Paukenschlag mit Ansage: Die Sparkasse Freiburg will sich aus der Finanzierung des neuen Stadtteils Dietenbach im Freiburger Westen zurückziehen. Dort soll Wohnraum für rund 15.000 Menschen entstehen. Die Frage ist, ob die Stadt das allein stemmen kann.
VON RUDI RASCHKE und KATHRIN ERMERT
Es war eine beachtliche Pressekonferenz, die Ende Juni im Freiburger Rathaus über die Bühne ging. Die Sparkasse gab bekannt, dass es möglicherweise ein zu großes Risiko darstelle, die Finanzierung, den Ankauf der Grundstücke und die Vermarktung in einem Milliardenprojekt zu stemmen. Die Stadt Freiburg zeigte sich dezent optimistisch, es auch im Alleingang hinzubekommen.
Ob die Sparkasse nun hinwirft oder hingeworfen wird, ist auch zwei Wochen nach dem kleinen Beben gar nicht so eindeutig. Im Rathaus-Umfeld sind durchaus Stimmen zu hören, die ein eher unrundes Arbeitsverhältnis zwischen der Stadt und der Bank in kommunaler (Verwaltungsratsvorsitzender ist Freiburgs OB Martin Horn) andeuten.
Die letzte Dietenbach-Pressekonferenz, die ebenfalls einen Sachstand zu den Planungen geben wollte und dann für größeres Aufsehen sorgte, fand im April vergangenen Jahres statt. Damals hatte die Sparkasse den Anlass genutzt, um ein Internetwerkzeug vorzustellen, das den Bedarf an Eigentum ermitteln sollte. Interessierte Bürger hätten sich anmelden können, um ihr Interesse an Wohnraumkäufen zu hinterlegen, noch bevor eine genaue Aufteilung der Bautypen vorlag. Bekanntlich sollen in Dietenbach 50 Prozent geförderter Wohnraum zur Miete entstehen, im Rathaus war man über den Web-Vorstoß fürs Eigentum wenig amüsiert.
Nicht zuletzt deshalb spricht Einiges dafür, dass die Bank eher mit etwas Nachhelfen über Bord ging, statt freiwillig zum Rettungsring gegriffen zu haben. Auch aus der Freiburger Architektenschaft ist zu hören, dass die Sparkasse, wenig überraschend, eher das Geschäft und das Risiko gesehen hatte, als sich auf die Bauvisionen eines klimaneutralen Stadtteils einzulassen. Der städtebauliche Entwurf setzt sich mit viel Grün aus sechs Einzelkiezen zusammen und versucht, den Bau klassischer Einfamilienhäusle aus Ressourcengründen zu vermeiden.
Der ambitionierte Versuch der Stadt: Ohne Investor oder Bank einen ökologisch noch anspruchsvolleren Neubau-Stadtteil als Freiburgs Vorzeigequartier Vauban hochzuziehen. Und dabei auf die Sparkasse zu verzichten, die eingestiegen war, weil die Stadt es eben nicht im Alleingang bewältigen wollte.
“Auf lange Sicht können wir es nicht mehr seriös bepreisen.”
Marcel Thimm, Vorstand Sparkasse Freiburg-nördlicher breisgau
Dabei spielt auch die Entwicklung bei den Baupreisen und Zinsen eine Rolle: „Auf die lange Sicht können wir es nicht mehr seriös bepreisen“, sagte Sparkassenvorstand Marcel Thimm bei der gemeinsamen Trennungs-Konferenz. Die sogenannte Abwendungsvereinbarung, die die Sparkasse mit der Stadt schließt, soll 20 Jahre gelten, bis die Entwicklung des neuen Stadtteils Dietenbach komplett abgeschlossen ist. Sie müsste also voraussehen, wie sich die Grundstückspreise entwickeln und sich einen entsprechenden Ausgleich von der Stadt zahlen lassen.
