KW Soft ist ein Hidden Champion im Wortsinn. Kaum jemand sieht die Produkte des Freiburger Softwareunternehmens, das mehr als hundert Mitarbeitende zählt. Aber 75 Prozent der Menschen in Deutschland haben schon mal ein Papier in der Hand gehalten, zu dem ein Programm von KW Soft beiträgt.
Text: Kathrin Ermert • Fotos: Felix Groteloh
Die machen immer das gleiche. So oder so ähnlich muss es sich Klaus Jürgen Kühn Ende der Siebzigerjahre gedacht haben, wenn er Briefe von Versicherungen, Verwaltungen oder Banken las, die stets dieselben Textbausteine enthielten. Und weil der Mathematiker Programmiersprache beherrschte, entwickelte er eine Software, die diese wiederkehrenden Schreiben automatisierte. „Management der Büroarbeit“ nannte er das Textprogramm, kurz: M-Text, das sich zur Serie M weiterentwickelte. Ob wir seine Gedanken richtig wiedergeben, konnten wir Klaus Jürgen Kühn leider nicht mehr fragen: Der Gründer von KW Soft ist Ende November im Alter von 82 Jahren gestorben. Den großen Erfolg des Unternehmens, das er Mitte der Siebzigerjahre gemeinsam mit Rainer Weyh gestartet hatte, erlebte Kühn noch mit, ebenso wie die Schwierigkeiten, die es zwischendurch gab.
Kühn & Weyh war ursprünglich eine EDV-Beratung samt Softwareentwicklung und Computergeschäft. „Blechhandel“ nannten die Mitarbeitenden letztere Sparte, die früher im Erdgeschoss des Firmengebäudes in der Linnéstraße untergebracht war. In den Achtzigerjahren kauften viele Menschen aus Freiburg und Umgebung dort ihre ersten Computer. Nach dem Verkauf des Computervertriebs an den Konkurrenten Bechtle fokussierte sich Kühn & Weyh auf die Softwareentwicklung. Die erste Serie M kam 1980 auf den Markt und hatte schnell Erfolg. Viele große Versicherungen, Energieversorger und Finanzdienstleister nutzen die sogenannte Customer Communication Management Software für ihre Kundenkorrespondenz und erstellen damit klassische Briefe ebenso wie später E-Mails oder SMS. Die Referenzliste liest sich wie ein Who‘s who großer Banken und Versicherungen. Zu den namhaftesten Kunden zählen HUK Coburg, Techniker Krankenkasse und DAK.
Anwendertreffen als Happening
Ein Montagmittag im November: KW Soft, wie sich das Unternehmen nun umlautfrei nennt, um internationaler zu klingen, lädt zu seiner jährlichen Veranstaltung KW Con ein. Vor den bodentiefen Fenstern der Black Forest Studios in Kirchzarten breitet sich der Nebel aus, im großen Saal ist die Stimmung alles andere als grau. Fast 300 Gäste sind aus allen Teilen der Republik, Österreich, Tschechien und der Schweiz angereist. Sie haben gerade zu Mittag gegessen und warten nun gut gelaunt auf den Beginn des offiziellen Teils. Das Programm klingt für Außenseiter reichlich unspektakulär. Es geht um die Serie M, nach wie vor das wichtigste Produkt von KW Soft, dessen Weiterentwicklung in Sachen Cloud und KI, Barrierefreiheit und Kundenansprache (Du oder Sie?) sowie um Anwendungsbeispiele. Viele Kunden finden die Themen wohl relevant – sie zahlen, um dabei zu sein: Die KW Con ist ausverkauft.

Das liegt sicher am attraktiven Rahmenprogramm – leckeres Catering, gute Unterhaltung, attraktive Location – und auch am Spirit des Unternehmens. Statt auf Externe setzt KW Soft weitestgehend auf die eigenen Mitarbeitenden, von denen einige an diesem Tag echte Showqualität beweisen, allen voran der eloquente Moderator Oliver Schaarschmidt, der sonst für das Besetzungsmanagement im Consulting zuständig ist. Auch die Consultants Frank Schrader, Andreas Haubold und Ingo Heinrich schaffen es, das Publikum kurzweilig zu unterhalten und scheinen sich auf der Bühne wohlzufühlen.
