Am 29. Mai hat Christian Ramm, Chef der Freiburger Agentur für Arbeit, seinen letzten Arbeitstag. Der 66-Jährige verabschiedet sich nach sieben Jahren Geschäftsführung und über 40 Jahren als Angestellter der Bundesagentur in den Ruhestand. Vier Fragen zur größten Herausforderung seiner Karriere – und auf welche Erfolge er zurückblicken kann.
Sie verlassen Ihren Arbeitsplatz mitten in der Corona-Krise. Schwierige Zeiten, auch für die Agentur für Arbeit. Fällt es Ihnen schwer, in so einer Ausnahmesituation zu gehen?
Sicherlich habe ich mir meinen Abschied anders vorgestellt. Aber ich denke, dass die Situation auch ohne mich hier sehr gut gemeistert wird. Was ich wirklich schade finde, ist, dass ich mich von vielen Partnern, aber auch von den Kolleginnen und Kollegen nicht so verabschieden kann, wie ich mir das vorgestellt hatte. Aber so viele Menschen haben aktuell ganz andere Sorgen, da ist mein Abschied marginal.
In Ihren Jahren als Geschäftsführer mussten viele Herausforderungen gestemmt werden: Stichwort Fachkräftemangel, die Flüchtlingskrise und aktuell Corona. Was war bisher die schwierigste Aufgabe?
Was wir aktuell erleben, ist schon einmalig. Seit wir 1951 begonnen haben, Aufzeichnungen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit zu machen, hatten wir in einem Monat noch nie so einen großen Anstieg wie jetzt. Dieser Anstieg ist aber nur ein Teil der Krise. Noch im Oktober letzten Jahres hatten wir im Agenturbezirk 271.000 versicherungspflichtige Beschäftigte, ein absoluter Rekord. Jetzt haben wir etwa 80.000 Menschen, also fast ein Drittel, in Kurzarbeit.
Das ist eine enorme Herausforderung für uns als Agentur für Arbeit. Wir haben ein Team, das für vier Agenturen – in Freiburg, Offenburg, Villingen- Schwenningen und Lörrach – das Kurzarbeits- und Insolvenzgeld bearbeitet. In normalen Zeiten arbeiten hier 22 Vollzeitäquivalente, in der Corona-Hochzeit waren es 245. Was ich sehr positiv finde und worauf ich stolz bin, ist, dass wir die Situation sehr gut hinkriegen. Wir bekommen viele positive Rückmeldungen.
Wenn wir uns auf die positiven Dinge der letzten Jahre konzentrieren, worauf sind Sie besonders stolz?
Auf die gute Zusammenarbeit der drei Job-Center Freiburg, Landkreis Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald. Ich finde insgesamt die Zusammenarbeit mit den Partnern, seien das die Kammern, die Kommunen, die Verbände oder Gewerkschaften, läuft hier beispielhaft. Das ist nicht nur Selbstwahrnehmung, das bekommen wir tatsächlich auch von außen zu hören.
Dieser gute Ruf hat uns in vielen Bereichen geholfen. Ich war beispielsweise sehr froh, dass wir 2015 in Freiburg die erste Jugendberufsagentur in Baden-Württemberg eröffnet haben und mit dem Kompetenzcenter für Geflüchtete in der Berliner Allee und dem Zentrum Arbeit für Flüchtlinge (ZAF) in Emmendingen weitere hilfreiche Einrichtungen etablieren konnten. Ein weiterer Aspekt ist, dass es uns vor der Corona-Zeit sehr gut gelungen ist, die Langzeitarbeitslosigkeit nachhaltig zu reduzieren. Ich bin insgesamt mit allem, wie es hier so war und was wir mit den Partnern erreicht haben, sehr zufrieden.
Trotz dieser Erfolge haftet den Ämtern immer noch ein angestaubtes, oft negatives Image an. Wie blicken Sie zu Ihrem Abschied darauf?
Als Agenturberater habe ich früher oft die Frage gestellt, warum ein Arbeitgeber mit uns zusammenarbeiten sollte. Er hat nur einen Grund: Die Zusammenarbeit mit uns muss ihm etwas bringen. Das gleiche gilt für unsere Kunden. Wer Arbeitslosengeld beziehen möchte, der muss zu uns kommen. Meines Erachtens ist das aber immer eine schwere Situation. Jemand, der sich arbeitslos meldet, bekommt das Gefühl, er muss einer wildfremden Person ein Scheitern darstellen.
Obwohl es in vielen Fällen gar nicht das persönliche Scheitern, sondern vielleicht ein unternehmerischer Fehler war, der in die Arbeitslosigkeit geführt hat. Wir wollen den Arbeitgebern und -nehmern so gut und so schnell wir können helfen. Freiburg war außerdem in den letzten Jahren die Agentur für Arbeit mit den meisten Modellprojekten in der Bundesrepublik. Wir haben vieles einfach ausprobiert, auch für andere Agenturen.
Interview: Anna-Lena Gröner
Arbeitsmarkt im April
Durch die Corona-Krise ist die Arbeitslosigkeit im Bezirk der Freiburger Agentur für Arbeit deutlich angestiegen. 15.270 Männer und Frauen waren im April ohne Arbeit, das sind 2281 Personen mehr als im März. Die Arbeitslosenquote stieg somit um 0,6 Punkte auf 4,1 Prozent. In absoluten Zahlen ist das der größte Anstieg in einem Monat, soweit Aufzeichnungen zur Arbeitsmarktstatistik für den Bezirk vorliegen (Dezember 1951). Vor allem Menschen aus dem Handel und der Gastronomie sind betroffen. Die Kurzarbeit verhinderte einen deutlich stärkeren Anstieg der Arbeitslosenquote. Seit März wurden 80.092 Personen zur Kurzarbeit angemeldet. Im kommenden Monat könnte die Zahl der Arbeitslosen weiter ansteigen, da ausgesprochene Kündigungen aufgrund einzuhaltender Fristen erst im nächsten Statistikmonat wirksam werden.