Temperaturen steigen. Niederschläge schwanken. Grundwasserpegel sinken. Der Handlungsdruck wird stärker. Bundes- und Landesregierungen legen Aktionspläne vor. Einer davon heißt Masterplan Wasserversorgung, dessen Umsetzung ist im Regierungsbezirk Freiburg angelaufen.
VON CHRISTINE WEIS
Es ist das Thema im Sommer, wenn er sehr heiß und trocken ist: die Sorge ums Wasser. So war es auch in diesem Jahr. Eine extreme Wetterlage wirkt sich direkt auf die öffentliche Debatte aus. Nach der ersten Hitzewelle Ende Juli war die drohende Wasserknappheit in allen Medien präsent. Dabei ist es kein temporäres Problem. Im Gegenteil, wenn es in den vegetationslosen Monaten unterm Jahr zu wenig regnet, wirkt sich das auf die Grundwasserpegel dramatischer aus als ein trockener Sommer. Denn die Grundwasserreserven sollten sich genau dann füllen, wenn die Pflanzen wenig von dem Wasser benötigen, das vom Himmel fällt.
Wasser ist nicht gleich Wasser, zur Erklärung: Im Unterschied zu Oberflächenwasser (Seen, Flüsse) befindet sich das Grundwasser in unterirdischen Hohlräumen. Dorthin versickern durch Boden- und Gesteinsschichten hindurch die Niederschläge und das Schmelzwasser. Wieder nach oben gelangt das Grundwasser durch Quellen und Brunnen. Grundwasser ist die wichtigste Ressource für Trinkwasser. In Baden-Württemberg werden 70 bis 75 Prozent des Trinkwassers nach Angaben der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) aus Grundwasser gewonnen. Zudem wird es für die Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen, als Rohstoff in der Industrie und zur Kühlung von Anlagen gebraucht. Sollte es knapp werden, sind davon alle Lebensbereiche betroffen.
„Die Kommunen erhalten durch den Masterplan eine detaillierte Zusammenstellung ihrer gesamten Wasserversorgungsstruktur, das ist ein guter Service.“
Magdalena Steiner, Hydrologin im Regierungspräsidium Freiburg
Damit auch hier der Eindruck nicht trügt: Starkregen, die es etwa im August häufig gab, sind für die Grundwasserbildung nur bedingt relevant. Die meisten Wassermengen der Ergüsse werden über Kanalisation und Flüsse abgeführt. Am Ende fließt das Wasser ins Meer. Gerade die Kombination aus Trockenheit und Starkregen ist für das Grundwasser ungünstig, denn die dürren Böden nehmen das Wasser schlecht auf. Versiegelte Städte tun ein Übriges dazu. Hohe Temperaturen lassen das Wasser zudem schnell verdunsten.
Und diese steigen Jahr für Jahr an. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) betrug die durchschnittliche Jahrestemperatur im Jahr 2022 10,5 Grad. Gemeinsam mit dem Jahr 2018 war es seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1881 das wärmste in Deutschland. Auch die Trockenphasen nehmen zu. Da hält ebenfalls das Jahr 2018 mit 25 Prozent weniger Niederschlag den Rekord. Die Folgejahre waren ebenfalls mit Ausnahme von 2021 regenärmer im Vergleich zu früher. Wobei die Mengen regional stark schwanken. Diese Entwicklungen machen eine Tendenz deutlich: Hitze- und Trockenperioden sowie Niedrigwasser werden aufgrund der Klimaänderungen häufiger auftreten. Es könnte sich dadurch weniger Grundwasser bilden.
Es gibt keinen Anlass zur Panik, sehr wohl aber zum Handeln.
Gemäß LUBW gibt es keine belastbare Prognose für die Grundwasserstände der nächsten Jahre in Baden-Württemberg. Eine weiterhin leicht rückläufige Entwicklung könne nicht ausgeschlossen werden. Die Grundwasserstände und Quellschüttungen bewegten sich im Jahr 2023 bis jetzt auf einem etwas höheren Niveau als in den vergangenen Jahren. Im 30-jährigen Vergleich seien sie aber immer noch leicht unterdurchschnittlich.
