Sogenannte Pop-Up-Stores zählen zu den Innenstadt-Neulingen der letzten zehn Jahre. Doch was steckt hinter dem aus den USA kommenden Trend? Und wie nachhaltig ist er?
VON MAXIMILIAN HESS
Blickt man in deutsche Metropolen, fallen sie neben den obligatorischen Malls und Mega-Kaufhäusern immer mehr ins Auge: Selbst Amazon betrieb 2018 für einige Tage einen Pop-Up-Store in Berlin. Und die Bundeswehr hat dieses Jahr in Erfurt einen Pop-Up-Store eröffnet – mit Karriere-Lounge für potenzielle Rekruten. Pop-up-Stores sind mit dem Attribut „cool“ assoziiert.
Ein Pop-Up-Store ist im Grunde nichts anderes als ein Laden aus dem Nichts. Seine begrenzte Existenz verleiht ihm als Werbeeffekt den Event-Charakter. Manchmal ist so ein Store nicht von einem regulären Einzelhandelsgeschäft zu unterschieden, manchmal ist er mehr Showroom als Verkaufsraum. Die Kreativität in der Ausgestaltung kennt keine Grenzen. Ebenso vielfältig ist die Art eines Unternehmens, das einen Pop-Up-Store betreibt. Neben Weltmarken sind es vor allem Start-Ups aus der Mode- und Kreativbranche, die Pop-Up-Stores betreiben.
Pop-Up-Stores sind Werbung für die Innenstädte
Wieso das so ist, weiß Anton Würmlin, Gründer des Freiburger Modelabels Freiburgs Finest Streetwear und aktuell Betreiber des Pop-Up-Stores in der Schusterstraße in Freiburgs Altstadt. Für ihn ist der Erfolg eines Pop-Up-Stores nicht an die Branche gekoppelt: „Ich glaube, es kommt am Ende immer auf das Produkt an, es muss zur dortigen Zielgruppe, die das Ladenlokal passiert, einfach passen.“
Anders als bei klassischen Einzelhandelsgeschäften bemisst sich der Erfolg eines Pop-Ups nicht direkt an Verkaufszahlen, schließlich geht es in erster Linie um Aufmerksamkeit und Werbung. Natürlich drücken sich diese Effekte idealerweise mittelfristig sehr wohl Umsätzen aus, klar erkennbar sind sie zumindest anfangs nicht. Der Erfolg eines Pop-Up-Stores definiert sich so gesehen mehr an Likes, Klickzahlen oder Berichterstattung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Pop-Up-Stores, neben der Aufmerksamkeit für Produkte vor allem auch Werbung für ihre entsprechenden Locations treiben. „Ich denke es wäre auf jeden Fall ein wichtiger Schritt, die Innenstädte wieder individueller zu gestalten.” sagt Anton Würmlin über die Schaffung neuer Pop-Up-Stores. Das Pop-Up als Werbung für die Innenstädte. Diese Wirkung ist auch der Stadt Freiburg nicht entgangen.
Am 19. November hat in der Rathausgasse in Freiburg ein neuer Pop-up-Store eröffnet. Bis Ende Dezember soll dieser Raum bieten für Freiburger Künstler, Start-Ups und Kreative. Initiiert und umgesetzt wird das Ganze von der FWTM (Freiburger Wirtschaft, Touristik und Messe). Es ist nicht der erste seiner Art in Freiburg, nicht mal der erste, den die FWTM initiiert hat. Die FWTM bemüht sich seit längerem, junge Kreative präsent und idealerweise innerstädtisch in Szene zu setzen. So soll der Verödung der Innenstadt entgegengewirkt werden.
Besser Pop-Up-Store statt Leerstand
Die Entwicklung ist nicht neu: Einzelhändler, oft mit großer Handelstradition, brechen angesichts von Online-Handel und Preisdruck zusammen und müssen schließen. Die Pandemie ist ein Katalysator dieser Entwicklung. Gerade erst hat mit dem Modehaus Kaiser eine echte Instanz in Freiburg die Schließung angekündigt. Was in den Räumlichkeiten folgt. steht in den Sternen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass auf solche Traditionsunternehmen oft eher Franchise-Ketten in der Innenstadt folgen. Und das ist noch die bessere Variante. Leere Fensterfronten sind schlecht für die Attraktivität der Innenstadt. Deshalb handelt die FWTM und setzt dabei auch auf Pop-Up-Stores. Die Schaffung des neuesten Stores in der Rathausgasse zeigt, dass man die Entwicklung dabei als durchaus positiv wahrnimmt. Natürich stellt sich die Frage, ob ein städtisches Unternehmen 12 Händler und Kunsthandwerker zusammensuchen muss, um einem privaten Vermieter die Lokalität zu bespielen.
Pop-Up-Store eine kaufmännische Innovation für die Zukunft?
Positiv bewertet Anton Würmlin das Projekt. Gerade für ihn war ein klassisches Einzelhandelsgeschäft keine Option.
„Das Risiko an meiner jetzigen Lage wäre mir zu hoch gewesen. Durch den Pop-Up-Store konnte ich kostenlos 3 Wochen testen, wie sich die Marke in einer 1B Lage etabliert und es hat super funktioniert. Deshalb habe ich die Schusterstraße 25 nach dem Projekt fest angemietet und wir führen dort seit Mitte November unseren Freiburgs Finest Flagship Store. Das Projekt Pop-Up Store der FWTM war ein voller Erfolg.“
Anton Würmlin , Pop-up store Freiburg Finest
Pop-Up-Stores sind, gerade im Freiburger Kontext, mehr Symptom eines Wandels als echte kaufmännische Innovation. Die geförderten Projekte der FWTM samt all der Kreativen, die mit tollen Ideen in die geschaffenen Räume drängen: Sie zeigen vor allem, wie groß der Wandel in der Konsumkultur bereits ist und noch werden wird. Für Freiburgs Finest und Anton Würmlin ist der Pop-Up-Store eher eine Ergänzung zum Online-Shop als eine elementare Stütze des Vertriebskonzepts. Online-Verkauf steht, gerade bei der jungen Zielgruppe des Unternehmens, deutlich im Mittelpunkt. Für eine nicht mehr elementare Stütze des eigenen Firmenkonzepts ist die Miete für reguläre Ladenflächen in Freiburg zu hoch. Ein solches Einzelhandelsgeschäft wäre gerade für eine schlechte Zeit ein finanzieller Klotz am Bein, der für kleine Unternehmen eine existenzielle Gefahr darstellen könnte.
Ist also die subventionierte Lösung mit den Pop-Up-Stores eine langfristige Strategie? Ein Weg der Stadt, lokale Firmen gegen jede finanzielle Vernunft ins Stadtbild zu integrieren? Es ist eher eine größere Entwicklung, in der sich die Pop-Up-Stores integrieren. Egal ob Mietpreis-Entwicklung in Innenstädten, Wandel des Konsumverhaltens, der globale Konkurrenzkampf oder der noch relativ neue Trend zurück zum lokalen Gefertigtem: Der Einzelhandel, so wie er war, wird sich weiterentwickeln. Pessimisten sprechen vom Aussterben, andere von Veränderung. Die Pop-Up-Stores, egal ob in Freiburg oder Berlin, egal ob von Amazon oder einem lokalen Kleinstunternehmen betrieben, zeigen dennoch deutlich, dass sich die Akteure aus Politik und Handel der Entwicklungen bewusst sind. Und dass sie nicht bereit sind, die Innenstädte aussterben zu lassen.