschaut habe. 25 Unternehmen in einer Woche, von der kleinen Technologieschmiede bis zu Google. Nächstes Jahr werde ich das in Asien machen, in China, Vietnam und Kambodscha. Ich mache mir sehr viel Gedanken, wie sich das Gebäude der Zukunft entwickeln wird.
netzwerk südbaden: Und was sind Ihre Erkenntnisse zu Themen wie dem „Smart Home“ oder dem „Internet of things“?
Ich sage das auf jeder Betriebsversammlung: Uns wird es in dieser Form in zehn Jahren so nicht mehr geben. Diese Firma wird sich radikal verändern. Es gibt einen Preisverfall bei Hardware, der es uns als reinen Produktverkäufer schwer macht, Ingenieure an Sensoren arbeiten zu lassen. Auf der anderen Seite müssen wir aus unserem Produkt eine Dienstleistung machen, bei dem der reine Verkauf eines Gegenstands nicht mehr das Zentrum der Wertschöpfung sein wird.
Wir haben uns Gedanken gemacht, wie eine Brandmeldeanlage ins Gebäude kommt, vom Bauantrag am Anfang bis zur Ausführung und Instandhaltung am Ende. Welche Prozesse und welche Akteure dabei eine Rolle spielen. Auf der zeitlichen Achse ist für uns nur ein kleiner Abschnitt vorgesehen. Das ist unser Geschäftsmodell, der Verkauf des Produkts. Das wird sich morgen nicht mehr tragen. Deshalb müssen wir uns Gedanken machen, auf welchem Feld das Spiel gestaltet wird. Es gibt jede Menge Dinge, die wir mit unserer Kompetenz anbieten können. Und wir müssen ein Verständnis dafür entwickeln, warum Investoren, Versicherungen, Banken und andere Akteure ein Interesse an sicherem Brandschutz haben. Deshalb wollen wir bereits früher beratend aktiv werden. Große internationale Unternehmen in unserem Bereich machen das bereits.
netzwerk südbaden: Dass heißt, Sie planen Kooperationen und Allianzen?
Peter Ohmberger: Ja, wir denken, dass es einen Mehrwert geben kann, beispielsweise für Energiedienstleister, wenn sie unser Thema mit anbieten können. Das wird nicht Siemens, RWE oder die Telekom sein, bei denen wir allenfalls Junior Partner wären. Sondern Partner in unserer Größenordnung, die ebenfalls einen Mehrwert davon hätten. Bisher war Kooperation keine Stärke unseres Hauses, allein wegen unserer Branche, die eher abgeschottet arbeitet.
netzwerk südbaden: Wie fällt die Reaktion Ihrer Mitarbeiter auf solche Zehn-Jahres-Szenarien aus?
Peter Ohmberger: Genau aus diesem Grund spreche ich es immer wieder an: Natürlich sind die Kollegen aus der Technik zuerst im Stuhl versunken. Aber deshalb verdeutlichen wir das Thema bei jeder Mitarbeiterinformation und jeder Betriebsversammlung. Wir wollen, dass die Leute hier am Standort langfristig Arbeit haben, aber es wird eine andere sein. Wir haben bereits jetzt eine starke Automatisierung mit Robotern in der Fertigung. Wir haben noch nicht eine Stelle abgebaut, aber im Verhältnis werden wir weniger Menschen in der Produktion brauchen. Das gehört zu unserem kulturellen Ansatz, dass wir uns so früh wie möglich damit auseinander setzen und nicht erst, wenn die Hütte brennt. Auch damit wir wissen, wer bereit ist, sich auf die Veränderung einzustellen.
netzwerk südbaden: Wie sehr spielt bei dieser kulturellen Frage eine Rolle, dass sie im Bereich Recruiting und Mitarbeiterzufriedenheit ein regelmäßig ausgezeichneter Betrieb sind?
