Ausgerechnet in der größten Krise des Handels setzt ein furchtloses Trio auf den Versuch, wieder scheibenweise Tonträger zu verkaufen: Im Sommer startet in Freiburg „Der Plattenladen“.
VON MAXIMILIAN HESS
Als Anfang des Jahres das Compact Disc Center in der Schiffstraße verkündete, dass es nach 33 Jahren nicht mehr weitergehen würde, war das in Anbetracht von Online-Versand, Streaming und Corona wenig verwunderlich. Es war dennoch ein herber Schlag für lokale Musikliebhaber, schließlich war das Compact Disc Center eine der letzten Anlaufstellen für Fans von CDs und Schallplatten in Freiburg. Der Trend im Musikbusiness und die Beschränkungen durch Corona machten es unwahrscheinlich, dass sich schnell ein Nachfolger finden würde, der diese Lücke schließen kann. Um so schöner ist die Überraschung, dass in den Räumen des Compact Disc Center ein neuer Musikhändler einzieht. Dessen Name: Schlicht „Der Plattenladen“.
„Der Plattenladen“, das ist das Projekt von zwei ehemaligen Mitarbeitern des Compact Disc Center, Tom Lissy und Holger Dehno, die sich mit Markus Muffler, dem ehemaligen Geschäftsführer des Burghofs in Lörrach zusammengetan haben. Muffler erscheint in dieser Gruppe als Exot, schließlich war er in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Burghofs und davor als Investmentbanker zwar mit wirtschaftlichen Aspekten in Kontakt, mit Plattenläden aber bisher eher als Kunde vertraut.
Die Schallplatte ist wieder gefragt
Die praktische Erfahrung kommt von Lissy und Dehno, deren Erfahrungen von ihrer Zeit beim Compact Disc Center wertvoll sein werden. Dass Muffler überhaupt ein solches Projekt angehen kann, hat auch mit seinem Ausstieg beim Burghof zu tun. Nach den Turbulenzen um die Finanzierung des Burghofs scheint sein Einstieg bei einem Plattenladen mehr eine Herzensangelegenheit sein. Gegenüber der Badischen Zeitung sagte Markus Muffler: „Was gibt es Schöneres, als in der Freiburger Altstadt einen kleinen, feinen Laden zu betreiben?“
Es ist vielleicht ein Anachronismus, 2021 einen auf Vinyl spezialisierten Plattenladen zu eröffnen. Dass neben dem nun schließenden Compact Disc Center nur „Mono“ (mit wechselnden Konzepten) und „Flight 13“, das durch den großen Versandhandel noch ein weiteres Standbein zur Absicherung hat, seit längerem in Freiburg bestehen, kann da durchaus als Warnsignal verstanden werden. Das Trio ist dennoch optimistisch, was ihren Erfolg angeht. Zumindest was Schallplatten angeht, gibt es durchaus auch Gründe dafür: In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl des verkauften Vinyls hierzulande vervielfacht, von nur noch 500.000 auf 3,4 Millionen verkaufter Exemplare im Jahr 2019. 2020 überholte die Schallplatte die CD wieder als profitabelster physischer Tonträger. In Berlin gibt es inzwischen wieder knapp 110 Plattenläden, die auf Vinyl spezialisiert sind. Einen Markt gibt es also durchaus.
Treffpunkt für Musiknerds
Erfolg garantiert der neue Vinyl-Trend allerdings nicht, was man am Ende des Compact Disc Centers sehen kann, auch wenn sich dessen Konzept und Außenauftritt am Ende auch ein wenig überholt präsentierten. Muffler, Lissy und Dehno wollen deshalb mit einem ganz speziellen Konzept einen einzigartigen Plattenladen schaffen. Viel ist darüber noch nicht bekannt, Muffler betonte in Interviews im Vorfeld allerdings, dass der Laden auch als Treffpunkt für Musiknerds gedacht sei, der mit einem kuratierten Sortiment glänzen wolle.
Wenn man sich die Geschichte erfolgreicher Plattenläden in Deutschland wie Zardoz in Hamburg, Groove Attack in Köln oder Tactile in Frankfurt anschaut, sind es immer mehrere Faktoren, die einen Plattenladen erfolgreich zu machen scheinen: Eine gute Auswahl an großen und kleinen Releases, gerne auch aus eher abseitigen Genres, gute Preise und ein gewisser Ruf innerhalb der Musikszene. Auch an Online-Versandhandel scheint kein Weg mehr vorbei zu führen. Betrachtet man das Beispiel „Flight 13“, zeigt sich da jedoch auch ein großes Potential. Wenn die Kunden, wie jetzt während Corona, online einkaufen und die Wahl haben zwischen den großen Versandhändlern oder kleineren Platten-Mailordern, gibt es nicht wenige, die bei ähnlichen Preisen trotzdem lieber lokal vom Einzelhändler kaufen.
Der Social-Media-Auftritt des Plattenladen steht bereits. In kleinen Clips wird Vorfreude auf die baldige Eröffnung geschürt. Und alle Komponenten für einen erfolgreichen Start sind da. Muffler bringt die wirtschaftliche Erfahrung mit, Lissy und Dehno sind als Musikhandels-Veteranen sowieso eine Instanz in der Freiburger Vinyl-Szene. Es bleibt abzuwarten, welches Konzept das Trio letztlich für den Laden präsentieren wird und inwiefern das leidige Langzeitthema Corona die Eröffnung beeinflussen wird. Es wäre zu hoffen, dass der Plattenladen ein Erfolg wird und die Lücke teilweise wieder schließen wird.