Es gibt keinen Anlass zur Panik, sehr wohl aber zum Handeln. Damit es nicht zu einer gravierenden Mangelsituation kommt, hat die Bundesregierung im März eine „Nationale Wasserstrategie“ mit 78 Maßnahmen verabschiedet, die bis 2030 greifen sollen. Die Landesregierung von Baden-Württemberg war mit ihrer „Wassermangelstrategie“ im letzten Jahr schon früher dran. Das Umweltministerium beruft sich auf Studien, die zeigen, dass 2050 in manchen Teilen des Landes bis zu 20 Prozent weniger Grundwasser neu gebildet wird. Wie es vom Ministerium weiter heißt, könne es daher zu Konflikten um das knapper werdende Gut Wasser zwischen den verschiedenen Nutzern kommen. Um diesem Szenario vorzubeugen, sollen Verfügbarkeit und Bedarf der Wasserressourcen in Balance gebracht werden.
Doch erstmal müssen Bedarfe und Bestände insgesamt bekannt sein. Das klärt nun der „Masterplan Wasserversorgung“. Landesweit werden in allen Städten und Gemeinden die grundlegenden Strukturdaten der öffentlichen Wasserversorgung erhoben und in ein landesweites digitales Kartenwerk integriert. Im Landkreis Tuttlingen ist die Datenerhebung bereits abgeschlossen. Ergebnisse werden allerdings nicht veröffentlicht. „Wir können nur so viel sagen, dass es im Landkreis Tuttlingen keine Bilanzdefizite bei der Wasserversorgung gibt“, berichtet Magdalena Steiner, Hydrologin beim Regierungspräsidium Freiburg (RP). Das Procedere führen beauftragte Ingenieurbüros durch. Die Kosten finanziert das Land. Pro Landkreis werden mindestens 100.000 Euro veranschlagt.
„Die Kommunen erhalten durch den Masterplan eine detaillierte Zusammenstellung ihrer gesamten Wasserversorgungsstruktur, das ist ein guter Service“, sagt Steiner. „Jede Kommune erhält eine Kompaktinformation über ihre Wassermengenbilanz heute und eine Prognose für 2050.“ Bei der Modellierung gehe man von einem steigenden Pro-Kopf-Wasserverbrauch von 10 Prozent aus und auch der Spitzenbedarfsfaktor werde um einen Klimazuschlag von 10 Prozent erhöht.
Viele Kommunen hätten ihre Mengen etwa der Quellschüttungen, Abgabemengen und den Spitzenbedarf bereits genau im Blick – andere weniger. Falls beispielsweise keine exakten Verbrauchsdaten vorliegen, muss mit Faustzahlen gerechnet werden. Dann werde der Spitzenbedarf in der Regel überschätzt, erläutert die Hydrologin. Diesen Kommunen wird empfohlen, ihren Spitzenbedarf künftig genau zu erfassen, um den zukünftigen Bedarf realistisch abschätzen zu können.
Ein weiteres Kriterium, das für jede Kommune berechnet wird, ist das sogenannte „Zweite Standbein“. Damit ist eine Ersatzversorgung gemeint, die im Falle eines Ausfalls der wichtigsten Wasserbezugsquelle noch eine Mindestversorgung gewährleisten kann. Auf Basis dieser Analysen werden Maßnahmenempfehlungen ausgesprochen, zum Beispiel: Ein Strukturgutachten zu erstellen, das Möglichkeiten eines Verbundsystems mit Nachbarkommunen und den Anschluss an einen Fernwasserversorger näher untersucht. Wasserverluste zu reduzieren, ist eine weitere Empfehlung ebenso wie die Beantragung für eine Erhöhung der wasserrechtlich erlaubten Entnahmemenge aus einem Brunnen, erklärt Magdalena Steiner.
Seit Juni laufen die Arbeiten in den Landkreisen Emmendingen, Rottweil und im Ortenaukreis. Die Ergebnisse werden nächsten Sommer vorliegen. 2025 sollen dann alle landesweiten 44 Stadt- und Landkreise erfasst worden sein. Dann lässt sich genauer sagen, ob das Grundwasser wirklich knapp wird.