Die neue FWTM-Chefin Hanna Böhme hat sich Beachtliches vorgenommen: Die unterschiedlichen Interessen von Wirtschaft, Tourismus und
Messe mit der Bürgerschaft in Einklang zu bringen. In ihren ersten vier Monaten im Amt hat sie dabei mit Leichtigkeit gepunktet.
Von Rudi Raschke
Jeder kennt das: Der viel gepriesene „frische Wind“ hält irgendwo Einzug – und geht am besten gleich mit einem 100-Tage- Plan zu Werke, den er sich irgendwo im stillen Kämmerlein zurecht gelegt hat. Ob’s passt oder nicht. Im Unterschied dazu hat sich Hanna Böhme, als oberste Freiburg-Werberin seit Januar zuständig für die Geschicke der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM), andere Ziele gesteckt: Den Betrieb kennen lernen ist selbstverständlich, externe Partner treffen auch, aber große Ziele, Meilensteine und Leuchttürme zu skizzieren, hat sie in ihrem ersten Dritteljahr tunlichst vermieden. Und vielleicht wird gerade dadurch eine Linie deutlich, wie sie die FWTM führen wird. Beim Gespräch in ihrem Büro, das sich noch bis zum Umzug an die Messe in der Freiburger Rathausgasse befindet, sagt sie gleich zu Beginn, dass sie „Kommunikation und Wertschätzung“ als ihr internes Über-Thema betrachte, von dem sich fast alles ableite. Die Prozesse im Haus wie auch das Auftreten nach außen. Sie sei positiv beeindruckt gewesen von der 140-köpfigen Mitarbeiterschaft, die sie „glücklich aufgefangen“ habe: „Die Leute hier haben Lust auf Themen der Zukunft“. Der Begriff „Zukunft“ wird noch oft in diesem Gespräch fallen. Hanna Böhme belegt damit ihre Begeisterung für Veränderungen, aber tut dies fern von Aktionismus.
Innerhalb der FWTM stellt sie Fragen nach starren Strukturen gegenüber Agil- Teams, die unabhängig von Hierarchien die besten Ideen nach vorne bringen könnten. Sie reflektiert die veränderte Rolle der Arbeit auch für die hauseigene Generation Y („ich arbeite selbst wahnsinnig gern, es gibt aber noch mehr im Leben“) und wie die unverzichtbare Digitalisierung auch nach innen umgesetzt werden kann. Das alles in einer für sie neuen Erfahrung, nämlich an der Seite eines zweiten Geschäftsführer-Kollegen – Daniel Strowitzki, der bereits bei ihrem Vorgänger Bernd Dallmann vor allem für den Messeteil im FWTM-Kürzel zuständig war, aber eher im Hintergrund agierte. „Wir sind zwei. Punkt.“ sagt Böhme zu Fragen nach der Struktur und der Aufteilung an der Doppelspitze. Es gebe einen engen Austausch über die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche. Unter anderem auch darüber, mit welchem Leitbild künftig der Tourismus, die Wirtschaftsförderung, das Messe- und Kongresswesen gebündelt werden können. Hanna Böhme nennt es zuallererst „Für Freiburg“: Die Frage, wie etwas der Stadt helfe, stelle sie sich bei allen FWTMProjekten. Moderne Wirtschaftsförderung dürfe beispielsweise nicht nur an Firmen- Ansiedlungen denken, sondern innerhalb eines größeren städtischen Diskurses an die Nähe von Wohnen und Gewerbe. Wer nicht von langen Pendlerdistanzen geplagt ist, engagiere sich eben auch mehr für die Kommune oder das Vereinsleben, das sie hierzulande immer noch als einzigartig wahrnimmt.
