Handwerkskammer: Die „Causa Burger“ ist mehr als eine Personalfrage
Dies bestätigte sich am 7. August: die Kammer gab in einer Pressemitteilung offiziell bekannt, dass Burger nicht länger Hauptgeschäftsführer sei. Er werde sich, so hieß es weiter, künftig als einer von mehreren Geschäftsführern mit Handwerksrolle und Betriebsberatung befassen. Der Vorstand, so die Erklärung weiter, habe in einer „außerordentlichen Vorstandssitzung“ die „Geschäftsleitungsressorts neu geordnet“.
Der Titel „Hauptgeschäftsführer“ sei nur mit der Vertretung der Kammer auf Landes- oder Bundesebene verbunden, die Burger ja nicht mehr wahrnehme. Dass der – wie auf der Homepage seit 11. August nachzulesen ist – nun nur noch vierter Geschäftsführer ist und mit Wolfram Seitz-Schüle, bisher Leiter der Zukunftswerkstatt, nicht nur jemand seine Position ganz oben auf der Rangliste der Geschäftsführer einnimmt, sondern auch in die neue Funktion eines bisher nicht existenten „Geschäftsbereichsleiters“ berufen wurde, gehört zu den Merkwürdigkeiten des Vorstandsbeschlusses. Da wundert es fast schon nicht mehr, dass es mit Reiner Botsch immer noch einen „stellvertretenden Hauptgeschäftsführer“ gibt. Der dritte Geschäftsführer Werner Gmeiner – fester Bestandteil des Freiburger Modells – ist übrigens auch seit Wochen nicht erreichbar. Im Gespräch betont Präsident Ullrich, dass der HGF-Titel keinerlei Funktion oder Weisungsbefugnis mit sich gebracht hätte: „Es geht nichts über Demokratie!“ Burger, unlängst an seinem mit viel Auftrieb gefeierten 60. Geburtstag mit der Goldenen Ehrennadel des Handwerks ausgezeichnet, der höchsten Ehrung im Kammerwesen, habe, so Ullrich weiter, „keinerlei emotionale Bindung“ zur Kammer gezeigt. Ja, er habe durchblicken lassen, dass er das sogenannte „Freiburger Modell“ für unpraktikabel halte. Dieses Modell, das Ullrich am Herzen liegt, war von Präsident Martin Lamm begründet worden und legt fest, dass der Hauptgeschäftsführer kein Organ, sondern ein weisungsgebundener Angestellter ist. Dafür musste Lamm 2005 vor Gericht und auch wenn er dort obsiegte fürderhin mit dem Makel leben, dass das „Freiburger Modell“, das auch nur gleichberechtigte Geschäftsführer kennt, von den anderen 52 Kammern mit Argwohn und Ablehnung betrachtet wird. Das Modell ist ein Freibuger Alleingang!
Was das neue Präsidium – Johannes Ullrich wurde im November 2014 zum Nachfolger des aus Altersgründen nicht mehr antretenden Paul Baier ins Präsidentenamt gewählt – gegen Burger hat, ist unklar: der umtriebige Funktionär brachte die Zusammenarbeit mit Italien – Stichwort: Padua – in Schwung, schwor mit den „Freiburger Erklärungen“ Politiker und Verbandsleute auf die Energiewende ein, regelte die schwierige Situation mit den von der Schweiz für Handwerkerleistungen geforderten Kautionen, begründete die Messe GETec, initierte den Münstertreff mit über 3000 Besuchern und brachte Prominenz in die Kammer. Auch wenn heute einige dass alles für nicht so wichtig achten und dies auch, inoffiziell zumindest, sagen, so gibt es keinen offenen, konkreten Vorwurf an den alten Hauptgeschäftsführer.
Durchblicken lässt man, dass eine unterschriftsreife Vereinbarung, sich auf gütlichem Wege zu trennen, von Burger abgelehnt worden sei. Angeblich, so wird der Eindruck erweckt, weil er weitergehende finanzielle Forderungen hätte. Es sei, so heißt es aus dem Präsidium, eine „mehr als akzeptable“ Vereinbarung gewesen. Der Burgersche Gegenvorschlag, den er angeblich komplett als „unverhandelbar“ bezeichnet habe, sei hingegen nicht akzeptabel gewesen. Ullrich: Burger wollte eine „Entschädigung, dass es weh tut“, habe „Forderungen nachgeschoben“, sein Angebot sei „unmoralisch“ gewesen.