Etwa 108 Hektar Fläche sollen im Freiburger Westen für den neuen Stadtteil bebaut werden. Rund 80 Prozent davon gehörten privaten Eigentümern, die pro Quadratmeter 64 Euro erhielten. Vom Land gingen 17 Hektar an die Stadt, zum Quadratmeterpreis von 16,50 Euro, wie sie der Gutachterausschuss vorsieht. Vereinfacht ausgedrückt regelt die Abwendungsvereinbarung den Ausgleich zwischen diesem Wert und den vernünftigen 64 Euro, die an die privaten Besitzer bezahlt wurden. Auch die Infrastrukturkosten fließen laut Stadt in diesen Ausgleich hinein.
Ingmar Roth, von der Sparkasse bestellter Geschäftsführer der Entwicklungs-maßnahme Dietenbach (EMD), schätzte den Wert der Grundstücke auf rund 60 Millionen Euro. Das entspreche dem Quadratmeterpreis von 64 Euro für die über 80 Hektar. Zudem käme die EMD bis Ende 2023 auf Kosten in Höhe von etwa 11,5 Millionen Euro. Wie die Stadt den Kauf finanziert, wurde nicht thematisiert. Zudem ist die rechtliche Situation noch nicht geklärt. Noch seien keine Entscheidungen gefallen, betonte Baubürgermeister Martin Haag. Er drängt aber aufs Tempo, denn das Projekt komme gut voran. Bereits im Juli soll der erste von sechs Teilbebauungsplänen dem Gemeinderat als Entwurf vorliegen. Es geht dabei um Wohnraum für 3400 Menschen.
Entscheidend sind in den nächsten Monaten die Weichenstellungen an zwei Orten: Bei der Freiburger Stadtbau und im Gemeinderat. Bei der Stadtbau wird sich ab Januar mit Matthias Müller ein neuer Chef die Geschäftsführung mit Magdalena Szablewska teilen, Ralf Klausmann geht nach 23 Jahren an der Spitze in den Ruhestand.
Das ist deshalb nicht unerheblich, weil mit Müller der bisherige Leiter des Freiburger Rechtsamts den Posten in einem Haus übernimmt, dem er zuvor im Auftrag von Oberbürgermeister Martin Horn ein Konzept zur Neuausrichtung verpasst hat. Die grundlegende Frage war, wie die kommunale Gesellschaft mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen kann. Müller wird dem Unternehmen vermutlich auch eine Image-Neuaus-richtung verpassen müssen.
Denn obwohl die Stadtbau einiges stemmt in Sachen Wohnraum, hat sie mit Pannen bei Wohneigentum, Parkhäusern und Bädern ein Image, das an die eine oder andere Einrichtung in der deutschen Hauptstadt erinnert. Müller dagegen hat mit einem Standing zwischen Mahatma Gandhi und Andreas Voßkuhle sogar die Klagelust der SC-Anwohner im Freiburger Westen zum Erliegen gebracht. Jetzt sollte er neben dem internen Kulturwandel das kleine Wunder vollbringen, dass es möglich ist, einen Stadtteil mit viel Infrastruktur und ÖPNV zu einem Quadratmeterpreis zu entwickeln, der nicht ruinös für die Stadt ist. Weil einige Glieder der üblichen Spekulationskette ausgeknipst werden, ist dies trotz Zins- und Rohstoffproblemen durchaus denkbar.
Im Gemeinderat herrschen bei diesem Thema dagegen zwei gegensätzliche Haltungen, die der Stadtspitze gleichermaßen ins Handwerk pfuschen könnten: die einer bürgerlichen Minderheit, die Dietenbach lieber wieder mehr in der Hand von Banken und Bauträgern sähe statt einer „Infrastruktur auf Pump“, wie dies die FDP noch vor Beginn der Pressekonferenz kundgetan hat. Und ihr gegenüber die Positionen einer links-alternativen Mehrheit, die neben viel Ökologie vor allem die Quote des sozial geförderten Wohnraums mit 50 Prozent auf städtischem Boden verficht.
Bisher wenig zu hören in diesem Gremium: Ideen. Ideen, die es ermöglichen, dass viele Familien für wenig Geld hier Eigentum erwerben oder mieten können, damit sie nicht wegziehen und der Stadt erhalten bleiben. Sozial wäre das eben-falls. Ob es finanzierbar wäre, und wenn ja, durch wen? Das ist offener denn je.