Die Bombardierung der Freiburger Altstadt hat sich vergangenen November zum 80. Mal gejährt. Aus diesem Anlass ist die Dokumentation „Sonst war es still“ entstanden, in der Frauen und Männer, die sie als Kinder erlebt haben, darüber berichten. Der große Anklang, den der Film fand, überraschte die Produktionsfirma.
Von Kathrin Ermert
Zweimal sollte „Sonst war es still“ eigentlich nur öffentlich gezeigt werden. Für den 27. November, den Jahrestag des Bombenangriffs auf Freiburg, hatte die Produktionsfirma B2W Filmworks eine Vorstellung am frühen und eine am späteren Abend angesetzt. Doch der Andrang war so groß, dass der 45-minütige Streifen stattdessen sechs Mal hintereinander in Dauerschleife lief. Und dennoch gingen viele Interessierte am Premierenabend leer aus. Deshalb organisierte das B2W-Team um die Geschäftsführer Wulf Wössner und Ingo Behring etwa ein Dutzend weitere Vorführungstage, und jedes Mal wiederholte sich die gleiche Prozedur: Es gab wieder drei bis vier statt zwei Durchläufe und dennoch lange Schlangen vor dem Gebäude nahe des Münsterplatzes, in dem Westhoff jahrzehntelang Kaffee, Spirituosen und Süßigkeiten verkauft hatte.
Dieser letzte Freiburger Behelfsbau aus der Nachkriegszeit war zugleich Vorführ- und Produktionsstätte des Films. Und er ist auch der Grund, dass es ihn überhaupt gibt. Denn Wulf Wössner ist nicht nur Filmproduzent, sondern auch als Generalplaner für das Gebäude verantwortlich, das drei Jahre leer gestanden hatte. Er ließ darin vorübergehend ein Pop-up-Café einziehen und Kunstschaffende sich präsentieren. Während einer Vernissage im Juli traf er dort Andrea Hess vom Münsterbauverein, die gerade eine Ausstellung zur Bombennacht kuratierte und dafür gut zwei Dutzend Frauen und Männer interviewte, die den Bombenangriff als Kinder selbst erlebt hatten.

Davon erzählte sie Wössner, der die Idee hatte, dass dieser „Erinnerungsschatz“ es wert ist, auch im Film festgehalten zu werden. Schnell waren sich Hess, Wössner und Behring einig. Schon wenige Wochen später luden sie etwa 20 betagte Damen und Herren ins Westhoff-Gebäude ein, in dessen verlebten Räumen das Filmteam ein liebevolles Set mit Biedermeiersofa, Perserteppich und Kaffeetisch aufgebaut hatte. „Nach den Interviews fing die eigentliche Filmarbeit an“, berichtet Ingo Behring. Der Regisseur und sein Team schnitten und sortierten das Material, schickten einen Mitarbeiter ins Haus des Dokumentarfilms nach Stuttgart und zu anderen Archiven, um historische Fotos und Filme zu suchen. Behring ordnete die Beiträge thematisch und dramaturgisch, sodass die Dokumentation ohne zusätzlichen Kommentar funktioniert. Diejenigen, die sich an die Bombennacht erinnern, erzählen die Geschichte.
„Ich habe nicht gedacht, dass das so eine Dimension erreicht.“ – Ingo Behring
Die Produktion ist in erster Linie eine Herzenssache, die Kosten – rund 60.000 Euro – spielten zunächst keine Rolle. Bis auf eine Spende der Eugen-Martin-Stiftung ist B2W Filmworks komplett in Vorleistung gegangen. Daran änderten auch die Publikumsspenden wenig. „Wir waren ziemlich ideenbeseelt unterwegs“, sagt Wulf Wössner. Zusammen mit Ingo Behring hat er dem Publikum jeder einzelnen Vorführung im Westhoff erzählt, warum, wie und wo der Film entstanden ist, wer die Zeitzeugen sind und was mit dem Gebäude passiert. Sie haben etliche Fragen beantwortet, viele Emotionen und Tränen gesehen, selbst einige verdrückt, großes Lob und zahlreiche Wünsche gehört, Rückfragen von Psychologen und jede Menge Zuschriften bekommen. Einiges werden sie in den nächsten Wochen noch abarbeiten müssen.
„Ich habe nicht gedacht, dass das so eine Dimension erreicht“, sagt Behring. Dabei ist er seit Jahrzehnten in der Branche und hat viele Filme gedreht. Das zehnköpfige Team von B2W Filmworks ist auf Dokumentationen und Imagefilme spezialisiert, reist dafür durch die Region, die Republik, teilweise durch ganz Europa, arbeitet entweder im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder von Unternehmen. Finanzierung ist stets ein Thema, dass sie in Vorleistung gehen, nicht ungewöhnlich. Normalerweise aber laufen parallel Verhandlungen mit Sendern und Filmförderungen.
Geschichten von Menschen zu erzählen: Darauf legt B2W Filmworks sowohl bei Imagefilmen als auch bei Dokumentationen den Schwerpunkt. Deshalb waren sie wohl auch die Richtigen für den Zeitzeugenfilm der Freiburger Bombennacht. „Es ist eine Besonderheit, dass so viele Menschen über ein Ereignis berichten“, sagt Behring. Die 80- bis 98-Jährigen hatten sich auf einen Aufruf des Münsterbauvereins in der Badischen Zeitung hin gemeldet. Sie beeindrucken mit ihren wachen und detaillierten Erinnerungen an die traumatischen Ereignisse sowie den Mahnungen, die sie an jüngere Generationen richten. „Das müssen Sie in Schulen zeigen“, forderten viele Zuschauerinnen und Zuschauer, die dichtgedrängt auf Bierbänken in dem gar nicht so großen Hinterzimmer des Westhoff-Cafés saßen. Um die hundert waren es pro Vorführung, insgesamt sahen bisher mehrere tausend Menschen den Film.
Im Westhoff lief er am Dreikönigstag zum letzten Mal, nun wird das Gebäude umgebaut und modernisiert um – voraussichtlich im Sommer – als Filiale der Berliner Biobäckerei „Zeit für Brot“ zu eröffnen. Der Film kommt im Februar in Freiburg ins Kino. Premiere ist am 10. Februar um 18 Uhr in der Harmonie. Das Team denkt auch darüber nach, ihn bei Festivals antreten zu lassen, obwohl er mit seinen 45 Minuten dafür eine ungünstige Länge hat. Und der Wunsch, dass Schulen die Dokumentation zeigen sollen, erfüllt sich – die Landesmedienstellen werden Kopien bekommen.
Hinweis: Unter dem Titel „Sonst war es still“ ist auch ein Buch im Rombach Verlag erschienen.