Der Buchhandel spielt eine Sonderrolle im Einzelhandel. Er litt lange vor anderen Sparten unter der Onlinekonkurrenz und wehrt sich mit analogen Events. Zuletzt stiegen die Umsätze wieder auch dank junger Leserinnen. Dennoch nimmt die Konzentration zu, weil vielen kleinen Geschäften die Puste ausgeht. In der Region gibt es Ausnahmen.
Text: Kathrin Ermert • Foto: Santiago Fanego
Patricia Merkel steht in der Küche und bereitet Rezepte aus einem neu erschienenen Kochbuch zu, während Antonia Merkel das Interview gibt. Die Häppchen wollen die Schwestern morgen beim kulinarischen Samstag in ihrer Buchhandlung in Rheinfelden servieren. 2008 haben sie die Geschäfte in Rheinfelden und Grenzach- Wyhlen, die ihre Eltern 1978 und 1982 eröffneten, übernommen – „aus Leidenschaft“, betont Antonia Merkel. Die Merkel Buchhandlungen führen ein klassisches Sortiment: Belletristik, Sach- und Kinderbücher, Reiseliteratur, Kalender und Kochbücher. Außerdem ein kleines Non-Book-Angebot mit Spielen, Grußkarten und Geschenkartikeln, das weniger als zehn Prozent zum Umsatz beiträgt – im Gegensatz zu anderen kleinen Buchhandlungen, die durchschnittlich mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes damit erzielen. Insgesamt sei der Umsatz stabil und das Geschäft rentabel, berichtet Antonia Merkel. „Natürlich ist immer Luft nach oben.“
Die Inhaberinnen beschäftigen für beide Läden zusammen fünf Frauen und einen Mann. „Das Team ist goldwert“, betont die Chefin und lobt auch ihre Kundschaft: „Wir haben wunderbare Stammkundinnen und -kunden, die mit ihrem Kauf honorieren, was wir tun. “ Mehr Frauen als Männer und bis vor ein paar Jahren eher Ältere. Doch zuletzt verjüngt sich das Publikum wieder aufgrund von Trends wie Book-Tok, New Romance und Young Adult. Auch der Kulturpass hätte etwas gebracht, berichtet Antonia Merkel, den hätten viele 18-Jährige bei ihnen eingelöst.

„Im inhabergeführten Buchhandel findet man niemanden, der penibel auf seine Arbeitszeit schaut.“
Antonia Merkel (48) führt zusammen mit ihrer Schwester Patricia Merkel (57) die von ihren Eltern gegründeten Buchhandlungen in Rheinfelden und Grenzach-Wyhlen.
Das passt zum Selbstverständnis des Buchhandels, der sich nicht nur als wirtschaftlichen Akteur, sondern auch als lesefördernde Kultureinrichtung sieht. Die Buchhandlungen Merkel kooperieren mit den örtlichen Bibliotheken und der Volkshochschule, veranstalten regelmäßig Lesungen und andere Events wie Silent-reading-Abende und laden eben zum kulinarischen Samstag oder zur literarischen Vesper. Natürlich bedeutet das Mehrarbeit, aber das macht den Merkel-Schwestern nichts aus. „Meine Töchter, 10 und 11 alt, sagen zu mir: Mama, dir macht es ja Spaß zu arbeiten“, erzählt Antonia Merkel und ergänzt: „Im inhabergeführten Buchhandel findet man niemanden, der penibel auf seine Arbeitszeit schaut.“
Aber die Zahl dieser Überzeugungstäterinnen und -täter ist auf einen neuen Tiefstand gesunken, meldete das Statistische Bundesamt zum Beginn der Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober. Gut 2980 Bucheinzelhändler gab es im Jahr 2023, fast ein Viertel (24 Prozent) weniger als fünf Jahre zuvor. 2018 hatte man noch rund 3930 Unternehmen im Bucheinzelhandel registriert. Insgesamt werden etwas mehr als 40 Prozent der Bücher im sogenannten Sortimentsbuchhandel verkauft, rund 25 Prozent online, der Rest in Warenhäusern sowie anderen Verkaufsstellen und direkt über die Verlage.
In Social Media Azubis gefunden
In Offenburg hat sich die Zahl der Buchgeschäfte in den zurückliegenden Jahren sogar halbiert. Eins hat geschlossen, eins ist wegzogen, jetzt gibt in der 70.000-Einwohnerstadt noch zwei, eins davon ist die Buchhandlung Roth. Inhaberin Barbara Roth erzählt beim Interview Ende Oktober noch ganz beseelt von einer Veranstaltung zwei Tage zuvor mit der Offenburger Influencerin und Podcasterin Tanja Söllner, die ihr Buch „Scheiß auf Yoga“ vorstellte. „Es war so authentisch. Ausverkauftes Haus, Wahnsinn“, schwärmt die Buchhändlerin. Und kurz darauf baut sie in der Oberrheinhalle einen Büchertisch für den Besuch des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck auf. Diese Bandbreite ist es, die Roth an ihrem Beruf liebt. „Wir sind am Puls der Zeit – das Buch wird es immer geben“, sagt sie.
