Durch kluges Wachstum rund um das Thema Versicherungen hat es das Familienunternehmen „Südvers“ aus Au zu einer beachtlichen Größe gebracht. Und damit Antworten im Portfolio, die weit mehr als nur Policen- Management sind. Auch ein kluger Umgang mit der Digitalisierung gehört dazu.
Dass an der Adresse in Au im Freiburger Süden einmal ein großes Versicherungsmakler mit 435 Mitarbeitern arbeiten würde, hatte Manfred Karle damals vermutlich kaum geahnt: Vor etwas über 50 Jahren stieg er in die 1948 in Freiburg gegründete Agentur ein. Karle erinnert sich, dass es „so gut wie keine Versicherungsmakler im süddeutschen Raum gab“, als er mit gerade 23 Jahren ins kalte Wasser stieg. „Aber Mut hatte ich“, sagt der Senior der Firma, der das Unternehmen als Geschäftsführender Gesellschafter bis heute mit seinem Sohn Florian führt.
Manfred Karles Tochter Nina Hartmann hat ebenfalls Prokura. Es war ein radikal anderer Aufbruch als jener, mit dem Südvers 1989 dann ein internationales Netzwerk begründete: Karle senior erinnert sich an sein komplett analoges Geschäftsmodell – mit einem Renault 16, der Kofferaum als Aktenschrank, pendelte er damals zwischen den Niederlassungsorten Mannheim und Stuttgart. 18-Stunden-Tage seien die Regel gewesen, die Garderobe im Büro eines Bruders war die „Niederlassung“. In den 43 Jahren, die er nunmehr die Geschäftsführung ausübt, hat sich ein radikaler Wandel zugetragen.
Man kann ohne viel Übertreibung sagen, dass die Versicherungsbranche nicht uneitel ist und dort massiver Druck und ein Kampf um die besten Vertriebler herrscht. Konzentrationsprozesse führen heute zu Kündigungen ganzer Niederlassungen. Deshalb sei es wichtig gewesen, neben dem Verkäufer-Gespür immer auch ein „unternehmerisches Gen“ zu zeigen, sagt Manfred Karle. Die beste Beratungsleisung nützt wenig, wenn das „Große Ganze“ nicht im Blick behalten wird.
Dazu gehört für Sohn Florian und Tochter Nina eben auch eine aufwändige Ausbildungs- und Fachkräftearbeit: 10 Prozent beträgt die stattliche Ausbildungsquote im Haus. Zu den Versicherungskaufleuten im klassischen Berufsbild kommen aber auch Juristen, 18 sind es inzwischen und vor allem IT-Spezialisten. Südvers versteht sich als Business-to-Business-Anbieter für Versicherungen, weshalb sich am Standort Au ein recht großer, gleichwohl bei Endkunden nicht allzu sehr bekannter Betrieb etabliert hat.
Zu den großen Corporate-Kunden zählen Industrie und Handel, auch eine große TV-Anstalt ist dabei. Aber zur Hälfte tragen auch Mittelständler zum Umsatz bei. Bei den Großunternehmen wird dieser bereits zu 60 Prozent im Ausland getätigt. Mit dem 1989, 20 Jahre nach dem Start von Karle senior gegründeten „Worldwide Broker Network“ wurde eine Netzwerk-Idee umgesetzt, die der Globalisierung und Digitalisierung voraus war: Auf diese Weise arbeiten konzernunabhängige, inhabergeführte Versicherungsanbieter in über 100 Ländern zusammen.
Es gibt wohl kein Unternehmen im Raum Südbaden, das es sich wie Südvers um die Versorgungsthematik von Auslandsmitarbeitern eines Kunden mit Niederlassung in Burkina Faso kümmert. Oder um die Assekuranzen von Solarparks in Kasachstan. Die wichtigste Anforderung für Florian Karle im Falle von Schäden in zweistelliger Millionenhöhe: „Ruhe bewahren“, sagt der Mann, der in puncto Ähnlichkeit und trockenen Humors ein wenig an den ZDF-Satiriker Oliver Welke erinnert. Ruhe bewahren kann er deshalb, weil sein Netzwerk eben auch ermöglicht, dass in 24-Stunden ein Expertengremium rund um den Schadensfall aktiviert wird.
Unter den Industrie-Versicherungsmaklern zählt Südvers zu den zehn größten deutschen Adressen. An 13 Standorten in Deutschland (7) und Österreich (6) erwirtschaften 435 Mitarbeiter einen Umsatz, der zwischen einer Viertel- und einer halben Milliarde Euro liegt. Die betreute Prämiensumme beträgt 410 Millionen Euro. Vermutlich ahnt keiner, der am einstigen Gebäude der „www Woerlen Wirtschaftswerbung“ in Au vorbeifährt, in was für einer Größenordnung bei Südvers hier Versicherungsgeschäfte getätigt werden.
„Mein Vater ist mutiger, ich bin aktiver“, sagt Florian Karle über die Grund-Charakteriska der beiden männlichen Chefs im Unternehmen. Mit seiner Schwester Nina Hartmann, die als Juristin nach 20 Jahren Arbeit an Rechtsthemen und Stabsstellen ihre Tätigkeit jetzt noch einmal aufgestockt hat, kommt eine herzliche wie repräsentative Komponente hinzu. Ein mehr als gut funktionierender Familienbetrieb, bei dem die Generationen sich ergänzen. Die Zukunft sieht aktuell die Einstellung weiterer 40 Personen in diesem Jahr vor, mittelfristig könnten 700 Menschen für Südvers tätig sein.
Zur Gegenwart gehört aktuell, dass die Digitalisierung das beherrschende Thema ist. Mag der Schadensfall analog vor Ort behandelt werden – der große Vorteil sei, dass alle beteiligten Mitarbeiter digital den gleichen Sachstand zu Policen haben, sagt Florian Karle. Die weit größere Herausforderung, die bei Südvers rechtzeitig erkannt wurde, entsteht bei der Digitalisierung aber durch neue Arten von Schadensfällen: Das Thema Cyberkriminalität stellt neben Managementfehlern eine neue Aufgabe dar.
In Au und an den übrigen Standorten wird derzeit ein Fall pro Woche bearbeitet, in dem mit digitaler Hilfe Firmengeld veruntreut wurde. Für das Selbstverständnis des Hauses, das „Versichern“ und „Vertrauen“ als Kernthemen versteht, ein neuer Aspekt im Dienstleistungsspektrum. Aber auch einer, auf den das international ausgerichtete Leistungsangebot rechtzeitig eingestellt wurde. rr