In der oberen Etage des Bernauer Rathauses gibt es Kunstschätze. Manche Besucher staunen, wenn sie in dem kleinen Schwarzwaldorf unerwartet auf Werke von Otto Dix oder Anselm Kiefer treffen. Gerade werden Arbeiten von Heidi Nübling ausgestellt. Ein Museumsbesuch.
VON CHRISTINE WEIS
Mittwochnachmittag in Bernau. Der Schwarzwald hat sein buntes Herbstkleid angezogen. Beim Gasthof Rößle sonnen sich einige Gäste an den Außentischen. Das Café Theo Stoll hat geschlossen, wie jeden Mittwoch, so ist das auf dem Land. Man könnte denken, wer frei hat oder hier im Urlaub ist, nutzt das schöne Spätsommerwetter zum Draußensein. Doch im Hans-Thoma-Museum im Rathaus ist reger Betrieb.
Das Museum hat drei Abteilungen. Eine mit Werken des Namensgebers. Hans Thoma (1839–1924) stammt aus dem Ort. Der einstige Professor der Kunstakademie Karlsruhe hatte Ende des 19. Jahrhunderts die Kunstwelt mit seinen Motiven aus dem bäuerlichen Milieu aufgemischt. Die zweite Dauerausstellung zeigt Originale des Schwarzwaldmalers Karl Hauptmann (1880–1947).
Richtig reizvoll ist es jedoch eine Etage über Thoma und Hauptmann unterm Dach. Hier fluten die starken Landschaftsbilder (Öl auf Leinwand) von Heidi Nübling mit Sturmwellen, Wildbächen und Wasserfällen geradezu den Raum. „Himmel, Land und Meer“ ist der passende Titel der Ausstellung. Die Stellwände mit den Exponaten müssen sich mit dem begrenzten Bereich unter den Dachschrägen begnügen. Man wünscht ihnen mehr Fläche und doch fokussiert sich aufgrund der Enge das Auge stärker auf das Bildmotiv. So lassen beispielsweise die farbstarken Birken-Bilder die Holztäfelung im Hintergrund vergessen.
Heidi Nübling ist 1957 in Grenzach-Wyhlen geboren. Sie studierte Grafik-Design an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim mit dem Schwerpunkt Malerei und Zeichnen. Seit 1986 arbeitet sie als selbstständige Malerin und lebt im hessischen Bad Hersfeld. Sie ist die diesjährige Naturenergie-Förderpreisträgerin.
„Bereits in den ersten beiden Wochen hatten wir 800 Besucher“, sagt Margret Köpfer, die das Museum seit 2015 leitet. Nübling hat hier einen Namen und viele der Werke sind bereits verkauft.
Margret Köpfer lotet die Künstler aus und erarbeitet die Vorschläge für die Jurys. Den mit 5000 Euro dotierte Naturenergie-Förderpreis zu Ehren von Hans Thoma gibt es seit 2010 und wird immer in den geraden Jahren verliehen. Die Künstler sollten in irgendeiner Weise mit der Region verbunden sein. In den ungeraden Jahren wird der mit 10.000 Euro dotierte Hans-Thoma-Preis vom Land Baden-Württemberg vergeben. Es vergeht also kein Jahr ohne festliche Preisverleihung am zweiten Augustwochenende, an dem Trachtenträger, Blaskappelle und Künstler zusammen auf der Bühne stehen. Kunst ist dann Anlass zum Volksfest und viele der Preisträger waren begeistert und verblüfft von dem einmaligen Spektakel.
„Die Kunstpreise sind ein Glücksfall für Bernau“, sagt Köpfer. „Gerade durch den Hans-Thoma-Preis kommen seit 1949 bekannte Künstler in den abgelegenen Ort“. Und jeder von ihnen lässt dem Museum ein Werk zurück. In dem Bereich mit den Preisträgern trifft man auf Exponate von berühmten Künstlern wie Otto Dix, Anselm Kiefer oder Tobias Rehberger. Köpfer erzählt, dass sie häufig von Besuchern verblüfft angesprochen wird, ob das wirklich Originale sind. „Wir haben Schätze hier, die ein Ritt durch die Kunstgeschichte des letzten Jahrhunderts möglich machen und erfreulicherweise werden es seit den letzten Jahren mehr Frauen“, sagt die Museumsleiterin. Das sind Karin Sander (2011), Andrea Zaumseil (2015), Christa Näher (2019) oder Ulrike Ottinger.
Ottinger wurde letztes Jahr erstmals im Genre Film und Fotografie ausgezeichnet. Ihre Schau „Mongolei, Mexico, Europa“ hatten sich 2500 Menschen angeschaut – und Ottinger wohl die Thoma-Werke. An der Preisverleihung sagte sie: „Hans Thoma ist ja ein sehr guter Landschaftsmaler und er kann nichts dafür, dass er der Lieblingsmaler des Führers geworden ist. Das war ja nach seinem Tod. Aber er hat sich die Landschaften hier, die ja wunderschön sind, sehr genau angeschaut – auch die Menschen.“
Die Fotografie „El Jefe“ von Ottinger hat aktuell keinen Ort in der Sammlung. Nach der Nübling-Ausstellung wird es im Eingangsbereich am Treppenaufgang platziert. „Der knappe Platz ist das Problem und auch die Stellwandtechnik ist in die Jahre gekommen. Dix und Co. hängen dicht. Die Lampeninstallation von Rehberger windet sich über einen Querbalken. „Trotz der namhaften Kunst, das Museum ist ein defizitärer Betrieb und wir sind auf Fördergelder angewiesen“, sagt Margret Köpfer. Die Besucherzahlen seien durch Corona eingebrochen, wenngleich es jetzt wieder gut liefe, weil wieder mehr Touristen in den Schwarzwald kämen und viele aufgrund des Museum-Passes den Weg nach Bernau finden.
Die Ausstellung „Heidi Nübling – Himmel, Land & Meer“ läuft noch bis zum 13. November. Das Hans-Thoma-Museum hat von Mittwoch bis Sonntag geöffnet. Weitere Information und Öffnungszeiten unter: www.hans-thoma-museum.de.