Soll sich die Wirtschaft politisch positionieren und für eine offene Gesellschaft einsetzen? Darüber diskutierten Andrea Kurz von Jobrad, Ex-Fußballtrainer Christian Streich und der Unternehmer Bert Sutter.
Text: Christine Weis
30. Januar: 15.000 Menschen demonstrierten am frühen Abend auf dem Freiburger Platz der Alten Synagoge unter dem Motto „Brandmauer verteidigen – keine Zusammenarbeit mit Faschist*innen“. Der Auslöser für den Protest war die Abstimmung einen Tag zuvor im Bundestag über einen Antrag der CDU/CSU zur Verschärfung der Migrationspolitik, der mit den Stimmen der AfD angenommen wurde. Darin sahen viele Menschen eine Gefährdung der Demokratie. Am selben Abend ging es beim Talk „SymbadischDemokratisch“ in dem mit 200 Leuten vollbesetzten Schaltwerk auf dem Jobrad-Campus ebenfalls um Demokratie und darum, was die Wirtschaft für den Erhalt einer freiheitlichen Gesellschaft tun kann. Der ehemalige Cheftrainer vom SC Freiburg, Christian Streich, äußerte sich deutlich zur aktuellen Situation: „Alle, die sich als Demokraten fühlen, müssen jetzt auf die Straße gehen.“
„Alle, die sich als Demokraten fühlen, müssen jetzt auf die Straße gehen.“ – Christian Streich, ehemals Chefcoach SC Freiburg
Die Journalistin Yara Hoffmann moderierte die Runde und wollte zunächst von ihren Gästen wissen, was Demokratie für sie bedeutet. Andrea Kurz, Geschäftsführerin von Jobrad beschrieb Demokratie als Privileg in Freiheit leben und an politischen Entscheidungen teilhaben zu können. Politische Entscheidungen seien oft Kompromisse, die auch im beruflichen Kontext notwendig seien, um gute Lösungen zu finden. Bert Sutter, Geschäftsführer des gleichnamigen Medizintechnikunternehmens aus Emmendingen und Präsident des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden (WVIB), sagte: „Demokratie ist für mich die gesellschaftliche Ausdrucksform von Freiheit.“ Christian Streich antwortete nachdenklich: „Demokratie ist eine schwierig umzusetzende politische Ordnung, die wir aufrechterhalten müssen.“
„Da rüttelt etwas an unsererfreiheitlichen Grundordnung, dagegen müssen wir auch als Unternehmen etwas tun.“— Andrea Kurz, Geschäftsführerin Jobrad
Konsens war, dass sich Unternehmen wie Führungskräfte positionieren und engagieren sollten. Hoffmann wollte wissen, wie die konkret umgesetzt werde. Andrea Kurz berichtete, dass Jobrad sich vormals politisch für das Fahrrad und eine nachhaltige Mobilitätswende engagiere. Doch nach den Ergebnissen der Correctiv-Recherchen über Treffen von rechtsextremem Kreisen, sei ihnen klar geworden: „Da rüttelt etwas an unserer freiheitlichen Grundordnung, dagegen müssen wir auch als Unternehmen etwas tun.“ Vor der Europawahl habe man die Mitarbeitenden dazu aufgerufen, wählen zu gehen und ihre Stimme einer demokratischen Partei zu geben. Jobrad stehe für demokratische Werte wie Vielfalt, Offenheit und Toleranz – sowohl nach innen wie nach außen. Diese Werte, betonte sie, seien auch aus wirtschaftlicher Sicht wichtig: „Wir sind auf Fachkräfte aus dem Ausland und auf freie Grenzen in Europa für Menschen und Güter angewiesen.“



Demokratie ist für mich die gesellschaftliche Ausdrucksform von Freiheit.“ – Bert Sutter, Geschäftsführer Sutter Medizintechnik
Bert Sutter erinnerte an die Kampagne „Einigkeit, Recht, Freiheit“, die der WVIB im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahlen sowie anlässlich des 75. Jahrestag des Grundgesetzes im vergangenen Jahr gestartet hatte. Dazu plakatierten Firmen öffentlichkeitswirksam die Außenwände mit dem Slogan und es gab Veranstaltungen, die viel Aufmerksamkeit erzeugten. Für Sutter sind respektvolle Diskussionen in der politischen Auseinandersetzung unverzichtbar. Der Austausch und das Gespräch seien ihm auch im eigenen Unternehmen wichtig. Er berichtete von dem internen Format „Frühstück mit BSU“ (BSU ist sein internes Kürzel), das regelmäßig mit einzelnen Mitarbeitenden stattfinde. So habe er schon mit der halben Belegschaft gefrühstückt. Auch gesellschaftlich brauche es mehr Plattformen, auf denen Menschen zusammenkommen – zum Beispiel Vereine. Zudem plädierte der Unternehmer für mehr politische Bildung, wobei er dies nicht als primäre Aufgabe der Unternehmen sieht: „Hier sollten wir unsere Rolle nicht überdehnen.“
Fakten statt Fakes
Politische Bildung ist auch Christian Streich ein Anliegen. „80 Prozent der politischen Bildung von Jugendlichen läuft heute übers Internet“, sagte er. Es sei wesentlich, den Unterschied zwischen Fakten und Fake News erkennen zu können – dafür brauche es mehr Schulung und Aufklärung. „Menschen, die die Demokratie abschaffen wollen, beherrschen nämlich diese digitalen Werkzeuge“, warnte Streich. Er warf an dem Abend auch einen sorgenvollen Blick in die USA, insbesondere auf die Zusammenarbeit autoritärer Kräfte in Politik und Wirtschaft, etwa in den großen Tech-Konzernen. Als Beispiel nannte er Meta-Chef Mark Zuckerberg, dem es um Macht und Geld, aber nicht um Diversität, Vielfalt oder Solidarität ginge.
Streich führte in diesem Zusammenhang ein mahnendes Beispiel aus der deutschen Geschichte an: Der Industrielle und Medienmogul Alfred Hugenberg verhalf den rechtsorientierten Kräften in der Weimarer Republik zur Macht. Auf diese Weise appellierte Streich an das Geschichtsbewusstsein und die Lehren, die aus der Historie zu ziehen seien.