Wenn man sich in Unternehmen in Besprechungen bewegt, hört man immer wieder Formulierungen wie: „Bleiben Sie sachlich“ oder „das Persönliche sollte hier außen vor bleiben“. Und in Coachings mit Führungskräften kommt zum Vorschein, dass auch bezüglich des Kommunikations-Verhaltens zwischen Beruf und Privat stark getrennt wird. „Eigentlich bin ich ja ganz anders, aber im Job….“.
Diese Trennung ist sicherlich gesund, wenn es darum geht, abzuschalten und damit die Sorgen von der Arbeit nicht in den Feierabend und das Wochenende mitzunehmen. Wer mit Smartphone oder Laptop arbeitet, weiß wie schwer das sein kann. Und man kann nur uneingeschränkt bestärken, sich eigene Auszeiten zu schaffen.
Aber welchen Sinn hat es, mich auf Arbeit wirklich anders zu verhalten als in meinem Privatleben? Dann nicht mehr das zu sagen, was mir auf dem Herzen liegt? Sich zurückzuhalten, bei dem was man in einer Situation denkt oder fühlt?
Wenn man hier auf Spurensuche geht, werden in neun von zehn Fällen „schlechte Erfahrungen“ angeführt. Wobei diese Beispiele oftmals a) sehr lange zurück liegen und b) aus zweiter Hand sind. Man kennt dann jemand, bei dem e soundso war…vielleicht leben wir auch das nach, was unsere Eltern vorgelebt haben?
Aber: Hat sich die Arbeitswelt nicht inzwischen radikal verändert? Passen noch die alten Zerrbilder, die wir vom Job und von Vorgesetzten haben? Oder schreiben wir selbst unbewusst die Geschichte fort, wenn wir aus unserem Herzen eine Mördergrube machen?
Der überforderte Chef
So mancher Chef fachsimpelte früher doch lieber stundenlang über technische Details anstatt sich mit dem Seelenleben seiner Mitarbeiter auseinander zu setzen. Will ich das überhaupt hören? Wie gehe ich dann mit den privaten Problemen um, für die ich keine Lösung habe? Und da war es nun mal bequem, gleich das ganze Thema auszuklammern.
Aber spätestens seit wir nicht mehr nebeneinander an Maschinen stehen, sondern uns bei der Arbeit gegenübersitzen, rückt das Thema Kommunikation mehr und mehr in den betrieblichen Werkzeugkasten. Bis dahin, dass diese Softskills, in manchen Branchen inzwischen als Kernkompetenz zählen.
Vielleicht ist es auch noch dem steigenden Frauen-Anteil auf Mitarbeiter- wie auf Vorgesetzten-Seite zu verdanken, dass diese Facette nun auch immer selbstverständlicher unser Arbeitsleben bereichert. Und sich auch weibliche Führungskräfte manchmal leichter tun, sich emotional in das Gegenüber hinein zu versetzen. Aber auch die empathischen Fähigkeiten bei den Männern haben in den letzten Jahren sicherlich zugenommen. Zumindest ist die subjektive Wahrnehmung, dass die Alphatiere und das entsprechende Gockelgehabe auf dem Rückzug sind.
Keine Kommunikation ohne Emotion.
Jeder kennt vermutlich den Klassiker von Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Das ist das erste von seinen fünf Axiomen, mit denen Watzlawick ein Fundament für die Kommunikationswissenschaft gesetzt hat.
Und Friedemann Schulz von Thun, ein deutscher Kommunikationspsychologe, hat es mit den vier Seiten einer Nachricht beziehungsweise mit seinem Kommunikationsmodell (vier Ohren) wirklich gut greifbar gemacht. Jede Nachricht hat eine Sachebene, Beziehungsebene, Selbstoffenbarung und einen Appell-Charakter. Das führt manchmal dazu, dass bei dem Empfänger eben nicht das ankommt, was vom Absender beabsichtigt war.
Zuhause erleben wir das vielleicht immer wieder einmal in der Partnerschaft oder im familiären Kontext. Nur wenn wir glauben, dass wir im Business-Kontext nur über die Sachebene sprechen müssen, dann kann halt passieren, dass die restlichen Dreiviertel der Nachricht für ein Kuddelmuddel sorgen.
Konkrete Beispiele gefällig? Mich hat wieder einmal niemand informiert. Warum muss ich immer das Papier beim Drucker nachlegen? Das stand doch in der Mail. Ich hatte Dir gestern schon eine WhatsApp dazu geschrieben? In Kommunikationstrainings hat man meistens den Effekt, dass mit zunehmender Vertiefung das Thema scheinbar immer komplizierter wird. Und am Ende manche Teilnehmer denken, dann lieber nicht mehr kommunizieren, wenn es so missverständlich ist 😉
Da ist es hilfreich, auch immer wieder den Blick fürs Ganze herzustellen, in 90 Prozent der Fälle klappt die Kommunikation „selbstverständlich“ und tadellos. Die Wissenschaft soll ja nur dabei helfen, die kniffligen Fälle zu verstehen.
Leider ist es nur so, dass diese Ausnahmen teilweise alles andere überstrahlen und uns länger beschäftigen, als sie sollten. Oder sogar: Unnötig sind, da es ein Missverständnis ist.
Empfehlenswert: Spurensuche.
Eine dankbare Fundgrube ist hier die E-Mail-Kommunikation. Es gibt dort keine nonverbale Kommunikation – keine Stimme, keinen Gesichtsausdruck und kein Zucken. Was dann erst einmal geschrieben ist, hat für viele eine andere Bedeutung als das gesprochene Wort. Und: Wieviele zusätzlichen Beziehungsebenen werden angesprochen, wenn dann noch vier weitere Personen im cc mitlesen? Mit der einen Mail ist es dann selbstverständlich eh nicht erledigt. Und die Mail-Festspiele können ungebremst ihren Lauf nehmen!
Wer möchte, kann ja die nächsten Wochen sich mal in seinem Arbeitsumfeld umschauen bzw. umhören. Welche Situationen berühren mich? Wo „fasst“ mich etwas an? Wie gehe ich selbst damit um? Welchen Anteil habe ich selbst daran? Oder manchen fällt es auch leichter, diese Themen zuerst bei anderen als sich selbst zu bemerken. Viel Spaß damit!
Udo Möbes ist selbstständiger Berater, Trainer und Business-Coach und betreibt seit 2015 mit seiner Frau Ulrike Peter das Seminarhaus „Saiger Lounge“ im Schwarzwald. Er begleitet Change-Prozesse in Unternehmen und coacht Geschäftsführer-Teams oder einzelne Führungskräfte. Für das Digital-Unternehmen Virtual Identity mit 180 Mitarbeitern in Freiburg, München und Wien war er zuvor 16 Jahre lang an der Spitze tätig, davor arbeitete er 11 Jahre für die Haufe Mediengruppe. Udo Möbes gibt an dieser Stelle regelmäßig seine Erfahrungen mit Coaching-Themen an unsere Leser weiter.
Mehr von Udo Möbes unter www.moebes.de