Es geht für sie schlicht darum, „was Wirtschaftsförderung leisten kann, um den Menschen zu helfen“. Man kann das ganz Freiburg-like als „ganzheitlich“ bezeichnen. Auch wie sie Tourismus und Stadtgesellschaft in Einklang bringen möchte: Es gebe keine andere Wahl, als die Bewohner beim Fremdenverkehrskonzept mitzunehmen. Auch hier stellt sie die Frage „was ist gut für die Stadt?“ Dass die verbesserte Erschließung des Schlossbergs, wie im Tourismuskonzept vorgesehen, eben auch den Einheimischen zugute käme, ist für sie ein zentrales Beispiel. Daran anschließend komme eins zum anderen: Auch die Belebung von Gastronomie und Einzelhandel. Für den sie sich wünscht, dass auch wieder mehr Menschen aus dem Umland der Stadt ihn genießen können, wenn sie in der Stadt Einkaufsund Kulturerlebnisse finden. Wenn es darum geht, adäquate Konzepte für viele zu gestalten, sei der Aufbruch in ein „smartes“ Freiburg auch kein Widerspruch mit dem gemütlichen Image der Stadt. Sie selbst ist in ihre Geburtsstadt nach Aufgaben in Peking und Singapur mit einigen „wow“-Erkennntnissen zurück gekommen. Sie spricht davon, dass die Region natürlich „per Gottes Segen viele Vorteile“ habe, aber es sei eben auch besonders, was sie daraus mache: Die Stadt sei immer noch „Weltklasse“ im Bereich der klassischen Musik, auch die vielfältige Verlagsszene hat es ihr angetan, vor allem aber die Medizintechnik müsse sich nicht mehr vor Vorzeigeregionen wie Tuttlingen verstecken. Und bei der Aufzählung all dieser aha-Erlebnisse gibt sie nach rund 100 Tagen sogar zu, dass „ich noch viel zu wenig weiß“.
Hanna Böhme gibt dabei keinerlei Signale, dass sie sich von Bernd Dallmann abgrenzen will, sie lobt seine Verdienste bei der Installation und Führung der FWTM während 33 Jahren („er hat etwas aufgebaut, was nicht selbstverständlich ist“). Und doch ist von ihrer ersten Pressekonferenz an zu spüren, dass eine neue Generation und ein neuer Stil Einzug gehalten haben. Sie lässt die Abteilungsleiter auch öffentlich zu Wort kommen, sie besteht nicht auf Aufritten und Symbolen mit Boss-Status. Beim Gespräch in ihrem Büro zeigt sie sich selbst neugierig, macht eigene Notizen – übrigens nicht mit standesgemäßem Montblanc-Füller, sondern dem Einweg- Kuli eines Imbisses im Berliner Samariterkiez. An der Wand hinter ihr kleben Postit- Pyramiden, mit denen sie sich selbst einen Überblick verschafft über Gremien und Projekte. Denn die Zweckverbände- Welt der WRFs und ZRVs, die die Wirtschaftsförderung prägt, ist oft spröde und nicht leicht zu vermitteln. Dass sie, die zuvor 11 Jahre lang für die Landesbank LBBW in Peking und Singapur in verschiedenen Führungspositionen tätig war, bei den bisweilen langsamen Mühlen im Breisgau etwas Dynamik vermissen könnte, sieht sie nicht.
Ihrem Vorgänger hatte der Gemeinderat dem hauseigenen Tourismuskonzept noch eine Warteschleife von einem Extra-Dreivierteljahr beschert, aber selbst daran sieht sie das Positive: „Solche Diskussionen müssen stattfinden, wenn eine Stadtgesellschaft in knappen Ressourcen spannende Projekte finden will.“ Kommunikation und Wertschätzung: Sie spüre zwischen städtischen Gremien und ihrem Haus ein „sehr kollegiales“ Klima. Auch wenn nicht immer Meinungsgleichheit herrsche, sei die Grundhaltung doch von der Frage bestimmt, „wie wir zusammen arbeiten können.“ Und dann spricht sie noch ganz gelassen über ihre eigene Erfahrung mit Partizipation, was aufhorchen lässt: „Ich habe meine letzten zwei Stationen in Diktaturen verbracht.“ Von daher könne jeder hierzulande froh sein über die Möglichkeiten, die das demokratische Miteinander bietet und es nicht als mühsam empfinden. In diesem Sinne ermutige sie Leute aus der Wirtschaft und Geschäftsleute, sich bei der Gemeinderatswahl im kommenden Jahr zu engagieren oder selbst aufzustellen. Das alles sind spannende Impulse von außen, die fern vom sprichwörtlichen „frischen Wind“ oder den besonders gut kehrenden „neuen Besen“ auf Begeisterung in der Region stoßen dürften. Hanna Böhme ist dabei, wieder ein paar Fenster zu öffnen, etwas durchzulüften. Und dabei auch ein wenig die Sonne in den Laden reinzulassen.