Coaching, Beratung und Training von Führungskräften und Firmen haben Hochkonjunktur, auch in Südbaden. Nicht selten hat man bei Betrachtung der Anbieter das Gefühl, alles schon einmal gelesen zu haben – auch die Bilder, mit denen der angekündigte Unternehmenserfolg illustriert wird, scheinen austauschbar. Umso außerordentlicher sind Auftritt und Sprache bei der Kaiserstühlerin Elsbeth Trautwein, die in diesem Geschäft seit nunmehr 26 Jahren aktiv ist: Wo andere das Foto der immergleichen fünf Metallkugeln an Schnüren bemühen, zeigt sie Blumenblüten – als Symbol für selbstorganisiertes Wachstum. Sie scheut sich nicht, auch mal von „leidenden“ Angestellten zu sprechen. Sie redet von „Wertschätzungsketten“, in die sie Menschen einbinde, nicht von Wertschöpfung. Oder von der „liebevollen Penetranz“, mit der sie Mitarbeitern wie Vorgesetzten begegnet. Wem das möglicherweise ein klein wenig zu offen erscheinen mag, der wird bei einem Treffen mit Elsbeth Trautwein gleich um eine weitere ungewöhnliche Erfahrung bereichert:
Sie kommuniziere ihre Botschaften so, „dass jeder sie annehmen kann“, sagt Trautwein über ihren Stil, den sie als „entwaffnend ehrlich“ bezeichnet. Am Ende sei bei allen betreuten Kunden, gleich ob ein-Mann-Betrieb oder die Dependance eines Unternehmens mit 5000 Mitarbeitern, klar, dass es überall „menschle“. Ihr Job sei es, Mut zu machen und das Selbstvertrauen zu stärken, aber auch Manager darauf hinzuweisen, was an ihrem Image kratzt und trotzdem entwicklungsfähig ist. Oder eben auch Mitarbeiter nach deren Entlassung beim sogenannten „Outplacement“ wieder für das berufliche Fortkommen vorzubereiten. Sie praktiziert dies im gesamten deutschsprachigen Raum. Die Betreuung, die sie selbst als „herzliche, menschliche Verbundenheit, aber auch penetrant-konsequent“ umschreibt, ist eine Begleitung im Wortsinne – nicht selten beginnt ein Coaching bei ihr mit einem Gang durchs Unternehmen an der Seite der Führungskraft. Sie habe keine Scheu vor Autoritäten, sagt Trautwein, zugleich sei es ihr aber wichtig, mit allen zu sprechen, gleich welche Position sie in der Firma einnehmen.
Auf diese Weise gewinne sie einen Überblick, ein „big picture“, an dem sie die Situation einschätzen kann. Der Chef, der keinen Gruß für einfache Mitarbeiter entbehrt, kann ebenso Thema sein wie die ganz unterschiedlichen Auffassungen gleichberechtigter Geschäftsführer, ob „Team“ nun die Schaffung einer Wohlfühlatmosphäre oder eines straffen Organigramms im Unternehmen bedeute. Am Ende sagt sie, verteile sie keine „Streicheleinheiten“, kann aber immer auch das Verhalten jedes einzelnen so würdigen, dass er das Besprochene annehme. Zum Beispiel, dass auch Führungskräfte erkennen lernen, was ihre Stärken sind und was nicht. Das ist ihr Selbstverständnis von „entwaffnend“. Zu ihren Kunden gehören Firmen aus der Pharmazie, der Industrieproduktion, Medizintechnik und Gastronomie, aber auch der Einzelhandel, Handwerksbetriebe, Behörden und Krankenhäuser. „Meine Produkte entwickeln sich am Bedarf“, sagt Elsbeth Trautwein über ihr Knowhow-Angebot, das – einmal mehr außergewöhnlich für ihre Branche – öffentlich, frei zugänglich auf Veranstaltungen geteilt wird. Die „waschechte Kaiserstühlerin“ veranstaltet am Firmensitz in Oberrotweil Seminare und offene Vorträge, sie teilt ihr Wissen auch auf ihren kostenfreien Vorträgen ohne Argwohn und Geheimniskrämerei. Sie tritt als bestmögliche Botschafterin der Auffassung auf, dass ihr Kernprodukt das „Wir“ ist: „Nur in Gemeinschaft sind wir überlebensfähig.“
Das vielzitierte Musketier-Motto „Alle für einen, einer für alle“ ist in ihrer beruflichen wie privaten Biografie unwiderruflich verankert: Von sich sagt sie selbst, dass sie ursprünglich eine nicht ganz so gute Schülerin war. Nach der Schule erlernte sie den Beruf der Hebamme. „Ein Beruf, den ich im übertragenen Sinne auch heute noch mache“, sagt sie selbst. Es folgten zwei Schicksalsschläge, von denen jeder einzelne Menschen aus der Bahn hätten werfen können, sie aber zu einem bis heute gültigen Lebensmodell brachte, das sie „die wirksame Selbstverantwortung“ nennt: Mit 21 überstand sie eine lebensbedrohliche Erkrankung, die sie „wichtig für meine persönliche Reife“ nennt, im Alter von 29 Jahren verlor sie bei einem Unfall ihren Mann, mit dem sie einen Sohn, eine Tochter und einen weiteren Sohn aus dessen erster Ehe hat.
