Die alte Freiburger Stadthalle steht schon eine Weile leer. Mit einem Mal werden jede Menge Nutzungskonzepte diskutiert – manche könnten Wirtschaft und Kultur in der Stadt auf Vordermann bringen, manche sind von beachtlicher Schlichtheit.
VON RUDI RASCHKE
Die alte Stadthalle stammt aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. 2015 und 2016 diente sie als Unterkunft für Flüchtlinge, davor als Provisorium der Uni-Bibliothek während deren Neubaus. Bis zum Neubau der Messe mit der heutigen Sick-Arena Ende der 90er Jahre war die Halle ein Standort für robustere Konzerte, viele Südbadener haben dort ihr erstes Rock-Event vor bis zu 5000 Menschen erlebt, auch Klassik-Konzerte fanden dort statt.
Ein ikonisches Foto entstand, als sich vor dem fächerförmigen Haus der Studentenführer Rudi Dutschke 1968 mit dem liberalen Großdenker Ralf Dahrendorf stritt. Seit einer Weile steht sie leer, und es ist erstaunlich, dass es seitens der Stadt wenig Inspiration gab, sich Konzepte auszudenken, wie der Großbau im Osten der Stadt wieder zu Leben erweckt werden kann.
Das haben jetzt der örtliche Bürgerverein, vor allem aber potenzielle Nutzer, übernommen. Zu den Freiburg-typischen Vorschlägen für die Halle, die 70 Meter breit und an ihrer Vorderfront 80 Meter lang ist, gehören: Eine mobile Erlebniswelt namens „Fromobil“, die Museum und Radparcours mischen möchte; ein Indoor-Spielplatz, der die denkmalgeschützte Halle beansprucht; ein Museums-Panoptikum zu unterschiedlichen Themen rund ums Dreisamtal; eine Bühne für Kleinkunst – vermutlich, damit neben dem Westen („Südufer“) auch der Osten seine hoch zu subventionierende Spielstätte für museale Alternativkultur bekommt.
Zuletzt waren noch die Rektoren von Musikhochschule und Universität vorstellig geworden: Deren Forderungskatalog war entlang gewohnter Hochkultur-Evergreens komponiert: Es herrscht Raumnot aller Institutionen, es fehlten weiterhin Klassik-Spielstätten, das Ensemblehaus nebenan (2012 eröffnet) sei schon wieder zu klein, eine „innovative Musik-Kita“ wäre möglich. Und überhaupt könnte damit eine „Musik- Spange“ geschlossen werden – als wartete halb Freiburg nur darauf, dass dieses fehlende Kleinod die Kette komplettiert.
Für Anfang November solle ein Konzept vorgelegt werden, „… hoffen wir darauf, Bundes- und Landesmittel für dieses Projekt einwerben zu können“, schreibt Hans-Georg Kaiser vom Freiburger Barockorchester. Die Finanzierung wäre also erstmal bei der Stadt und der guten Hoffnung angesiedelt.
Ein Freiburger Filmstudio
Eher abseits des Rüttelns am öffentlichen Klingelbeutel sind vor allem zwei Nutzungskonzepte im Rennen, die durch die private Kreativwirtschaft finanziert werden könnten statt per Zuschuss: Am auffälligsten die Black Forest Studios von Nina Gwyn und Sebastian Weiland. Das Ehepaar ist im Freiburger Osten angesiedelt, aber als Filmproduzenten auch in der Filmszene von Los Angeles verdrahtet. Sie haben bereits einen Kundenstamm, mit dem sie hier arbeiten und planen, in den Black Forest Studios Kinofilme und TV-Serien zu produzieren.
Die Studios sollen als Kreativ-Plattform für Filmschaffende aus allen Bereichen zur Verfügung stehen. Dafür sind sie bereit zu investieren, wollen die Halle aber offen halten, auch für den Stadtteil, und nicht „auf Jahre verbauen“, wie Sebastian Weiland sein Konzept von Studioflächen in der alten Stadthalle erklärt.
Auch ausbildungsseitig könne hier etwas geschehen, sagt Nina Gwyn Weiland, die verhindern möchte, dass Freiburgs kreatives Talent weiterhin in die Großstädte abwandert. Vorgelegt haben sie eine knapp 40-seitige Präsentation, die unmissverständlich klar macht, dass hier laut Konzept ein „signifikanter Faktor für Wirtschaft, Kultur und Tourismus in der Region“ entstehen könnte.
Und dafür nicht nur den kommerziellen Teil der Filmwelt, sondern auch den ideellen aufbietet: Mit Sabine Rollberg, der einstigen Arte-Chefredakteurin, die aus der Region stammt, ist bereits eine Personalie für den Aufbau einer „Academy“ genannt.
Bitte keine Badische-Lösung
Die größte Gefahr für den Entwurf dürfte sein, dass er im Freiburger Gemeinderat zur „Badischen Lösung“ umgebastelt wird. Zu diesem gewohnten Kompromissmodell des kleinen Wurfs könnte hier gehören, dass den Black Forest Studios der Weilands noch ein Best-of der übrigen Vorschläge aufgebürdet wird – also ein Patchwork aus Filmwirtschaft, innovativer Musik-Kita, Stadtteiltreff samt Bühne und Liegefahrradmuseum.
Denkbar ist die vorerst noch als großer, durchaus international anmutender Wurf dastehende Studiogründung übrigens als Kooperation mit den Kreativen aus der Start-up-Welt des Freiburger Grünhofs und der Lokhalle. Die könnten sich vorstellen, beispielsweise bei der Belegung der Co-Working-Plätze an den Seiten der großen Studio-Flächen eine Rolle zu spielen in der alten Stadthalle.
Für filmnahe Kreativzweige (Autoren, Post-Produktion, auch Grafiker) könnte hier ein Netzwerk mit geteilten Arbeitsplätzen geschaffen werden. Die Weilands haben hierfür bereits Gespräche mit den Machern geführt.
Allerdings wird aus dem Grünhof aller Voraussicht nach auch ein größeres Modell als Gesamtkonzept an den Gemeinderat und die Dezernenten ausgesendet, bei dem die Stadthalle ausschließlich zum Treffpunkt für die Kreativwirtschaft- und Kultur werden könnte, dann ohne Black Forest Filmstudios. Es dürften die beiden anspruchsvollsten Konzepte für die Nachnutzung der alten Halle sein. Zeit, dass sich was dreht.