Seine Geschichte ging bundesweit durch die Medien. Billal Aloge ist syrischer Kurde, seit zwanzig Jahren betreibt er arabische Restaurants in Freiburg. Als er ein israelisches Gericht auf die Karte nahm, erlebte er einen Ansturm antisemitisch motivierter Anfeindungen. Seine Reaktion: Statt nur eine Speise aus Israel anzubieten, eröffnete er ein ganzes israelisches Restaurant. Ein Gespräch über Hass, Hetze, Mut und Geld.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Celine Reinacher
Alles nur wegen Baba Ganoush. Hätte Billal Aloge vor gut einem Jahr, im März 2024, nicht das Auberginenmus auf die Karte genommen und es als „köstliche Spezialität aus Israel“ auf Facebook beworben, hieße sein neues Restaurant im Güterbahnhofareal nicht Jaffa, sondern Damasko’s, so wie seine anderen Läden auch. Denn die Räumlichkeiten, in denen sich seit Januar 2025 das Jaffa befindet und in die er gut eine Million Euro investierte, hatte Aloge schon vorher. Sein Plan war es eigentlich, eine weitere Filiale des erfolgreichen Damasko’s zu eröffnen.
Billal Aloge ist 48 Jahre alt. 1982 flüchtete er mit seinen Eltern aus Syrien, seit 1983 lebt er in Freiburg. Wie sich Diskriminierung anfühlt, weiß er. „Für einen Ausländer war es damals schwer, Abitur zu machen“, berichtet er, als wir uns im Jaffa zum Gespräch treffen. Billal Aloge trinkt Kaffee mit einem Schluck Milch, seine Frau Siham Al Hamad versorgt im Hintergrund die Gäste. Es ist 11.30 Uhr, es sind schon ein paar Leute da. „Für mich war es nicht einfach, mit meinem Aussehen, mit meinem Namen in Deutschland Fuß zu fassen.“ Seinen Weg ging er trotzdem, eröffnete vor 22 Jahren, als der Freiburger Stadtteil Rieselfeld gebaut wurde, seinen ersten Laden, einen Imbiss mit arabisch-syrischen Spezialitäten. Der lief gut. Anfang der 2010er-Jahre wurde daraus das erste Damasko’s, vor sechs Jahren schließlich das Restaurant am Europaplatz.
Billal Aloge hatte einen Nerv getroffen, die arabische Community kam gerne zu ihm. Er war einer von ihnen, das Fleisch halal (nach muslimischen Regeln produziert), die Speisen aus dem Nahen Osten, der Service herzlich. Auch Gäste aus der nahen jüdischen Gemeinde kamen regelmäßig. Es war ein normales, gutes Miteinander. Doch dann der Eklat: Kaum ging der Baba-Ganoush-Post online, stand das Telefon nicht mehr still. „Wir wurden angerufen, bedroht, beschimpft“, erzählt Billal Aloge und man sieht ihm jetzt noch die Erschütterung an. Die Fassade des Restaurants wurde mit Palästinaaufklebern zugepflastert. Sogar, nachdem er den Post gelöscht hatte, gingen Screenshots davon in arabischen Netzwerken viral, meint Aloge. „Man sagte mir am Telefon, ich solle mich öffentlich entschuldigen, ansonsten machen sie unser Restaurant platt.“ Der Boykott nahm ungeahnte Ausmaße an: Drei seiner Köche kündigten. Von jetzt auf gleich standen Billal Aloge und Siham Al Hamad quasi alleine da.