Peter Ohmberger: Es ist immer wichtig, dass wir eine Basis geschaffen haben, damit die Leute gern zur Arbeit kommen. Natürlich ist Leistung die Grundvoraussetzung, dass wir erfolgreich sind. Aber der andere Teil ist genau so wichtig: dass wir weiterempfohlen werden von denen, die zufrieden sind. Deshalb machen wir bewusst bei „Great Place of work“ mit, wo die Mitarbeiter befragt werden. Es ist unsere Chance als Mittelständler, dass wir es gut machen gegenüber Firmen, wo 300.000 Mitarbeiter geführt werden müssen – was ich mir gar nicht vorstellen kann, wie das geht. Wir sind eigenfinanziert und damit bankenunabhängig bei Investitionen. Aber messen müssen wir uns auch mit Start-ups, die extrem schnell sind bei dem, was sie machen.
netzwerk südbaden: Auch in ihrem Markt?
Peter Ohmberger: Auch in unserer Branche gibt es Unternehmen, die uns immer näher rücken. Die voll nach dem Handwerk greifen, mit digitalen Plattformen. Und die bereits einen Unternehmenswert von 1,2 Milliarden haben, obwohl es sie erst seit 2012 gibt. Plattformen heißt eben auch, dass wir unsere Leistung fast nach dem Uber-Prinzip wie beim Taxi anbieten müssten.
netzwerk südbaden: Woran denken Sie in diesem Zusammenhang beim Begriff „Industrie 4.0“?
Peter Ohmberger: Industrie 4.0 heißt für mich, dass wir nicht nur an die Produktionen denken, sondern vom Kunden her kommen. Für uns als Deutsche ist das nicht einfach, wir kommen eher vom push-Thema, dem Ingenieurs-Gedanken. Bisher hat der große Teil der Deutschen von uns entwickelte Produkte aufgrund der Gesetzesänderungen gekauft. Sie mussten es nehmen. Das muss sich ändern: Wie müsste das aussehen, damit sie als Kunde sagen: das will ich haben. Dieses Umdrehen, vom Marktplatz her gedacht, dafür brauchen Sie Menschen, die den Mehrwert erkennen. Und dafür brauchen wir Menschen, die das verbreiten und uns empfehlen.
netzwerk südbaden: Was sind aktuell ihre Märkte im Verhältnis von Endkunden zu Großhandel oder Handwerk?
Peter Ohmberger: Grundsätzlich liegen wir bei rund 50:50, was Business-to-Business (B2B) und Business-to-Consumer (B2C) angeht. Und wir bieten uns heute schon auf online-Plattformen an, aber nicht in Baumärkten. Das würde andere Geschäftsmodelle kannibalisieren und wird auch unserem Preis nicht gerecht. Wir wollen den Fachhandel stärken. Einen Shop in der Freiburger Kaiser-Joseph-Straße wird es eher nicht geben (lacht). Ich sehe aber auch, dass die Dinge sich fast Richtung C2B entwickeln, wenn man sieht, wie heute Produkte im Zeitalter der Sozialen Medien entstehen. Der Kunde entwickelt bei manchen Start-ups etwas mit, was erst zu 50 Prozent fertig ist und gibt Rückmeldung, damit es weitergeht.
netzwerk südbaden: Das ist bei Brandschutz vermutlich ungleich schwieriger.
Peter Ohmberger: Wir müssten sicher 70 Prozent bringen, dazu mit 100 Prozent Sicherheit. Wir kommen aber aus dem Ingenieursdenken: Ein Produkt wird erst verkauft, wenn es die Bedürfnisse des Kunden vollkommen erfüllt. Darum brauchen wir fünf Jahre, bis eines auf den Markt kommt. Heute ist alles dagegen rasanter, das Geschäft braucht schnellere Umsetzungen.
Trotz allem noch etwas Mutmachendes: Der Markt in Deutschland im Bereich Brandmeldetechnik wird aktuell auf 1,6 Milliarden Euro taxiert. Man geht davon aus, dass der Ausstattungsgrad gegenwärtig bei 50 Prozent liegt, das Grundpotenzial liegt also bei 3,2 Milliarden. Darin liegt die Chance: dass wir im Kernbereich ein Geschäft generieren können, zum Beispiel im Bereich Klima und Lüftung. Wenn wir die richtigen Produkte haben – und digitale Steuerungen nutzen. Wir sind mittendrin in diesem Prozess. In zehn Jahren werden wir die Schnittstelle zum User anbieten, die Hardware spielt dabei keine große Rolle mehr.
netzwerk südbaden: Eine Frage zum Standort: Welche Vorteile bietet Ihnen Südbaden bei solchen Transformations-Prozessen?