Als junge Witwe mit drei Kindern setzte sie einen Prozess in Gang, der sie in den heutigen Beruf brachte: Nachholen des Fachabiturs, Studium der Sozialarbeit an der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg, Studium Erwachsenenbildung an der Päd. Hochschule Freiburg, Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Management in Basel. In abendlichen und nächtlichen Jobs betreute sie zunächst Nichtraucherseminare bei einer Krankenkasse und tippte und übersetzte medizinische Gutachten. Die Kinder wurden in Diplomarbeiten und Alltagsorganisation eingebunden. Mit dem Ende des letzten Studiums hatte sie den ersten Auftrag als Beraterin und mietete sich Ende der 1980er Jahre in einem großen Büro in der Freiburger Talstraße ein. Mit dem unvermindert „tiefen Vertrauen, dass alles gut wird“. Als sie den Schwerpunkt der Tätigkeit Jahre später in den Kaiserstuhl zurückverlagerte („ich gehöre hierher“), setzte sie auf ein Mittel, das sie bis heute zur Werbung verwendet: Zufriedene Kunden, die wieder kommen und zu den Vorträgen Kollegen und Geschäftspartner mitbringen.
Auch aktuell veranstaltet sie Seminare für Menschen, die sie einst gecoacht hat und greift bei neuen Aufträgen nicht selten auf ein Netzwerk der von ihr ausgebildeten Coaches und Trainer zurück. Auch dies ist Teil ihres Verständnisses von sozialer Intelligenz als Basis für die berufliche Weiterentwicklung. Zum funktionierenden Miteinander gehört für sie als Unternehmerin auch die Mitgliedschaft beim VdU: Dort treffe sie Frauen, die nicht nur ähnlich ticken wie sie, sondern sich mit gegenseitiger Wertschätzung begegnen, sagt Elsbeth Trautwein. Sie müsse dort kein Coach, keine Beraterin sein, sondern kann so sein, wie sie ist. Sie fühle sich „richtig gut aufgehoben“ in einem Kreis von Frauen aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Ein Kreis, der als Plattform für Austausch unter Gleichgesinnten funktioniert, sich gegenseitig fördert. Das Ganze fernab von manchmal männerbündlerischen Wirtschaftsclubs, aber auch „ohne Zickenkrieg statt Hahnenkampf“, wie sie es in ihrer stets bildhaften Sprache zusammenfasst.
Es ist sehr ungewöhnlich, wenn eine unerschrockene Unternehmerin wie Elsbeth Trautwein davon spricht, dass sie sicher ist, dass sie bei den VdU-Frauen gehalten werde würde, wenn sie ins Stolpern komme und Hilfe bräuchte. Aber auch wie sie nach unzähligen Schulungen und Coachings über eigene Schwächen spricht, ist eben entwaffnend. Mit Zahlen habe sie es nicht so. Sie sei zwar in der Lage, an einzelnen Punkten einer Bilanz die heraufziehenden Probleme oder auch Fehler zu erkennen, aber im Kern stehe sie fürs Ganzheitliche, den Überblick, die großen Bezüge. Nicht für die Details.
Beim Aufstehen vom Kaffeetisch im spätsommerlichen Garten des „Landhaus Trautwein“, zu dem ein Restaurant und Bed&Breakfast-Zimmer für Tagungsgäste und Touristen zählen, lädt sie noch zu einer kleinen Begehung ihres nächsten Projekts: Den Umbau der alten Scheune auf dem Gelände, ursprünglich Fass- und Eislager der Riegeler Brauerei, die sie mit neuen Büros und einem Tagungsraum mit Blick in die Reben ausstatten wird. Gegenüber liegt der Biergarten unter alten Kastanien, ein Gunst-Ort für Menschen, die abseits von Kettenhotels und Kongresszentren etwas über sich und andere lernen möchten.
Elsbeth Trautwein ist 60 Jahre alt und kann sich vorstellen, den Job hier auf jeden Fall bis zu ihrem 75. auszuüben. So lange wie die Leidenschaft eben bleibt. Die Arbeit zehre nicht, sondert nähre sie. Eine Nachfolgeregelung mit Mitsprache über ihr Austrittsdatum aus dem – stark auf sie zugeschnittenen – Geschäft hat sie gleichwohl auf den Weg gebracht.
Die nächsten beiden Vorträge, die sie gerade vorbereitet, sind reflektierter Ausdruck beider Überlegungen: „Generationenübergreifendes Management. Ein emotionales Feuerwerk“ und „Wie kann ich die unstillbare Lebenslust aufrechterhalten?“ Überschrift: „Ich werde 100 Jahre alt“.
Mehr Informationen unter:
www.trautweintraining.de
Erschienen in der Ausgabe vom 10/16