Der Stadtplaner und Architekt Bernd Fahle sieht in der Neu-Gestaltung des Platzes der Alten Synagoge die Chance für einen neuen Innenstadt-Mittelpunkt in Freiburg.
Von Rudi Raschke
Der neu gestaltete Platz der Alten Synagoge zwischen Freiburgs Uni und dem Stadttheater kann bereits im August in Betrieb genommen werden, Monate vor der ursprünglich geplanten Fertigstellung. Die zuständigen Baubehörden schwärmen nach jahrelangen, erbitterten Debatten von der Qualität der neuen Mitte.
Wie sieht ein unabhängiger Experte das Ergebnis?
Der Platz lässt sich bereits jetzt von unterschiedlichen Blickwinkeln aus gut betrachten, es gibt auch sehr vielfältige Perspektiven auf das Ergebnis: Eine Steinwüste ohne gastronomische Nutzung, die als Gesamt-ensemble mit dem Theatervorplatz durch eine Straßenbahnlinie zerschnitten wird – wird das künftig gut angenommen?
Ja, sagt Bernd Fahle, mit seinem Büro fsp einer der Grandseigneurs der hiesigen Stadtplanung und in einer Frühphase auch Teilnehmer des Wettbewerbs. Fahle hat sich in seiner ganzen Laufbahn mit der Qualität öffentlicher Orte beschäftigt und dies auch immer wieder bei eigenen Tagungen zum Thema gemacht. Von ihm erfuhren Teilnehmer viel über Klassiker der Stadtplanung wie Jane Jacobs, aber auch neue Beiträge zum Thema wie „Städte für Menschen“ von Jan Gehl.
Fahle hat sich die fast fertige Baustelle mit den Augen des Stadtplaners, aber auch des Bürgers angeschaut. Sein erster Eindruck: „Der Platz tut der Stadt gut“. Er bringe in seiner Weite etwas Großstädtisches nach Freiburg, was gerade bei der umgebenden Kleinteiligkeit der Altstadt sein großes Plus darstelle.
„Dieser Raum hat Kraft“ sagt Fahle über seine Begehung, er bringe die wichtigen Gebäude, die ihn begrenzen (das Stadttheater, die Uni, auch die moderne Universitätsbibliothek) zu einer weit besseren Präsentation als die undefinierte Wiese, die dort vorher an einige Park- und Radabstellplätze grenzte.
Zugleich wirke der Platz aufgeräumt, sagt Fahle über die Fläche aus hellem Granit, die an den Rändern ein üppiges Sitz- und Schattenangebot bietet, in der Mitte aber puristisch angelegt ist – wenn auch mit Wasserspielen für den Sommer ausgestattet und einer weiteren Wasserfläche, die in den Umrissen der alten Synagoge zum Erinnern anregt.
Welche Rolle spielt aber die Straßenbahn-Linie, die den Platz zerschneidet? Sie ist das Ergebnis eines Bürgerentscheids von 1999, in dem eine schlechte Beteiligung für das Verfehlen des Quorums sorgte. Daher wurde der Wunsch von unter anderem der VAG nach einer neuen Linienführung zur Entlastung des Bertoldsbrunnens Wirklichkeit. Keine Störung, sagt Fahle, eher eine Belebung, weil die Bahn von zwei offenen Seiten des Platzes her Menschen zum Platz bringt. Die Attraktivität käme auch über den ÖPNV zustande.
Der Stadtplaner sieht eine erfolgsversprechende Umsäumung des Platzes, auf der „die Leute wie Vögel auf der Leitung sitzen werden“. Auch ohne Gastronomie-Angebot (von einer Mehrheit des Freiburger Gemeinderats wegen vermeintlichen „Kommerzes“ und Anwohnerfrust im angrenzenden Sedan-Quartier verworfen) werde er angenommen. Es werden Bürger in allen Richtungen auf den Platz strömen und ihn sich möglicherweise bei Konzerten, Kundgebungen und anderem zu eigen machen.
Vielleicht komme es auch zu Picknick-artigen Situationen, wie sie Fahle in Kopenhagen auch auf steinernen Plätzen erlebt hat. Die Gestaltqualität mit großflächigem Stein könne hierfür eine gute Grundlage bieten, der Platz lebe aber auch von den Bildungsangeboten, die ihn umgeben und den vielen Menschen, die sie nutzen. Auf diese Weise habe er auch das Zeug, der neue Treffpunkt für Verabredungen zu werden, quasi eine neue Mittelpunkt-Stecknadel auf dem Stadtplan, glaubt Fahle.
Der Anfang August fertig gestellte und dann eingeweihte Platz der Alten Synagoge hat vermutlich viele Menschen in der Stadt Nerven gekostet, und das über Jahrzehnte, erste Debatten um die Neuanlage fanden im Jahr 1997 statt. Die Siegerentwürfe von Faktor Grün und Volker Rosenstiel durchlitten harte Diskussionen – unter anderem den Vorwurf, die Stadt würde einen Backofen installieren, weil sie auf eine Trampelwiese verzichtet. Am Ende gab es vier Überarbeitungsstufen (Fahle sieht darin keine Verschlimmbesserung, sondern eine Steigerung der Akzeptanz) und große Leserbrief-Schlachten, als die Moderation sogar schon abgeschlossen und Einigungen in Sicht waren.
Für den Experten hat sich die Mühe gelohnt, der Platz täte der Stadt nicht nur gut, wiederholt Fahle – „das Risiko, dass dieser Ort ‚verödet‘ genannt wird, ist sehr gering.“