Das Möbelhaus Seipp Wohnen kann als Beispiel für eine gelungene Nachfolge in einer Großfamilie gesehen werden. Vier Brüder haben das Unternehmen an vier ihrer Kinder übergeben. Mit dem Eintritt von Sophia Seipp, der ersten Frau an der Spitze, schließt sich ein Übergabeprozess nach rund 20 Jahren ab.
VON SUSANNE MAERZ
„Die Ausstellung ist bunter und moderner geworden“, sagt Jochen Seipp beim Gang durch das Möbelhaus seiner Familie in Tiengen. Er zeigt hochwertige Stücke aus Kollektionen renommierter Designer, die seine Cousine Sophia arrangiert hat. Vor zwei Jahren ist die Innenarchitektin als vierte Geschäftsführerin zu ihren drei Cousins gestoßen. Zugleich hat sie den Platz ihres Vater Claus Seipp in der Führungsriege eingenommen.
Ins Unternehmen war die 30-Jährige bereits im Jahr 2017 eingestiegen, als ihr Vater aus gesundheitlichen Gründen früher als geplant in den Ruhestand gehen musste. Dass sie ihm einmal nachfolgen würde, stand länger im Raum. Allerdings waren ein späterer Zeitpunkt und eine längere Übergangsfrist geplant gewesen. Aus den vorgesehenen zwei Jahren wurden zwei Monate – und Sophia Seipp musste zu Beginn parallel noch ihren alten Job in einem Einrichtungshaus in München zu Ende bringen.
Steuerberater moderiert Übergabeprozess
Die meisten rechtlichen, steuerlichen sowie personellen Entscheidungen waren damals bereits getroffen, lief doch der gesamte Übergabeprozess von der dritten auf die vierte Generation bereits seit den 1990er-Jahren. Damals führten die Brüder Roland, Horst, Albert und Claus gemeinsam das Familienunternehmen, das sie von ihrem Vater übernommen hatten. In Familienkonferenzen kamen die Vertreter der beiden Generationen alle fünf Jahre zusammen. Dabei mussten sich die potenziellen Nachfolger regelmäßig äußern, ob sie einmal ihren Vätern an der Firmenspitze nachfolgen wollten.
Den gesamten Prozess moderierte der Steuerberater der Familie. „Er hatte den Blick von außen und war ohne Emotionen dabei“, erinnert sich Jochen Seipp, ein Vertreter der jüngsten Generation. Geholfen habe auch, dass der Umgang in der Familie miteinander von jeher von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägt sei. „Das Wohl der Firma stand immer im Vordergrund“, sagt Jochen Seipp. Deren Fortbestand ebenso. „Aber es gab nie Druck, wir durften den Weg gehen, den wir wollten“, betont Sophia Seipp.
Erst Erfahrung auswärts sammeln
Die beiden Ältesten der neun Cousins und Cousinen, Volker und Jochen Seipp, heute 48 und 46 Jahre alt, sagten bereits in den 1990er-Jahren zu. Für sie war es eigentlich schon immer klar, dass sie das ihnen von klein auf vertraute Familienunternehmen einmal weiterführen wollten, sagt Jochen Seipp. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Martin sagte ein paar Jahre später zu. Der Wunsch und Wille der drei jungen Männer bedeutete aber nicht, dass sie damit automatisch zu Geschäftsführern auserkoren wurden, wie Jochen Seipp erklärt:
„Sohn zu sein, reicht nicht. Wir mussten auch zeigen, dass wir es können.“
Jochen Seipp
Alle drei, so beschloss die Familie, sollten zuerst außerhalb von Waldshut-Tiengen Erfahrung sammeln, dann im Unternehmen alle Bereiche wie ein Trainee durchlaufen – und erst danach, wenn sie sich bewiesen hatten, in die Geschäftsführung einsteigen.
Im Jahr 2009 lösten schließlich Volker, Jochen und Martin ihre Väter beziehungsweise Onkel Roland, Horst und Albert Seipp als Geschäftsführer ab, um das Unternehmen die nächsten Jahre erstmal gemeinsam mit ihrem Onkel Claus zu führen. Dass dieser den Übergang in der Geschäftsführung begleiten sollte, hatte die Familie ebenfalls gemeinsam beschlossen. Sophia und ihre Geschwister waren damals noch zu jung, um schon ins Unternehmen einzusteigen.
Drei Standorte, unterschiedliche Aufgaben
Der Ursprung der Seipp Wohnen GmbH liegt im Jahr 1902. Damals gründete Carl Seipp in Hessen eine Sattlerei und Polsterei. 1930 zog er in die Region und eröffnete in Singen das Möbelhaus Carl Seipp. Sein Sohn Erich verlegte das Unternehmen in den 1950er-Jahren in den Landkreis Waldshut. Den heutigen Standort in Waldshut, der über eine Ausstellungsfläche von 1500 Quadratmetern verfügt, gibt es seit 1961. Das Einrichtungshaus in Tiengen ist mit 8000 Quadratmetern Ausstellungsfläche inklusive Gartenmöbelausstellung, Hochregellager, Verwaltung und Logistik der größte Standort von Seipp Wohnen. Der dritte und kleinste ist das Bulthaup-Küchenstudio in Konstanz. Die Seipps beschäftigen 140 Mitarbeiter. Darunter sind 20 Schreiner, die bei den Kunden aufbauen. Die Mehrheit der Kunden kommt aus der Schweiz, was der Familie Seipp gute Geschäfte, aber auch großen bürokratischen Aufwand beschert.
Für diesen wie für Finanzen, Controlling und die technische Auslieferung ist seit 2009 der Diplom-Kaufmann Jochen Seipp zuständig. Sein Cousin Martin Seipp, ebenfalls Diplom-Kaufmann, verantwortet Personal, Marketing, IT und das Küchenstudio in Singen. Möbelfachwirt Volker ist der Vertriebschef und kümmert sich um die Ausstellung des Hauses in Waldshut. Sophia Seipp verantwortet, wie bereits ihr Vater, die Ausstellung in Tiengen.
Jeder hat eigene Stärken und Aufgaben
Kurz nachdem sie ins Unternehmen eingestiegen war, wurde das Haus in Tiengen bei laufendem Betrieb nach und nach komplett umgebaut und die Ausstellung komplett erneuert. „Sophia musste gleich ins kalte Wasser springen und schwimmen lernen“, sagt Jochen Seipp. „Das hat sie super gemacht.“ Sie modernisierte nicht nur die Ausstellung, sondern ergänzte sie auch um ein Café für die Kunden. Die Idee dazu hatte die Familie schon länger. Sophia Seipp setzte sie schließlich um.
Sie ist zugleich die erste Frau in der Geschäftsführung in der 120-jährigen Geschichte des Unternehmens. „Sie ergänzt uns perfekt und ist für uns ein Glücksfall“, sagt Jochen Seipp. Es läuft gut zu viert – darin sind sich Jochen und Sophia Seipp einig. Ihr Rezept haben sie sich von den Vätern abgeschaut: „Jeder hat seinen eigenen Aufgabenbereich, in dem er stark ist“, sagt Sophia Seipp.
Alle wichtigen Entscheidungen treffen die vier gemeinsam. Dafür gibt es regelmäßige Treffen mit Tagesordnung und Protokoll. Die Mitschriebe erhalten auch die Väter und Onkel, die nach wie vor Anteile am Unternehmen halten. Wenn etwas nicht in ihrem Sinne ist, können sie intervenieren. Das haben sie aber noch nie getan.