Ein bisschen sehen die fünf Herren aus wie die Karikatur der jugendbewegten Szene der späten 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts. „Trau keinem über 30!“ hieß deren Devise und nun ein knappes halbes Jahrhundert später könnte man meinen, die fünf stünden für eine Bewegung unter dem Motto „Trau keinem unter 70!“ Die Rede ist von fünf ehemaligen Stadtplanern in Freiburg, Adalbert Häge, 72, Bernhard Utz, 73. Paul Bert, 82, Klaus Humpert, 85 sowie Wulf Daseking, 67. (Der Jüngste des Quintetts war bis 2012 Chef des Freiburger Stadtplanungsamts und ist jetzt Honorarprofessor an der Universität Freiburg).
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Die Feststellung ist sicher erlaubt: Sehr viel weiter hat die Initiative der Alt-Stadtplaner die Lösung der Freiburger Wohnungsbaupolitik offensichtlich auch nicht gebracht. Die Probleme bleiben die alten: bezahlbare Wohnungen in der Stadt bleiben rar, die Abwanderung gerade junger Familien aus der Mittelschicht in das Umland wird ungebrochen bleiben. Nur verändert sich allmählich die Situation. Gerade entlang der Verkehrsmagistralen der S-Bahn hat sich in den vergangenen Jahren der Siedlungsdruck immer weiter erhöht. Auch die Grundstückspreise im Umland befinden sich immer im Aufwärtstrend, auch wenn Fachleute mittlerweile eine Abflachung der Entwicklung konstatieren. Thomas Schmidt, Chef der sparkasseneigenen Immobiliengesellschaft hat sogar konstatiert, dass die Preise für Häuser und Wohnungen in Freiburg erstmals stagnierten, wenn auch auf sehr hohem Niveau. Trotzdem: Städte wie Breisach oder Waldkirch oder Emmendingen oder Bad Krozingen erleben Boomszenarien, wie sie vor wenigen Jahren nur in der Großstadt denkbar gewesen wären. Bad Krozingen zum Beispiel, vor Jahren eher ein Dorf mit einem kleinen Thermalbad, hat die 20.000-Einwohner-Grenze überschritten, der Ort am Rande des Markgräflerlands wird bald die erste Große Kreisstadt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sein. Vom Freiburger Umland wird also kaum Entlastung für die Großstadt kommen. Die Gemeinden haben schon ausreichend Mühe, ihre Eigenentwicklung einigermaßen so zu steuern, dass die Infrastruktur Schritt halten kann. In Breisach zum Beispiel sind in den vergangenen fünf Jahren auf dem Gebiet des früheren Militärgeländes neue Wohngebiete entstanden mit einer vierstelligen Zahl von Einwohnern – die Schulen platzen aus allen Nähten, der innerstädtische Verkehr kann kaum noch bewältigt werden, freilich auch wegen der vielen Franzosen, die nicht wegen des historischen Münsters, sondern eher wegen Aldi und Obi anreisen. Frei burg ist also dringend darauf angewiesen, nicht allzu sehr darauf zu bauen, dass aus dem näheren Umland schon Entlastung kommen wird. Und ins weitere Umland, wo man eher Einwohner sucht, will keiner ziehen – wo die Infrastruktur fehlt, fehlen auch die Bürger.
Wie der Druck aus dem Freiburger Kessel kommt? Die Antwort muss die Politik sehr rasch finden, auch in enger Abstimmung mit dem Umland. Eigentlich gehört Freiburg ja unter den Städten in Deutschland zu den Gewinnern, was ja schon die exorbitant hohen Wohnungspreise ausweisen – egal ob Miete oder Eigentum. Aber das kann kippen, wenn die Stadt langfristig nicht in der Lage ist, Wohnraum für die zu schaffen, die diese Stadt letzten Endes ausmachen. Bürger aus allen Schichten, nicht nur solche, die sich den Luxus Freiburg noch leisten können.
Jörg Hemmerich
Wohnungsbau: Es muss dringend gebaut werden. Nur wo?
