Ina Wihler aus Ihringen folgt biodynamischen Grundsätzen im Weinbau. Dazu gehören Pflanzenreichtum, ein lebendiger Boden und natürliche Nützlinge wie Tee und Schafe.
VON CHRISTINE WEIS
Beim Gang durch Ina Wihlers Parzellen wird der Unterschied zu den konventionell bearbeiteten Flächen schnell deutlich. In ihren Rebzeilen wächst dichter Klee, hohe Gräser und allerlei Kräuter. Sie weiß, dass einige Winzer ihre Reben deswegen kritisch beäugen, weil sie der Meinung sind, dass Reben „nur ordentlich geschafft sind, wenn kein Halm unter der Traubenzone wächst“. Entlang des Lösshangs stehen Frauenmantel, Feigen, Salbei, Verbene und es gibt Nisthöhlen. Ein Stück weiter erstrecken sich Kartoffelacker und Streuobstwiese – aus den Äpfeln hat die Winzerin gerade Cidre gekeltert. Sobald sie genügend alte Birnbäume habe, will sie auch Poiré, einen Birnenwein, ausbauen.
„Im Weinberg soll Vielfalt herrschen“, sagt die 31-Jährige, während sie fast liebevoll auf den efeuumrankten alten Kirschbaum zeigt. Zur Vielfalt gehören auch die bretonischen Zwergschafe. Die zahme Herde frisst überflüssige Triebe am Rebstock ab; Klauen und Mist liefern natürlichen Dünger für den Boden. Zudem sorgen für sie Biodiversität, indem sie mit ihrer Wolle Samen verteilen. Die Wolle als Pellets verarbeitet, wird ebenfalls als Kompost verwendet.
„Weinausbau ist in erster Linie Handarbeit im Weinberg, sie ist die Voraussetzung für einen guten, lebendigen Wein. Im Keller will ich so wenig wie möglich in den Prozess eingreifen – sondern den Wein begleiten“, erklärt die Winzerin. Besonders wichtig sei ein nährstoff- und bakterienreicher Boden, der neben der Begrünung mit Pfahlwurzlern und Leguminosen auch mit Trester angereichert wird.
„Der Organismus des Bodens ist der größte Schatz, den es gibt.“
Ina Wihler
Gegen Pilzbefall und Schädlinge hilft Hornkiesel oder Tee aus Schachtelhalm, Brennnessel, Schafgabe und Ringelblume. Auf diese Weise werde die Rebe gestärkt, damit sie aus sich heraus resistent wird. Kupfer spitzt sie in minimaler Dosis und nur dann, wenn es notwendig sei. Herbizide sind tabu. Noch sammele sie Erfahrungen und probiere aus, etwa die Pflanzenstärkung mit Molke. In zwei Anlagen testet sie pilzresistente Sorten (PIWIs) und langfristig möchte sie auch Gemüse nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft anbauen.
Ökowein ist Trend
Laut Deutschem Weininstitut haben sich die Anbauflächen in den letzten zehn Jahren verdreifacht. In Baden-Württemberg werden aktuell fünf Prozent der Gesamtrebfläche ökologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend. Wihler betont, dass es Bio-Betriebe in der Region gibt, die bereits viel Vorarbeit in dem Bereich geleistet hätten, sie nennt das Weingut Zähringer in Heitersheim, Scherer & Zimmer in Bad Krozingen oder den Winzerhof Linder in Endingen.
Auf Wihlers rund vier Hektar wachsen Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Muskateller, Weißburgunder und Spätburgunder. Müller-Thurgau verwendet sie für den naturtrüben Perlwein Pétillant Naturel, der auf der Flasche gärt. Grauburgunder ist für sie die wichtigste Sorte, die den Kaiserstuhl auszeichne, deshalb nennt Wihler ihn „Fontis“, lateinisch für Ursprung. So will sie auch ihr Weingut bald nennen, der Name spiegle die ursprüngliche Anbauweise und Aromen. Alle Weine sind ungefiltert, kommen ohne Zusätze und mit wenig Schwefel aus. Wihler ist überzeugt, dass „man so den lebendigen Charakter der Traube und des Bodens im Wein schmeckt“. Nicht die Winzer seien die Weinmacher, sondern die natürlichen Hefen, Bodenpilze und Bakterien.
“Nicht die Winzer machen den Wein, sondern die natürlichen Hefen, Bodenpilze und Bakterien.”
Ina Wihler
2020 gab es mit 9000 Litern den ersten großen Jahrgang. Viel mehr wird es erstmal nicht werden. Viel ist noch im Aufbau: Gerade wird der alte Winzerhof aus dem Jahr 1890 renoviert; in Planung ist auch ein temperaturkonstanter Erdkeller. Im aktuellen Weinkeller stehen Barriquefässer, Edelstahltanks und Tonamphoren. Hier gären die Weine ohne Zusatz von Reinzuchthefe, „Spontangärung“ ist der Fachbegriff. Wihler bezeichnet ihre Weine als Naturweine, wobei der Begriff nicht geschützt ist, daher sollen sie bald das EU-Biosiegel bekommen.
Der Verkauf laufe gut und die Resonanz sei positiv. Vor allem Weinhändler aus Dänemark, Belgien, Niederlande und Schweden zeigen Interesse. In Freiburg gibt es den Wihler-Wein bei Sinneswerk, Werners Weinwelt, Kurz & Kork, im Café Bächle sowie im Restaurant Kuro Mori.
Ein Leben für den Wein
Ina Wihler ist quasi in den Reben aufgewachsen – wie viele am Kaiserstuhl. Der Wein sollte dann eigentlich nicht zum Beruf werden. Doch als sie gerade ihr Abitur in der Tasche hatte, erkrankte ihre Großmutter und sie übernahm die Arbeiten in deren Winzerbetrieb. Es folgten Praktika in einer Kellerwirtschaft und Weingutsverwaltung sowie das Studium „Internationale Weinwirtschaft“ in Geisenheim. Heute wird sie von ihrer Familie, ihrem Partner und Freunden unterstützt.
Und wenn sie auf Französisch und Englisch Sommeliers durch ihre Weinberge führt, dann staunen wohl auch einige der Winzer, in deren Rebenzeilen kein Grashalm unter dem Traubenzone wächst, wie sie den Weitgereisten die Pflanzenvielfalt zeigt.