Betty BBQ ist nicht nur Badens berühmteste Dragqueen, sondern auch erfolgreiche Unternehmerin mit 20 Angestellten. Beim Gespräch im urigen Gasthaus Löwen verrät „Freiburgs lebendige Sehenswürdigkeit“, wie es zur Kunstfigur kam und dass sie auch Lollo Lyoner hätte heißen können.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Santiago Fanego
Betty ist nur drei Minuten zu spät und entschuldigt sich überschwänglich. Wenn sie im Drag-Outfit durch die Stadt laufe, komme sie nicht weit. An jeder Ecke bleiben die Leute stehen, wollen ein Foto, einen Plausch oder einfach mal Hallo sagen. Kein Wunder: Wo sie geht und steht, fällt die 1,86 Meter große Dragqueen auf. Deshalb hält sie ihre zwei Leben strikt getrennt. Es gibt Betty BBQ, die Kunstfigur, ewige 28 Jahre alt. Markenzeichen: Bollenhut und Tracht. Und es gibt die Privatperson, über die in der Öffentlichkeit so gut wie nichts bekannt ist: weder Name noch Alter oder Aussehen. Daran feilt Betty seit Jahren, hat diverse Male Wikipedia juristisch dazu bewegt, entsprechende Infos zu entfernen.
Seit zwölf Jahren gibt es Betty BBQ. Zunächst war es ein Fastnachtskostüm – die Schwarzwälder Tracht eine Schnapslaune. Das kam so gut an, dass Betty innerhalb des ersten Jahres entschied, ihren Hauptberuf zu kündigen und die Auftritte zu professionalisieren. „Meine Karriere war kein Plan, ich bin da quasi reingerutscht“, erzählt sie. Zu Beginn war es alles andere als leicht. „Damals wollte kein Mensch im Businessbereich mit einer Dragqueen arbeiten.“ Sie begann mit kleineren Auftritten, arbeitete sich Schritt für Schritt nach oben. Erst kamen die Medien, dann die Unternehmen. „Ich habe sicher von dem Heimattrend profitiert. Auf einmal war der Schwarzwald cool“, sagt sie. Künstler wie Stefan Strumbel oder Sebastian Wehrle prägten den Trend, und auch Betty war gefragt wie nie.
Nach etwa zwei Jahren sagte sie spontan bei einem Interview: „Ach, vielleicht biete ich mal Stadtführungen an.“ Und plötzlich kamen die Anfragen: Narrenzünfte, Vereine, Feuerwehren und so weiter. „Im ersten Jahr habe ich mir ein Programm aus dem Rippen geschnitten, hatte 60 Stadtführungen – ganz ohne Ticketing, ohne Werbung, ohne feste Termine“, erzählt Betty. „Wir hatten so viel Spaß.“ Daraufhin gründete sie das Stadtführungsunternehmen Betty BBQ Travestie & Entertainment.
Heute arbeiten rund 20 Leute für sie. Es gibt historische Führungen, Rotlicht- und Kneipentouren, Weinwanderungen und mehr. 16 bis 20 öffentliche Termine sind es die Woche, dazu kommen exklusive Events für Firmen und Privatpersonen. Betty BBQ läuft wöchentlich rund acht Führungen selbst. Fast alle ausgebucht, etwa 45 bis 60 Teilnehmende sind es pro Tour. Das macht über 10.000 Gäste Jahr für Jahr, manche kommen nur ihretwegen in die Stadt. „Ich würde unverhohlen behaupten, es gibt einen Betty-BBQ-Tourismus in Freiburg“, sagt sie nicht ohne Stolz.
Daneben gibt sie Vorträge, ist offizielle Jubiläumsbotschafterin der Stadt Freiburg und arbeitet mit Firmen. Immer im Fokus: der regionale Bezug. „Das Konzept funktioniert nur hier“, da ist sich Betty sicher. „Mein Drag ist eine riesengroße Liebeserklärung an den Schwarzwald, an die Kultur, an das Essen, den Wein, die Menschen.“
Was sie von Anfang an verstanden hat: Drag ist ein Business. „Es ist ein Job im Entertainmentbereich, nicht mehr und nicht weniger“, betont sie. „Da brauchst du vor allem eins: Disziplin. Es gibt genug Platz. Die Chance hat jeder, sie zu nutzen ist aber hart.“ Betty hat es durchgezogen, ihre Aufritte vermarktet, Kooperationen gesucht, ein Unternehmen aufgebaut. Und sie hat sich selbst so lange verwaltet, bis sie sich ein eigenes Management leisten konnte, um nicht in Abhängigkeiten zu geraten. Das bleibt auch in der Branche nicht unbemerkt: „Olivia Jones (berühmte Kollegin aus Hamburg, Anm. der Red.) sagt immer, ich sei die spießigste Dragqueen der Welt.“
Etwa zwei Stunden dauert die Verwandlung. Dabei macht sie alles selbst, der Prozess gehört zur Dragkunst dazu. Wie es zum Namen kam: Lange vor ihrem ersten Auftritt scherzte sie mit Freunden bei einer Hochzeit, wie man als Dragqueen heißen könnte. Die Ideen waren Betty BBQ, Maggi Mett und Lollo Lyoner. Was schließlich übrig blieb, war Betty BBQ. „Bürgerlich Elisabeth Grill“, sagt sie.