Kein Fleisch, vegane Produkte und ethisch vertretbarer Konsum. Das ist der Lifestyle einer jungen Generation, VdU-Unternehmerin Miriam Brilla gründete deshalb ihr Unternehmen „boutique vegan“.
Von Katharina Müller
Es klingt fast, als müsse sie sich verteidigen, wenn Miriam Brilla erzählt, dass sie „eigentlich ganz normal“ in Bayern aufgewachsen sei. „Normal“ heißt mit Fleisch. „Mit Hacksn und Händl“. Sie spricht die Worte bewusst mit tiefer Stimme aus, imitiert den Oberpfälzer Dialekt.
Die 29-Jährige ist Mitglied beim Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) und Inhaberin eines Online-Shops namens „boutique vegan“ mit Sitz in Sasbach, zwischen Baden-Baden und Offenburg. Ihre eigene Einstellung wurde zum Programm: „Als ich entschied, vegan zu leben, musste ich mich mit plötzlich intensiver mit Produkten beschäftigen. Das war manchmal mühsam und ich merkte schnell, dass das Angebot im Netz meinen Ansprüchen nicht genügte.“
Stundenlang durchforstete sie das Internet, war auf der Suche nach Artikeln und nach Informationen über gefundene Produkte. Eine zeitintensive Suche – es sei oft nicht leicht gewesen vegane oder vegetarische, aber auch soziale und ethisch vertretbare Produkte zu finden und deren Herkunft nachzuvollziehen.
Letztlich, so sagt sie war das der Auslöser für die Idee, einfach selbst zu gründen und ein ausgewähltes Sortiment aufzubauen – um mit nur wenigen Mausklicks den Käufern alles zur Verfügung zu stellen. Je nach Bedarf können 16 verschiedene Filter-Kriterien bei der Suche angelegt werden, wie Glutenfrei, ohne Palmöl, umweltbewusst, recycelbar, etc. Insbesondere Veganern wollte sie es einfacher machen und die Suche nach Artikeln erleichtern.
Allüren bezüglich Ernährung hatte sie bis zu der Entscheidung, vegan zu leben, nie gehabt. Ihre Kindheit verbrachte Brilla nicht nur in Bayern, sondern auch in Bangkok, mit der Familie machte sie Station in Ghana und Nigeria. Ausschlaggebend für die Entscheidung, sich vegan zu ernähren, waren aber nicht die Erfahrungen im Ausland, sondern insbesondere auch ihre Bachelorarbeit zum Thema Gentechnik. „Mir wurde damals plötzlich klar, wie einiges miteinander zusammenhängt und vor allem, welche Rolle die Massentierhaltung spielt.“
Mit ihrem Studium im Bereich Hotel und Finanzen hatte Miriam Brilla den passenden Backround, das Gründen war realistisch: Der Standort Sasbach garantierte die Nähe zu Frankreich, als einer der größten Absatzmärkte, von der Ortenau aus gut erreichbar. 2013 ging der Shop mit rund tausend Artikeln online, heute sind es über 4.000 darunter Lebensmittel, Haushaltswaren, Tierbedarf und Kosmetik.
Mit ihrem Umsatz liegt sie im deutschlandweiten Trend: Der Brutto-Umsatz im E-Commerce stieg im Jahr 2016 mit 12,5 Prozent auf 52,74 Milliarden Euro, das sind 13 Prozent des gesamten Einzelhandelsvolumens. Das heißt, jeder achte Euro geht jetzt nicht mehr über die Ladenkassen, sondern wird im Internet ausgegeben. Auch bei Miriam Brilla stieg der Umsatz 2016 auf 1,3 Millionen Euro. Kunden seien größtenteils Frauen und die sorgen auch dafür, dass ihr Unternehmen rund 80 Prozent Wachstum jährlich verzeichnet. Dafür arbeiten 34 Mitarbeiter im Unternehmen, ein Teil davon in Vollzeit, einige Minijobber sind dabei und auch viele Mütter wie sie selbst eine ist.
Familiäre Unterstützung ist für die junge Gründerin und Mutter wichtig, aber auch, sich mit anderen Frauen über den Unternehmeralltag austauschen zu können, erst recht, wenn man selbst keiner Unternehmer-Familie entstamme. Dafür ist Miriam Brilla dem VdU beigetreten, Wirtschaftsthemen und Fragen zur Work-life-Balance will sie dort diskutieren. Lange habe sie nach einem geeigneten Frauen-Netzwerk Ausschau gehalten, bis sie in Karlsruhe auf einer Veranstaltung mit VdU-Unternehmerinnen in Kontakt trat. „Als alleinige Gesellschafterin brauche ich ab und zu Ratschläge von Anderen“, sie lege Wert auf Meinungen und Einschätzungen von Außenstehenden, beispielsweise bei Fragen zum eigenen Führungsstil und den Situationen, die der Alltag einer 29-jährigen Geschäftsführerin mit einem Startup mit Potenzial so mit sich bringt. „Es ist unglaublich wertvoll, sich bei Themen wie zum Beispiel Frauen-Gründungen mit Vorträgen zu engagieren“ – sie sieht das auch als Gelegenheit, sich selbst Mut zuzusprechen. Indem sie sich daran erinnert, warum und wie alles angefangen hat. Bei ihren Erklärungen fällt sie ins Englische: „Remember why you started. Du schaffst das, sage ich mir dann oft. Das ist eine Möglichkeit für mich, mein Selbstvertrauen weiter zu stärken.“
In einem Video für die soziale GLS-Bank präsentiert sie sich dann auch selbstbewusst, wirbt für ihre Idee als zukunftsweisendes Unternehmen und für ein Crowdfunding-Projekt. Anleger soll der Appell locken: „Jeder Euro ist ein Wahlzettel für die Welt von morgen, wo Kaufentscheidungen dazu beigetragen können, dass Geld sozialer zu kanalisieren“ – das sei auch ein Grund, warum sie gerne zügig weiterwachsen möchte. Sie sei auch im Gespräch mit Investoren.
Und sie erzählt: „Derzeit bremst uns leider die IT-Technik etwas aus. Gute technische Infrastruktur ist schwierig zu bekommen und auch teuer.“ Über ein Jahr habe sie einen geeigneten Programmierer für das Warenwirtschaftssystem gesucht, jetzt steht der Relaunch für den Shop kurz bevor. Auf die Frage, was das Ziel in Zukunft sei und wo das Unternehmen im Nischenbereich des veganen E-Commerce hinsteuere, sagt sie: boutique vegan solle Marktführer und Meinungsführer werden. Das klingt nach einem ehrgeizigen Ziel. Aber mit digitalem Marketing und dem Versprechen, die Welt mit richtig kanalisiertem Konsum ein bisschen besser machen zu können, ist das ein Weg, wie es gelingen könnte: Eine Marke etablieren, Vertrauen aufbauen und die Konsumenten überzeugen – Aspekte, die heute vielleicht mehr denn je zählen.
Boutique Vegan: Konsum korrekt kanalisieren