„Wir haben sehr, sehr viel Geld verloren. Der Umsatz brach um fast 90 Prozent ein“, erzählt der Gastronom, der erst vor wenigen Jahren das Damasko’s aufwendig erweitern ließ. Mehr als 500.000 Euro hatte er in den Umbau gesteckt. Dazu kommt die Miete. Allein am Europaplatz zahlt Billal Aloge nach eigenen Angaben circa 19.000 Euro, dazu 13.000 Euro im Rieselfeld. „Ich habe mir keine Gedanken gemacht. Das Damasko’s lief viele Jahre sehr erfolgreich, die Erweiterung war notwendig.“
Und dann standen Billal Aloge und seine Familie vor einem Scherbenhaufen. Keiner kam mehr, die Leute schrien ihn auf der Straße an, seine Frau wurde beleidigt und bespuckt, sein Sohn im Internet übel bedroht. Immer wieder zogen die Palästina-Demos absichtlich direkt an seinem Restaurant vorbei. Im Gegensatz zu den Deutschen versteht er die arabischen Parolen: „Das sind Hass-wörter. Das sind übelste Beschimpfungen und Beleidigungen, das hat nichts mit einem freien Palästina zu tun. Das ist purer Judenhass.“
Billal Aloge war fassungslos, er ist es immer noch: „Ich habe gewusst, dass es Antisemitismus gibt, aber ich habe nicht geahnt, wie schlimm es ist“, sagt er. Er beginnt sich zu wehren. Sein Leitsatz, er sagt ihn im Gespräch immer wieder: „Antisemitismus und Hass dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“ Kurz nach Beginn des Boykotts nahm er Kontakt zur jüdischen Gemeinde auf, er kennt die Vorsitzende Irina Katz. Ihr Sohn, ein studierter Jurist, half dem Gastronomen, rechtliche Schritte einzuleiten. Er ließ sich von der Polizei beraten, und er beginnt sich zu informieren: über Israel, übers Judentum, über den Krieg, über die Auswirkungen des 7. Oktobers. Er engagiert sich aktiv, tritt dem Bündnis gegen Antisemitismus bei. Aus Solidarität kamen viel mehr deutsche Gäste. „Wir haben unsere Stammgäste fast komplett ausgetauscht“, sagt Aloge. Das Damasko’s laufe zwar noch nicht so gut wie zuvor, aber er stehe auch nicht mehr vor dem Ruin.
„Die jüdische Gemeinde hat mich gerettet“, sagt er heute. „Wir wären pleite gegangen, wenn sie nicht begonnen hätten, ihre Veranstaltungen von uns catern zu lassen.“ Eine große Hochzeit, die Gedenkveranstaltungen zum 9. November, den Jahrestag des 7. Oktobers, Chanukka – immer gab es Essen von Aloge und seinem Team. Billal Aloge und seine Familie haben enge Bande zur jüdischen Gemeinde geknüpft, die Solidarität ist deutlich zu spüren. Bei der Chanukkafeier am Platz der Alten Synagoge im Dezember sprach seine Frau auf der Bühne über die Folgen des Shitstorms, zuvor hatte die jüdische Gemeinde bereits eine Chanukkakerze bei der Eröffnung des Jaffas gezündet.

Ein israelisches Restaurant ist nicht nur für Jüdinnen und Juden in Freiburg eine Bereicherung. Von überall her bekommt Billal Aloge Zuspruch. Neulich war das israelische Fernsehen da und der syrische Gastronom stand mit einem israelischen Starkoch am Herd. Auch der israelische Botschafter habe ihn angerufen. „Er hat gesagt, dass er es toll findet, was wir machen. Das macht mich sehr stolz“, berichtet Aloge gerührt.
Es ist ein Geben und Nehmen. Aloge besorgt zum Beispiel das koschere Fleisch für die jüdische Gemeinde. Dafür fährt er extra nach Straßburg. Im Jaffa ist das Fleisch koscher, die Küche aber nicht. Einen Koch aus Israel hat Aloge aber eingestellt. „Ich will ein Zeichen setzen“, sagt er und berichtet zum Abschluss des Gesprächs von einem Vorfall, der ihn lange beschäftigte. Er hatte bei einer Gedenkveranstaltung der jüdischen Gemeinde zum Jahrestag des Hamasangriffs auf Israel zwei Juden kennengelernt und sie zu sich ins Damasko‘s eingeladen. „Als wir auf die Straße traten, haben beide ihre Kippa bedeckt“, erzählt Aloge. „So, als wäre es ganz normal, dass man nicht mit Kippa in der Öffentlichkeit unterwegs sein kann. Ich finde das fürchterlich.“ Er weiß: Dass er und seine Familie wegen eines Posts über eine israelische Speise so viel Hass abbekommen, ist nur die kleine Seite der Geschichte. Die größere: Wie viel muss erst die jüdische Gemeinschaft aushalten?
1 comments
Lieber Billal Aloge, großen Respekt. Das nenne ich Zivilcourage. Als Rieselfelder hast du unseren Stadtteil seit so vielen Jahren mit deinem Restaurant bereichert. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und bedanke mich für dein Einstehen gegen Hass, der sich leider immer mehr in Deutschland verbreitet.