Es gibt sie, die guten Beispiele für gelungene Stadtplanung, spannende Einzelhandelskonzepte und zukunftsfähige Innenstädte. Wenn auch außerhalb Südbadens: Vorbildliches gibt es vielerorts.
VON ANNA-LENA GRÖNER
Paris I
Es soll die größte Stadtfarm Europas werden. Auf dem Dach der Messehalle 6 der „Expo Porte de Versailles“, dem Pariser Messegelände im Südwesten ist in den vergangenen Jahren schon jetzt eine gigantische Rooftop-Farm von 14.000 Quadratmetern entstanden – wenn es gut läuft, soll der Garten auf 80.000 Quadratmeter, mehr als elf Fußballfelder, anwachsen.
Platz ist da. Frische Tomaten und Salat statt grauer Abluftanlagen und ungenutzter Flachdächer. Mit ausgeklügelter Bewässerungstechnik und platzsparenden vertikalen Gärten hat das französische Start-up Agripolis einen Stadtgarten geschaffen, mit dessen Produkten bald der ganze Südwesten der Stadt versorgt werden soll.
Ab 2022 könnte eine Tonne Obst und Gemüse pro Tag geerntet werden. Die Stadt engagiert dafür 22 Gärtner. Verkauft wird an Privatleute sowie umliegende Restaurants, Hotels und Supermärkte. Lange Transporte entfallen, das spart ordentlich CO2. Zudem können die Pariser insgesamt 140 kleine Parzellen zum Gärtnern anmieten, für 320 Euro im Jahr.
Die Hälfte des Mega-Dachgarten-Projektes wurde über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert, auch die Pariser Stadtverwaltung unterstützte bei der Finanzierung. Die Rooftop-Farm ist nur ein Teil der „grünen Wende“, die die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo in ihrer Stadt vorantreibt.
Auch den Autoverkehr verbannt sie bis 2022 peu à peu aus dem Zentrum der französischen Metropole. Die zentralen vier Bezirke sowie drei weitere Arrondissements werden zur Fahrverbotszone. Noch fahren hier täglich 180.000 Autos durch. Das frei gegebene Seine-Ufer, aber auch die Rue Rivoli mit zwei Fahrradspuren sind für Leute, die ein paar Jahre nicht in Paris waren, kaum wiederzuerkennen – auf positive Weise.
Vom autofreien Place d’Etoile rund um den Arc de Triomphe durften sich diesen Herbst die Besucher der Christo-Verhüllung verzücken lassen, nicht wenige davon aus Südbaden mit dem TGV angereist.
Barcelona
Ebenfalls einer ambitionierten Bürgermeisterin ist es zu verdanken, dass in Barcelona immer mehr Boulevards nach Rambla-Vorbild entstehen, breite Flaniermeilen für Fußgänger und Radwege: Ada Colau hat sich die Rückeroberung des öffentlichen Raums auf die Fahnen geschrieben und gestaltet seit 2017 immer mehr „Superblocks“.
Dabei werden Häuserblöcke zu autofreien Zonen zusammengefasst und es entstehen Inseln mit Spielplätzen und Sitzgelegenheiten. Seither wurden in der beliebten spanischen Touristenstadt 30.000 Quadratmeter mehr Platz für Fußgänger geschaffen, 20 Kilometer Radwege erschlossen und insgesamt 60 Nebenstraßen autofrei.
Colaus Parole: „Lasst uns die Straßen mit Leben füllen.“ Und ganz nebenbei damit den Handel stärken und die Verkehrswende vorantreiben. Die Klimaziele bringen auch die deutschen Städte in Zugzwang.
Köln/Berlin
Die große Eigelstein Straße in der nördlichen Kölner Altstadt ist seit September autofreie Zone, bis 2030 möchte man die ganze Innenstadt von lästigen KfZs befreien. In Berlin Mitte dürfen seit Sommer 2020 keine Autos mehr durch die zentrale Friedrichstraße fahren. Ein Abschnitt von gut 500 Metern wurde hier gesperrt. Der neu gewonnene Raum lockte in den warmen Monaten unter anderem Straßensportler, Skateboarder und junge Familien mit Kindern in die Ecke, die für diese Zielgruppe sonst aufgrund der Boutiquen weniger attraktiv ist.
Das kommt vor allem der Gastronomie und kleinen Läden zugute. Ende Oktober 2021 sollte wieder Schluss sein mit autofrei in Mitte, jetzt überlegt man in Berlin, das temporäre Projekt zum Dauerzustand zu machen und weitere verkehrsberuhigte Zonen anzustoßen.
Kopenhagen
Wie es richtig gut ohne Auto in der Innenstadt funktioniert, zeigt die Fahrradhauptstadt Kopenhagen. Bis 2025 möchte Dänemarks Hauptstadt weltweit die erste klimaneutrale Stadt werden und tritt dafür ordentlich in die Pedale. Über 1000 Kilometer Radwege, 200 Kilometer Radschnellwege und viele Radfahrbrücken machen das Umsteigen aufs Bike einfach.
Bezahlt wird die Rad- Infrastruktur von einem städtischen Jahresbudget von 13,5 Millionen Euro. Jeder zweite Kopenhagener radelt inzwischen durch die Innenstadt, weil’s einfacher, schneller und bequemer ist.
Paris II
Die französische Hauptstadt kann mit einem weiteren Projekt als Städte-Vorbild aufwarten: Die Stadtverwaltung hat die Initiative Samaest gegründet, um Einzelhandel-Immobilien im Stadtzentrum aufzukaufen und zu fairen Preisen an lokale Händler zu vermieten, deren Waren gut ins Quartier passen.
So möchte Paris vermeiden, dass große Filialisten überhandnehmen und den einzigartigen Einkaufsflair zerstören. Hunderte kleine Geschäfte konnten durch Samaest in den letzten Jahren an beliebten Adressen eröffnen. Wenn das Konzept aufgeht, haben die Ladenbesitzer nach ein paar Jahren die Möglichkeit, das Objekt der Stadt abzukaufen. So lohnt sich die Investition am Ende für alle Beteiligten.