Das Frei.Mobil-Angebot der Stadt Freiburg und der VAG kommt auch nach einem Jahr nicht ins Rollen. Trotz 315.000 Euro Projekt-Volumen.
Von Rudi Raschke und Katharina Müller
Als „Quantensprung“ und „großen Schritt“ wurde Frei.Mobil 2016 eingeführt, eine Informationsplattform der Stadtverwaltung und der Freiburger Verkehrs AG (VAG). Ein Jahr nach dem Start bleibt die Frage nach der Wirkung des Angebots.
„Von Lttwlr nach Zhrgn. Freiburg kürzt ab.“ So wirbt die Online-Plattform „Frei.Mobil“ auf großflächigen Leuchtplakaten und gesponserten Fahrrad-Rikschas. Gemeint sind Littenweiler und Zähringen, von einem Stadtteil in den anderen. Wie funktioniert die Suche denn in der Praxis, was für Vorschläge macht Frei.Mobil für diese Strecke? Und gibt es einen Mehrwert, der eine eigene Regio-Navigation rechtfertigt?
Seit einem Jahr ist freimobil.com nun online, nach eigenen Angaben in der noch unfertigen „beta-Version“, der Praxistest bestätigt dies: Die Seite freimobil.com wird über den Browser des Smartphones aufgerufen, sie existiert nicht als App. In zwei Suchfeldern gibt man den innerstädtischen Start- (Littenweiler) und Zielpunkt (Zähringen) ein. Angezeigt werden drei Möglichkeiten: Bus und Bahn, Carsharing oder auch Taxi, sowie Radverkehr. Es gibt keine Echtzeit-Ortung und keine Echtzeit-Navigation, wie sie etwa von Google Maps bekannt sind.
Zu sehen ist die Fahrtzeit des jeweiligen Verkehrsmittels. Wer das umweltfreundliche Carsharing wählt, sucht vergeblich, ob ein Fahrzeug in Littenweiler überhaupt aktuell verfügbar ist. Angezeigt wird hingegen eine ausführliche Routen-Beschreibung in Textform. Nach gleichem Muster sind auch die Informationen zu der Route mit dem Fahrrad aufgebaut. Bei Bus und Bahn werden jene Verbindungen angezeigt, die man deutlich besser dargestellt auf der normalen VAG-Seite bekommt. Noch dazu gibt es diese als mobile App.
Dabei haben sich die Stadtverwaltung und die Freiburger Verkehrs AG das Angebot bereits einiges kosten lassen. Nach Auskunft der VAG hat die Stadt den Start finanziert, die VAG übernimmt die Personalkosten. Insgesamt wurden für die Website schwer nachvollziehbare 315.000 Euro ausgegeben, 115.000 davon für die Werbung mit den kryptischen Stadtteil-Abkürzungen. Finanziert wurde es aus der Konzessionsabgabe der badenova. Personell sind 1,5 Stellen bei der VAG im Frei.Mobil-Angebot tätig.
Die Frage ist, ob ein solcher Betrag sinnvoll angelegt ist, wenn es nur um die Geste einer digitalen Verknüpfung von Rad, Mietwagen und Bus und Bahn geht. Und wenn die Bestellung eines Carsharing-Fahrzeugs mittels Handy und viele andere der guten Service-Leistungen des Anbieters „Grüne Flotte“ in der Website gar nicht integriert sind. Ein roter Kasten weist die Nutzer darauf hin, dass die Suche ausschließlich im Freiburger Stadtgebiet möglich ist. Wer vor die Tore Freiburgs ins wenig fern anmutende Au bei Wittnau fahren möchte, braucht andere Web-Services.
Über die Akzeptanz der Website schweigen sich Stadt und VAG gemeinsam aus. Die Frage an die Stadt, ob das Geld aus ihrer Sicht gut angelegt sei und dies den Vorstellungen der Verkehrsplaner an „Smart City“-Angebote entspreche, bleibt unbeantwortet. Man verweist darauf, dass es auch um die Schaffung einer Dachmarke gegangen sei und weitere Aktivitäten, vor allem für Neubürger das Thema auf die Agenda bringen sollen. Die Frage nach Zugriffszahlen der Website streicht die VAG in ihrer Mail-Antwort wenig souverän durch. Immerhin werden 1600 Mitglieder genannt, die die kostenlose Frei.Mobil-Karte für die Rabatte beantragt haben. Auf Facebook finden sich dagegen gerade einmal Likes von 88 Personen. Mit dem Weihnachtsbaum als Gruß vom 23.12. endet dort vorläufig die redaktionelle Information für die überschaubare Freundesschar.
Der Praxistest lässt offen, was jenseits des Repräsentativen das wirklich Smarte und Innovative an Frei.Mobil ist und wie es mit dem Projekt weiter geht. Die Presseabteilung der VAG antwortet auf die Frage, wie das Angebot in Zukunft aussehen wird, dass sie davon ausgeht, dass das Schlagwort „multimodale Mobilität“ zukünftig „sowohl in Städten wie auch auf dem Land an Bedeutung gewinnen wird.“ Konkret solle die „Routingfunktion beispielsweise durch Echtzeitangabe verbessert werden.“ Weiterer Kooperationspartner könnte das geplante Fahrrad-Verleih-System sein, dass dann ebenfalls unter das Frei.Mobil-Dach fiele.
Ob das Angebot tatsächlich zu einem „Quantensprung“ und „großen Schritt“ wird, zeigt sich möglicherweise noch. Momentan erscheint es aber fast so lückenhaft wie seine, um die Vokale bereinigte Werbung.
Dazu der Kommentar von Rudi Raschke:
Digitale Holzwege
In diesen Tagen wird viel über den massivsten Haushalt aller Zeiten für die Stadt Freiburg diskutiert: Was muss rein, was kann gespart werden, lässt sich ein Tanzfestival einsparen, wenn man dafür ein Ganzjahrestanzkonzept erhält (Grüne), hätte man auf die Sanierung des Augustinermuseums besser verzichtet, damit andere Infrastruktur-Maßnahmen besser gelaufen wären (Junges Freiburg), soll man sich ein teures Stadtjubiläum ersparen, während Kredite aufgenommen werden müssen (fast alle). Vor diesem Hintergrund mutet es eigenwillig an, dass 315.000 Euro für eine Website aufgewendet werden, die zwar ökologisch gute Absichten digitalisiert, aber ansonsten weder auf der Höhe der Zeit noch besonders funktionsfähig ist. Die Vorstellung, dass VAG und Stadt ein Freiburg-„Google Maps“ programmieren lassen, bei dem der Rest der Welt wegfällt und Autos nur als Carsharing oder Taxi stattfinden, ist eher possierlich als smart. Das wäre ok, wenn die Kosten nicht wären, für den die Gemeinderats-Fraktionen aktuell einige Anträge wüssten, die sie damit bewilligen könnten. Und wenn man in Freiburg nicht ab und an das Gefühl hätte, dass beim ökologischen Zweck manche Mittel recht sind (und bereit gestellt werden): So lange ist es jedenfalls nicht her, dass das Rathaus mit „Colibri“ für ebenfalls 300.000 Euro auf Klimaschutzziele aufmerksam machen wollte. Mit 400 übergroßen blauen Bällen, die es 2009 durchs grüne Städtle rollen ließ – schadstoff- wie schlagzeilenträchtig eingeflogen aus dem Herstellerland China.
Frei.Mobil: Teurer Service für die Öko-Mobilität
