Bürgermeisterwahl Neuenburg: Seltener Fall
Das will der aber nun nicht hinnehmen, weil – seiner Meinung nach – die Wahl so nicht gültig sei. Erster Vorwurf: Amtsinhaber Schuster habe nach Schließung der Wahllokale, aber vor der Verkündung des vorläufigen Ergebnisses das schon gekannt. Und, viel schwerwiegender, den städtischen IT’ lern war am Wahlnachmittag ein schwerer Lapsus passiert: von etwa 16.30 uhr bis ungefähr 17.05 Uhr erschien auf der offiziellen städtischen Homepage eine als „TEST“ gekennzeichnete Grafik, die (fiktive) Wahlergebnisse verkündete und vermeldete, dass es am 3. Mai zu einem zweiten Wahlgang kommen müsse, da keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erreicht habe.
Gutzweiler hat nun schon formell Einspruch beim Landratsamt erhoben, dem diese Panne bereits vorab von der Stadt Neuenburg mitgeteilt worden war. Beate Wörlein konsultierte einen Anwalt und ist noch unschlüssig, ob sie ebenfalls Einspruch einlegen solle. Da das offizielle amtliche Endergebnis erst am Freitag nach der Wahl verkündet worden ist und die Einspruchsfrist eine Woche beträgt, hat sie noch etwas Zeit, denn aufgrund des Maifeiertags kann sie auch noch am 04. Mai beim Landratsamt vorstellig werden. Dort ist man ratlos, ein solcher Fall sei bisher noch nicht passiert und man tut sich sichtlich schwer, wie stark eventuell diese falsche Internetinformation potentielle Wähler beeinflusst haben könnte. Wörlein meint ja und berichtet, dass sie auf dem Weg zum Rathaus von Bürgern zu ihrem Erfolg beglückwünscht worden sei, was sie einigermaßen irritierte, da ja die Wahllokale noch gar nicht geschlossen waren.
Manfred Kocher, Leiter des Stabsbereiches Koordination/Presse verweist auf den „TEST-Hinweis“ auf der irritierenden Seite und auf die Kommunalwahlordnung: „Nicht jeder Fehler führt zur Wahlwiederholung, denn nicht jeder ist relevant für das Ergebnis!“ Das mag sein, doch wie misst man diese „Relevanz“? Hinzu kommt, dass das Strafgesetzbuch im Paragraph 107 („Wahlfälschung“) eindeutig festlegt, dass es strafbar sei, wenn jemand das „Ergebnis einer Wahl unrichtig verkündet oder verkünden lässt“. Nach Auskunft eines Rechtsanwaltes träfe dies hier zu; tätig werden müsste aber die Staatsanwaltschaft erst auf eine Anzeige hin, die aber bisher, so Kocher, nicht vorliege.
Egal, wie nun die Entscheidung des Landratsamtes ausfällt, gegen diese Entscheidung ist ein Einspruch möglich: jeder betroffene Wähler kann dies tun, so er sich in seinen (Wahl-)Rechten verletzt fühlt. Was zu einer Klärung vor dem Verwaltungsgericht führen werde. Und, um das Kuddelmuddel vollständig zu machen: Ungeklärt ist auch, ob eventuell Regressforderungen der Wahlkämpfer für den zweiten Wahlgang, zulässig sind – denn der wurde ja durch die Fahrlässigkeit der Neuenburger Stadt-IT’ ler notwendig. Sollte dem so sein, weiß noch keiner, wer dafür geradestehen müsste… „Einen solchen Fall“, so sagt Manfred Kocher mit leisem Stöhnen, „hatten wir wirklich noch nie!“