Das Unternehmen, das die 58-Jährige mehr als die Hälfte ihres Lebens führt, gibt es schon ziemlich lang. 1897 hat ihr Urgroßvater das Buchgeschäft übernommen, das seither durchgängig im Besitz der Familie Roth und seit 1956 im eigenen Gebäude in der Offenburger Hauptstraße angesiedelt ist. Mit einem 23-köpfigen „super Team“ verkauft Barbara Roth auf rund 400 Quadratmetern und zwei Etagen vor allem Belletristik, viele Kinder- und Jugendbücher sowie Ratgeber. Mit Reels auf Social Media hat sie zuletzt jedes Jahr eine Auszubildende gefunden. Und die jungen Mitarbeiterinnen bringen wiederum jüngere Kundschaft in den Laden.

„Wir sind am Puls der Zeit – das Buch wird es immer geben.“
Barbara Roth (58) führt die gleichnamige Offenburger Buchhandlung in vierter Generation. Sie liebt die Bandbreite ihres Berufs und ist überzeugt, dass es Bücher immer geben wird.
Barbara Roth merkt zwar, dass die Menschen weniger Geld im Portemonnaie haben. Zum Beispiel hätten sich vor Kurzem beim verkaufsoffenen Sonntag einige zwischen Shoppen und Einkehren entscheiden müssen. Sie sieht in der Krise aber „eine Riesenchance“ für den stationären Buchhandel. Denn wenn die Menschen aufs Geld achten, sei Beratung umso wichtiger. Roth gibt sich trotz aller Probleme sehr zufrieden. „Es läuft richtig gut“, sagt sie. Unterm Strich stehe in ihrer Bilanz eine „nicht mehr ganz schwarze Null“. Denn auch die Buchhandlung habe wie alle Geschäfte in der Innenstadt mit Frequenzrückgängen zu tun.
Barbara Roth versucht wie ihre Kolleginnen Merkel in Rheinfelden und Grenzach selbst die Offenburger City zu beleben. Sie sieht die Buchhandlung als „Ort der Begegnung“, der immer wichtiger werde, je mehr sich das Leben virtuell abspielt. Die Resonanz gibt ihr Recht: Lesungen, Büchernächte und andere Veranstaltungen sind fast immer ausverkauft. „Die Kunden sagen, sie wollen, dass es uns weiterhin gibt“, berichtet Roth. Ob die Buchhandlung auch in fünfter Generation von einem Familienmitglied geführt wird, ist indes noch nicht klar. Einstweilen ist Ruhestand für Barbara Roth aber noch kein Thema.
Die Konzentration nimmt zu
Fehlende Nachfolge ist häufig ein Grund, warum inhabergeführte Buchhandlungen schließen, verkaufen oder sich einem Filiallisten anschließen. Die Konzentration im Buchhandel nimmt zu: Mittlerweile erzielen 10 Prozent der Buchhandlungen zusammen fast 80 Prozent des Umsatzes. Die Verlage tragen zu dieser Entwicklung bei. Denn sie gewähren den Buchhandlungen umso höhere Margen, je größer deren Absatzmenge ist. „Die großen Buchhandelsketten erzielen bei den Verlagen Maximalrabatte für den Bezug und können auch ihre Verwaltungsaufgaben stark rationalisieren“, erklärt der Börsenverein des deutschen Buchhandels in seinem aktuellen Branchenreport.
Der Branchenprimus Thalia mit Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Hagen hat etliche Unternehmen gekauft – sowohl einzelne Buchhandlungen als auch andere Ketten – und kommt nach eigenen Angaben mittlerweile auf einen Marktanteil von 28 Prozent im stationären sowie 23 Prozent im Onlinebuchhandel. In Freiburg hatte die Kette bereits 1996 die Buchhandlung Herder übernommen. 2016 erwarb wiederum der Freiburger Verleger Manuel Herder die Mehrheit der Anteile an Thalia. Der Buchgigant wächst nicht nur durch Übernahmen, sondern auch mit seinem Partnermodell. Dabei bleiben Buchhandlungen formal selbstständig, nutzen aber Thalias technische Infrastruktur und zentralen Einkauf. 2020 gründete Thalia zudem eine Vertriebsgesellschaft mit der Tübinger Buchhandelskette Osiander. Die beiden Filialisten wickeln nun IT, Webshop, Einkauf sowie Logistik gebündelt ab und eröffneten 2024 in Konstanz ihre erste gemeinsame Buchhandlung. Im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2024/25 setzte Thalia mit allen rund 530 Buchhandlungen auf seiner Plattform rund 2,2 Milliarden Euro um und beschäftigte circa 6800 Mitarbeitende.