Peter Ohmberger: Die größte Stärke ist für mich immer auch die größte Schwäche: Kontinuität, Verlässlichkeit, Bodenständigkeit, solche Werte eben. Auf der anderen Seite fehlt dann manchmal die Dynamik und Veränderungsbereitschaft. Die Verbundenheit hier sorgt aber schon dafür, dass die Menschen im Umkreis ein echtes persönliches Interesse haben, dass die Firma morgen noch existiert. Das mag in Frankfurt oder Stuttgart ein wenig anders aussehen, da geht man von Daimler halt zu Porsche. Da ist die Identifikation nicht so groß wie bei uns. Und das macht den Standort aus. 65 Prozent unserer Mitarbeiter stammen aus einem Umkreis von 30 Kilometern.
Allgemein gibt es hier extrem kompetente Unternehmen, aber ob sie als Mittelständler wahrnehmbar sind, weiß ich nicht. Wir müssen uns besser darstellen, da gibt es extremen Nachholbedarf: Wer sind die Gesichter, wer repräsentiert das Unternehmen und geht auf die Bühne – ohne dass er zum Dampfplauderer wird?
netzwerk südbaden: Wie finden Sie Fachkräfte?
Peter Ohmberger: Es gibt manche speziellen Fachkräfte sicher nicht im Raum Freiburg. Für manche müssen wir außerhalb Modelle finden, dass sie sich auch an einem anderen Ort als Teil von Hekatron fühlen können. Wir haben uns in den vergangenen Jahren auch ein gutes Image erarbeitet. Deshalb schauen Menschen danach, ob wir jemanden suchen, zum Beispiel wenn sie nach Jahrzehnten in der ganzen Welt jetzt mit ihren Kindern wieder hierher zurück kehren wollen. Und wir bilden selbst intensiv aus, zum Beispiel Schulungsreferenten.
netzwerk südbaden: Wie verhält es sich mit den Erweiterungsmöglichkeiten hier am Standort?
Peter Ohmberger: Wir bekennen uns zu Sulzburg und haben geschaut, dass wir weitere Grundstücke erwerben können. Der Gemeinderat hat Ende November unserem Gesamtbebauungsplan zugestimmt und wir gehen jetzt an die nächsten Schritte. Natürlich gibt es auch hier Protagonisten, die es uns schwer gemacht haben. Aber wir haben hier am Standort in den vergangenen 50 Jahren eine positive Geschichte geschrieben. Und wir haben akzeptiert, dass sich die Zeiten ändern. Das Gutsherrenmodell – es ist mein Kapital, ich bestimme, was damit geschieht – ist heute so nicht mehr möglich. Die Entwicklung der Demokratie geht in Richtung Mitbestimmung und das dürfen wir nicht verteufeln oder bekämpfen. Natürlich gibt es Ängste, dass wir von zwei Gebäuden auf 15 gewachsen sind und das noch weiter geht. Zum Beispiel, weil man hier am Luftkurort vom Castellberg keine Blechlawinen auf unserem Gelände sehen will, sondern Parkhäuser. Aber dafür lohnt sich die Diskussion auch.
netzwerk südbaden: Wie sehr spielt die Grenznähe für Sie eine Rolle?
Peter Ohmberger: Viele Fachkräfte fragen sich heute, ob sie weiterhin jeden Tag über den Zoll fahren und eineinhalb Stunden im Auto verbringen wollen. Auch wir zahlen unsere 800 Mitarbeiter ordentlich und die Leute genießen es, wenn sie wieder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können. t
"Leistung ist die Grundvoraussetzung" – ein Gespräch mit Hekatron-Chef Peter Ohmberger
