Als ehemaliger Google-Innovationschef und Stanford-Dozent hat er von der NASA über den DFB bis zur UNO etliche Organisationen und tausende Führungskräfte geschult. Nun war der gebürtige Ravensburger auf Vortragsreise in Deutschland und erklärt bei einem Spaziergang durch den Mooswald, was ein Innovationsberater macht.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Santiago Fanego
Er hat einfach Ja gesagt. Es ist weniger als zwölf Stunden her, dass wir uns zum Interview verabredet haben. Frühmorgens treffen wir uns am Dorint Thermenhotel und laufen eine Stunde durch den Mooswald. Dabei muss Frederik Pferdt eigentlich weg. Mittags geht sein Flieger von Zürich nach Kalifornien. Dass er dennoch in aller Ruhe mit uns spazieren geht, hat viel mit seiner Einstellung zu tun. „Ich sage immer erstmal Ja“, erklärt er. „Und dann schaue ich, ob es klappt. Wenn es nicht geht, müsste ich dann halt umplanen.“
Frederik Pferdt ist ein Phänomen. Aufgewachsen am Bodensee, lebt der dreifache Vater seit 2011 in den USA. Jahrelang lehrte er an der Stanford University, seit Mai ist der promovierte Wirtschaftspädagoge als Gastwissenschaftler an der renommierten NYU in New York. Seine Kurse tragen Titel wie „Hacking Your Innovation Mindstate“ und „Design for AI-powered futures“.
Sein Weg begann in Deutschland bei einer der großen Unternehmensberatungen – gute Stelle, viel Geld, aber für ihn kein Potenzial. „Man hat zu mir gesagt: ,Du musst das Rad hier nicht neu erfinden‘“, erinnert er sich. Dabei will er unbedingt neue Räder erfinden. Also gab er den Job auf, bereiste die Welt und landete schließlich bei Google. Zwölf Jahre war er dort, als erster sogenannter Chief Evangelist des Konzerns – eine Rolle, in der er die Innovationskultur weltweit prägte. Konkret heißt das: Er schulte tausende Mitarbeitende und entwickelte Konzepte und Leitlinien, um ihnen eine Arbeitsatmosphäre zu bieten, in der sie so kreativ wie möglich arbeiten können. „Ich helfe Menschen, ihr Innovationspotenzial zu wecken, aber das heißt nicht, dass ich mit Ideen komme, sondern ich unterstütze sie dabei, an ihre eigenen Ideen zu glauben“, sagt er.





Pferdt hat unter anderem die Google Garage erfunden. Dafür hat er auf dem Unternehmenscampus aus Holzbrettern, Fässern und alten Autoteilen eine real anmutende Garage gebaut. Sie war so konstruiert, dass sich jeder traute, dort selbst zu experimentieren. „Darum geht es“, sagt er. „Man darf einfach machen. Nur wer ausprobiert, kann auch erfinden“. Dutzende Prototypen haben die Google Garage verlassen, manche wurden ein Riesenerfolg wie der Minicomputer Google Glass, andere verschwanden in der Versenkung. Auf den Versuch kommt es an. „Innovation ist immer ein emotionaler Prozess“, sagt Pferdt. Es gehe nicht nur darum, Neues zu entwickeln, sondern auch darum zu lernen, wie man etwas loslässt, wenn es nicht klappt – dafür gibt es Techniken, die sich trainieren lassen.
„Wir können die Welt nicht beeinflussen, aber sehr wohl, wie wir sie sehen“, sagt er. Dazu gehört sein Konzept, das er Zukunftsgeist nennt und über das er Bücher geschrieben hat. „Ich versuche, zu helfen, den eigenen Zukunftsgeist zu wecken.“ Eine seiner wichtigsten Thesen: „Zukunft beginnt nicht morgen – sie beginnt in uns“. Pferdt, der mit langem Mantel, Schlappen und Teetasse durch den Mooswald spaziert, hat mittlerweile hunderte Organisationen beraten und deren Mitarbeitende geschult. Dazu gehören die NASA, das FBI, die UN, der DFB, Adidas, Uber, Bayer, Daimler, Lufthansa, SAP, Regierungsbehörden verschiedener Länder – die Liste lässt sich fortsetzen.
Eigentlich geht es immer um Ähnliches – eine Atmosphäre zu kreieren, bei der sich die Mitarbeitenden animiert fühlen, an ihre wildesten Träume zu glauben und auch die verrücktesten Ideen auszuprobieren. „Ich bin kein Changemanager“, sagt Frederik Pferdt. „Ich kann niemanden ändern, aber ich kann dabei helfen, Routinen zu überdenken und der eigenen Kreativität zu vertrauen. Veränderung klappt, wenn Menschen sich selbst neu sehen“. Und das beginnt oft damit, einfach Ja zu sagen.

Frederik G. Pferdt wohnt mit seiner Frau und seinen drei Kindern (9, 11, 15) in den Bergen von Santa Cruz (Kalifornien) – teilweise in selbstgebauten geodätischen Kuppelbauten, sogenannten Geo-Domes. „Wir leben komplett autark“, berichtet er. „Wir pflanzen eigenes Essen an, haben eigenes Wasser und erzeugen unsere eigene Energie.“ Es sei ein Experiment, um herauszufinden, wie es ist, unabhängig und naturverbunden zu leben – als gelebte Zukunftsforschung im Alltag. Am Ende des Gesprächs steigt er entspannt ins Auto nach Zürich, sein Transatlantikflug geht in weniger als vier Stunden.