Von Uli Homann
Badens Winzer erwarten einen von der Menge her durchschnittlichen Leseertrag in diesem Herbst und für den Jahrgang 2016 durchweg gute Qualitäten. Und das, obwohl das regnerische Wetter bis in den Juni hinein bis zur Blütezeit der Reben höchst problematisch war. „Die Winzer haben Glück gehabt“ lautete das Fazit des badischen Weinbaupräsidenten Kilian Schneider bei der gestrigen Herbstpressekonferenz seines Verbandes.
In der kommenden Woche wird die Weinlese in Baden auf breiter Front beginnen. Der Weinbauverband rechnet damit, dass in den Anbaugebieten zwischen Bodensee und Tauberfranken etwa 1,1 bis 1,2 Millionen Hektoliter Wein in die Keller geliefert werden, bei einem erhofften Ertrag von 75 – 80 Hektoliter pro Hektar. Dieses Erntevolumen entspricht in etwa der Menge, die auch 2015 eingelagert werden konnte.
Das nasse Frühjahr und die große Feuchtigkeit während der Rebblüte Mitte bis Ende Juni waren ein große Herausforderung für die Winzer. Ohne den entstandenen Pilzdruck wäre die Ernte größer ausgefallen. Statt alle zehn Tage mussten die Weinbauern alle acht Tage oder in noch kürzeren Zeitabständen mit Pflanzenschutzmitteln gegen den sich stark entwickelnden falschen Mehltau, den sogenannten Peronospera-Pilzbefall vorgehen. Der Mehltau auf dem Blattwerk hatte das gefährliche Potential, die Erntemenge stark zu reduzieren – Peronospera vermindert die Photosyntheseleistung und die wichtige Zuckerablagerung in den Beeren und kann den Totalausfall der Ernte in den Rebanlagen bewirken. Zuletzt war eine derartige Bedrohung durch den falschen Mehltau 1958 registriert worden. Damals setzten die Winzer heute verbotenes Kupfervitriol in solch einer Menge ein, „dass die Trauben und der Boden ganz blau gefärbt waren“, erinnert sich Gerhard Hurst, lange Jahre badischer Weinbaupräsident.
Starke Ertragseinbußen müssen in diesem Herbst viele Biowinzer hinnehmen, denen ein viel geringeres Pflanzenschutzarsenal als den herkömmlich arbeitenden Weinbauern zur Verfügung steht. So steht nach Angaben des Weinbauverbandes in Einzelfällen die Existenz manches biologisch ausgerichteten Betriebs auf dem Spiel. Immerhin wurde den Ökowinzern von der Bundesanstalt für Lebensmittel und Verbraucherschutz auf Betreiben des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums erlaubt, pro Hektar bis zu vier Kilogramm Kupfermittel zu spritzen. Eine Erhöhung auf die Gabe von bis zu sechs Kilogramm, wie in Frankreich und Italien zugelassen, war beantragt worden, wurde in Deutschland aber nicht genehmigt. In diesem Jahr traf die Ökowinzer besonders hart, dass die EU den Einsatz von Kaliumphosphonaten inzwischen untersagt hat, weil diese direkt wirkenden Mittel synthetisch hergestellt werden. Phosphonate ausnahmeweise einzusetzen, lehnte die zuständige EU-Behörde strikt ab, erläuterte Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauck bei der Pressekonferenz des Badischen Weinbauverbandes, der mit einem entsprechenden Antrag gescheitert war.
Im Anbaugebiet Bodensee, aber auch im Kraichgau und in Tauberfranken, kamen Frostschäden hinzu, die an den beiden letzten April-Wochenenden bei Temperaturen von bis zu minus drei Grad entstanden. Weinbau-Geschäftsführer Peter Wohlfarth konnte jetzt aber verkünden, dass die letzten idealen Wochen in den betroffenen Anlagen einen Nachwuchs ermöglichten, der immerhin noch etwa vierzig Prozent der üblichen Ernte hergeben wird.
Die Schädigung der Trauben durch die Kirschessigfliege, ein in den letzten Jahren neu hinzugekommenes Risiko, hätten die Winzer durch entsprechende Maßnahmen in den Weinbergen weitgehend verhindern können, hieß es auf der Pressekonferenz. Hilfreich dabei waren die hohen Tagestemperaturen der letzten Wochen – die Kirschessigfliege mag keine Hitze und Trockenheit. „Da wird sie flügellahm“ meinte Peter Schuster, Vizepräsident im Badischen Weinbauverband.
Der starke Regen am vergangenen Sonntag hat die letztlich gute Ausgangslage vor der Hauptlese nicht verschlechtert – im Gegenteil sorgt er dafür, dass die Beeren noch einmal an Größe zulegen und sich eine Erhöhung der mineralischen- und Extrakt-Werte ergibt. „Es war ein aufregendes Jahr“ resümierte Peter Wohlfarth und Peter Schuster beschrieb die Entwicklung so: „Vor zwei Monaten sah die Welt anders aus, die Gesichter waren sehr lang“, weil die Weinerzeuger wegen der Mehltau-Entwicklung mit gravierenden Ertragseinbußen rechneten, die sie jetzt nicht mehr befürchten. Bleibt der Wunsch, dass es nun trocken bleibt und kühle Nächte gibt.“ Peter Schuster: „Zu viel Feuchtigkeit tut jetzt nicht mehr gut“.