Auch die Nummer zwei der Branche expandiert. „Hugendubel treibt sein Wachstum konsequent voran: In den letzten fünf Jahren wuchs das Filialnetz um 25 Prozent“, teilte das in fünfter Generation von den Geschwistern Nina und Maximilian Hugendubel geführte Buchhandelsunternehmen mit Hauptsitz in München Mitte Oktober mit. Es zählt demnach deutschlandweit rund 3500 Standorte, darunter 100 Filialen und 800 Shop-in-Shops, beschäftigt rund 1600 Mitarbeitende und setzte 2021/22, dem aktuellsten im Bundesanzeiger verfügbaren Geschäftsjahr, rund 220 Millionen Euro um.
Die Große unter den Kleinen
Auf Thalia und Hugendubel folgen mit reichlich Abstand einige kleinere Filialisten und große Einzelunternehmen wie das Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin. Die Freiburger Buchhandlung Rombach zählt – wiederum mit deutlichem Abstand zu den Berliner Marktführern – vermutlich zu den vier größten inhabergeführten Playern im stationären Buchhandel deutschlandweit. Verlässliche aktuelle Zahlen oder Rankings existieren allerdings nicht mehr. Auch die Definition von Filialisten variiert und damit die Einordnung von Rombach mit seinen derzeit drei Standorten.
„Wir bewegen uns in einer nicht ganz einfachen Größenordnung“, sagt Daniel Schnitzler, seit 2015 geschäftsführender Gesellschafter der Buchhandlung Rombach. Mit rund 75 Mitarbeitenden auf umgerechnet 55 Vollzeitstellen, einem Umsatz im niedrigen zweistelligen Millionenbereich und drei Standorten ist sie definitiv nicht klein. Allein das Haupthaus in der Freiburger Bertoldstraße bietet auf vier Etagen 1940 Quadratmeter Verkaufsfläche, der Standort im Arena-Park Lahr ist 800 Quadratmeter groß. Dazu kommt die kleine Campus-Buchhandlung gegenüber des Freiburger Stadttheaters. Diese Struktur mit vielen unterschiedlichen Vertriebswegen erfordere eine entsprechend große Verwaltung. „Die Kosten dafür würde ich gern auf mehr Umsatz verteilen“, sagt Schnitzler. Das heißt: weitere Standorte. Er bekommt regelmäßig Anfragen, vor allem von Buchhandlungen, deren Besitzer keine Nachfolge haben, berichtet Schnitzler. Die prüfe man betriebswirtschaftlich, meistens rechneten sie sich nicht.

„Wir bewegen uns in einer nicht ganz einfachen Größenordnung.“
Daniel Schnitzler (45) ist 2015 als geschäftsführender Gesellschafter in die Freiburger Buchhandlung Rombach eingestiegen. Sie zählt mit drei Standorten und 75 Mitarbeitenden zu den größeren inhabergeführten Buchhandlungen in Deutschland.
Statt ein bestehendes Buchgeschäft zu übernehmen, hatte Rombach 2024 eine Filiale in der Rastatter Schlossgalerie eröffnet, einem Einkaufszentrum ähnlich dem Lahrer Arena-Park, sogar mit besserer Lage und attraktiverem Markenmix. Das Projekt blieb jedoch weit hinter den Erwartungen zurück – „zu wenig Frequenz und kaum Interesse der Kundschaft an Büchern“, bilanziert Schnitzler und sagt: „Es war eine Fehlentscheidung, die uns viel Geld gekostet hat. Entsprechend vorsichtig sind wir heute.“ Immerhin: Operativ entwickelt sich Rombach positiv: 2025 verzeichnet das Unternehmen laut Schnitzler ein deutliches Umsatzwachstum und schreibt schwarze Zahlen. Das Vor-Corona-Niveau sei zwar noch nicht erreicht, die Tendenz aber stabil. Der Onlineanteil am Umsatz hat sich während der Pandemie auf knapp zehn Prozent verdoppelt und hält sich auf diesem Niveau. Das Non-Book-Segment, mit neu eröffneter Papeterie, wächst stetig und trägt inzwischen rund 20 Prozent zum Gesamtumsatz bei.
Disclaimer
Daniel Schnitzler ist geschäftsführender Gesellschafter der Buchhandlung Rombach sowie Inhaber und Herausgeber von Netzwerk Südbaden.