Aber welches Kalkül hat um Himmels Willen 15 Prozent der Wähler und Wählerinnen in Baden-Württemberg dazu bewogen, Rechtspopulisten ihre Stimme zu geben? Weil diese Partei den Artikel 1 unseres Grundgesetzes offensichtlich gerne verändern möchte von „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ in „Die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar“? Weil diese Partei die Hoheit der Stammtische in tatsächliche Politik umsetzt? Weil diese Partei ein Führungspersonal hat, bei dem politische Kompetenz durch platte populistische Parolen ersetzt wird, gerade in der Flüchtlingsfrage?
Wir waren schon weiter, gerade hier in Baden-Württemberg. Hier haben die Rechten über viele Jahre keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, warum auch? Die Baden-Württemberger sind ja stolz auf ihr Land mit schaffigen Menschen, einer weltweit erfolgreichen Industrie, wunderbaren Landschaften, gutem Essen und Trinken. Das ist ja in diesem Jahr 2016 nicht anders. Aber seit 2015 Menschen in großer Zahl in unser Land kommen, Flüchtlinge aus Kriegsländern, andere, die einfach besser leben wollen, hat sich die Stimmung wohl gedreht. Es gibt keine objektiven Gründe dafür, die Sicherheitslage ist unverändert, die Kriminalität nimmt nicht zu, die Hartz IV-Gelder sind kürzlich angehoben worden. Wer sich informiert, weiß das.
Aber Protestwähler interessiert das nicht, das haben diese Wahlen in drei Bundesländern gezeigt. Und wir befinden uns plötzlich in einem Land, in der eine argumentationslose Organisationen wie die AfD als die Partei mit den stärksten Argumenten wahrgenommen wird. Das finden wir schlimm, da kann man sich eigentlich nur fremdschämen. Und alles tun, dass der rechte Spuk ein Spuk bleibt. Sonst ist das nicht mehr unser Land.
Jörg Hemmerich
Kommentar zur Wahl: Fremdschämen