Die KW Con in dieser Form gibt es nun das dritte Mal, früher hieß das Format Expertentag. Vor der Pandemie fand die Konferenz im Konzerthaus statt, seit 2022 sind die Black Forest Studios Veranstaltungsort. Sie ist aus Anwenderkreisen entstanden und sollte den Kunden rund um die Jahrtausendwende den Umzug von Großrechnern, sogenannten Mainframes, auf Servertechnologie begreifbar machen. Das war eine ziemliche Herausforderung. „Bei der ersten Veranstaltung haben wir Bühnenstücke aufgeführt, um zu zeigen, dass man etwas von einem PC zum anderen schicken kann“, erzählt die Eventverantwortliche Corinna Heist, deren Arbeit für das Softwareunternehmen vor mehr als dreißig Jahren als Job neben der Uni begonnen hatte. Seit einigen Jahren kostet die KW Con Eintritt. Dem Zuspruch hat das keinen Abbruch getan, im Gegenteil.
Luft nach oben bei der Cloud
Eines der wichtigsten Themen der jüngsten Ausgabe waren die Digitalisierung der Kundenkommunikation und der Weg in die Cloud. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt Matthias Abel, geschäftsführender Gesellschafter von KW Soft. Er teilt sich die Unternehmensführung mit Jörg Schoppmeyer, Klaus Ganter und Prokurist Markus Schmutz. Sein Vater Bernd Abel war 1983 als dritter Gesellschafter zu Kühn & Weyh gekommen, 2013 war Generationswechsel. „Die Kunden in Deutschland könnten von der Regulatorik her digitaler agieren“, betont Matthias Abel. Eine Möglichkeit wäre, in die Cloud zu gehen. Doch gerade deutsche Versicherungen und Banken neigten indes dazu, ihre Daten im eigenen Keller zu lassen. In Tschechien und der Schweiz sehe das anders aus. Dort betreibt KW Soft Tochterunternehmen beziehungsweise Vertretungen, ebenso wie in Polen, Spanien, Frankreich sowie den USA.
„Die deutschen Wettbewerber sind uns abhandengekommen.“ — Matthias Abel

Die Zahl der Mitarbeitenden ist vergangenes Jahr um fünf Prozent gestiegen auf 115 in Deutschland, weitere 60 in Tschechien und 20 in der Schweiz. Am Freiburger Hauptsitz nahe dem Seepark gibt es rund 80 Arbeitsplätze, etwa 30 Männer und Frauen arbeiten remote aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands. Man setzt auf Agilität und Arbeitgeberattraktivität, laut Bewertungsportal Kununu mit Erfolg. Es gibt wenig offene Stellen, und die Fluktuation ist gering. Auch beim Umsatz wächst KW Soft und gehört damit zu jener Minderheit von deutschen Unternehmen, denen es derzeit gut geht. Für 2024 rechnete Matthias Abel Ende des Jahres mit einem Umsatzplus von zehn Prozent auf rund 20 Millionen Euro.
Customer Communication Management ist eine Nische in der Softwarebranche, in der sich lediglich eine Handvoll Anbieter tummeln. KW Soft sieht sich in seinen Kernbranchen als Marktführer im deutschsprachigen Raum und baut seine Position auch außerhalb des DACH-Gebiets aus. Bislang stammen etwa zehn Prozent des Umsatzes aus nicht-deutschsprachigen Ländern, die Tendenz sei stark wachsend. „Die deutschen Wettbewerber sind uns abhandengekommen“, sagt Abel. Sie wurden von größeren Softwareunternehmen aufgekauft, wodurch sich mitunter Service und Wartung verschlechterten, denn die könne ein Spezialist wie KW Soft besser bewerkstelligen. Teilweise kam es bei den Konkurrenzprodukten auch zu Abkündigungen. Deshalb gewinnen die Freiburger Anteile auf dem an sich konstanten Markt. Und sie stehen selbst regelmäßig im Fokus größerer Unternehmen. „Alle Nas‘ lang“ bekämen sie Übernahmeangebote, berichtet Abel und betont, dass es keinerlei Pläne in diese Richtung gebe. KW Soft hat keine externen Finanzierer, und das solle auch so bleiben.