Nicht nur Gewerbe, sondern auch Gewerke machen die City attraktiv. Doch die Betriebe tun sich schwer mit dem Standort. Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung der Handwerkskammer Freiburg, nennt die Gründe.
INTERVIEW: RUDI RASCHKE
Viele sprechen davon, dass auch Handwerksbetriebe in die Stadt zurückkehren könnten? Gibt es denn einen Anhaltspunkt dafür, dass wieder vermehrt Handwerksbetriebe zurück kommen?
Leider sprechen die Zahlen eine gegenteilige Sprache. In Freiburg ist ein besonders starker Rückgang zu verzeichnen. Trotz des anhaltenden Stadtwachstums wächst das Handwerk im Stadtgebiet nicht mit. Der erhöhte Bedarf an Infrastruktur, öffentlichen Einrichtungen und auch Unternehmen ließe vermuten, dass auch Handwerksbetriebe sich wieder vermehrt im Stadtgebiet niederlassen. Das Stadtgebiet Freiburg ist als Standort zunehmend unattraktiv für das Handwerk. Dies liegt nicht nur an der anhaltenden Verteuerung von Gewerbeflächen, sondern auch an Preissteigerungen im Wohnungssektor. Dies ist leider ein stabiler Trend, der sich unabhängig von kurzfristigen Einflussfaktoren wie der Coronapandemie fortführt. Gerade für Azubis, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, ist Freiburg sehr teuer bis schlicht unerschwinglich.
Welche Art von Gewerken sind in der Innenstadt vom Rückgang betroffen? Gibt es eine mögliche Zielgruppe für die Verbindung von Läden und Handwerk, die in Ihrem Fokus ist?
Zunächst ist zu sagen, dass Freiburg eine Tradition mit einem Märktekonzept hat, welches dazu dient, die Innenstadt attraktiv zu halten. Entwicklungen wie die Coronapandemie und der zunehmende Online-Handel erschweren es den Unternehmen jedoch weiterhin, sich am Standort Innenstadt zu halten. Ein bedeutender Faktor ist auch die Erreichbarkeit von Unternehmen in der Innenstadt für viele Verkehrsteilnehmer. Ein Betriebsstandort, der nur schwer mit dem PKW zu erreichen ist, kommt für viele Gewerke nicht in Frage. Hierunter leidet die Attraktivität der Freiburger Innenstadt für Handwerksbetriebe immens. Generell muss das Handwerk in der Innenstadt erlebbar gemacht werden, das handwerkliche Tun wieder mehr in den Vordergrund rücken. Nicht nur das Lebensmittelhandwerk, auch Schneidereien, Goldschmieden, Schuhmacherwerkstätten, Instrumentenbauer und viele mehr können genau das liefern, was die Menschen sich zunehmend wünschen: Regionalität, kurze Wege und transparente, nachhaltige Produktion. Die Nachfrage nach gutem Handwerk ist auch in der Innenstadt groß. Dementsprechend sollten die Rahmenbedingungen für Handwerksbetriebe geschaffen werden, sich überhaupt in der Innenstadt niederlassen zu können.
Was könnten wir aus einer neuen Mischung von Wohnen, Handwerk und Handel für die Stadt gewinnen?
Das ist eine Bewusstseinsfrage, welchen Stellenwert das Handwerk für die Gesellschaft hat. Das Handwerk muss als Teil der städtischen Kultur wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und dabei als praktischer Umsetzer zentraler gesellschaftlicher Fragen wahrgenommen werden. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass das Handwerk eine essenzielle Rolle bei der Umsetzung von umwelttechnischen und nachhaltigen Aspekten wie der Klima- und Mobilitätswende spielt. Eine Mischung aus Wohnen, Handwerk und Handel würde dazu beitragen, auch in der Stadt das Handwerk als tragendes Element unserer Gesellschaft zu erleben.
Dr. Handirk von Ungern-Sternberg ist Mitglied der Geschäftsleitung der Handwerkskammer Freiburg