Das bestreiten Burger und sein Anwalt Wolfgang Meier-Rudolph vehement: „Welche moralischen Standards legt eine Kammer an, die es (laut Sitzungsprotokoll) für richtig hielt, Ihren Hauptgeschäftsführer innerhalb von drei Minuten, ohne jede Möglichkeit der Aussprache also, mit vollendeten Tatschen zu konfrontieren? Im Schalterverkehr nennt man so was abfertigen.“ Die Einigung sei letztendlich lediglich an einem Passus gescheitert, der tatsächlich nicht verhandelbar gewesen sei. Gemunkelt wird, der habe Knebelcharakter gehabt. Burger – der laut Ullrich Gesprächen ausgewichen sei – habe im Gegenteil das Gespräch immer gesucht, was man ihm jedoch verweigert habe. Dafür habe man ihn aber genötigt, wichtige Außentermine abzusagen, Post und Telefonate nicht an ihn weitergeleitet. Dennoch, so Meier-Rudolph, sei er optimistisch und setze auf eine Gesprächslösung, eventuell mit Hilfe eines Mediators.
Für diese Idee zeigte sich auch die Kammer aufgeschlossen. Möglicherweise weil es dort einigen dämmerte, dass die Pressemitteilung neben der verheerenden Außenwirkung und den Wunden, die sie gerissen hat, auch noch ein Bumerang sein könnte. „Zentrales und oberstes Gremium der Handwerkskammer Freiburg ist die Vollversammlung“, heißt es, nachzulesen auf der Kammer-Homepage. Und auch wenn Angelegenheiten der Geschäftsführung – Berufungen, Absetzungen, Umstrukturierungen, Zielvorgaben und anderes – Vorstandssache sind, so ist doch eines unbestreitbar klar: Paul Baier hatte einst die Zustimmung der gesamten Vollversammlung – der übrigens unter anderen auch Präsident Johannes Ullrich und die Vizepräsidenten Christoph Burger – eingeholt, als er Burger zum HGF machte. Diese Zustimmung des obersten, ihm übergeordneten Gremiums, kann der Vorstand kaum im Alleingang kippen. Denn nach Paragraph 106 Handwerksordnung (HwO) – einem Bundesgesetz – obliegt der Vollversammlung „die Wahl des Geschäftsführers, bei mehreren Geschäftsführern die des Hauptgeschäftsführers und der Geschäftsführer“. Ein Bundesgesetz steht „rangmäßig über allen anderen deutschen Rechtsnormen“. 52 von 53 Handwerkskammern halten sich an die in der HwO festgelegten Vorschriften – nur Freiburg nicht.
Hier könnte man sich also auf dünnem Eis bewegen, doch in der jüngsten Pressemitteilung der Kammer vom 12. August wird betont: „die Handwerkskammer Freiburg hat in ihrer aktuellen Satzung und Geschäftsordnung nach dem so genannten „Freiburger Modell“ die Vertretung der Kammer durch Mitglieder des Vorstandes (Präsident und Vizepräsident) geregelt. Einen von der Vollversammlung gewählten Hauptgeschäftsführer gibt es in der Handwerkskammer Freiburg nicht. Rechtlich bestehen gegen dieses sog. „Freiburger Modell“ nach dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (4 K 196/04 vom 10.02.2005) keine Bedenken“. Aber: das Urteil bejaht lediglich, dass eine Kammer auf die Ernennung eines HGF verzichten kann. Damit ist aber nicht geregelt, wie mit der Situation umzugehen ist, wenn die Vollversammlung einen HGF bestellt oder akzeptiert hat. Und was noch schwerer wiegt: alle Beteiligten haben seit 2011 das Baier’sche HGF-Konstrukt akzeptiert und mitgetragen, womit es durch sogenanntes „concludentes Handeln“ Rechtskraft erlangt hat. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg – die Rechtsaufsicht der Kammer – versagte 2005 übrigens der Freiburger Satzungsänderung die Genehmigung, weil es der Auffassung war, das übergeordnete Gesetz, die HwO, setze bei den Handwerkskammern die Funktion eines Hauptgeschäftsführers zwingend voraus.
Weder vom Baden-Württembergischen Handwerkskammertag (BWHT) noch vom Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) gibt es Stellungnahmen, ob hier Selbstverwaltung und Demokratie in den Kammern beschädigt werden. Der BWHT lässt sich komplett verleugnen, beim ZDH gibt es die dürre Stellungnahme, dass man sich nicht in die Dinge der Mitglieder einmische. Der Eindruck entsteht, dass man in Berlin die Vorgänge in Freiburg jedoch genau beobachtet und – so klingt es an – es zur Gepflogenheit des ZDH gehört, Dinge intern zu regeln.
Aber abgesehen von den juristischen und anderen Implikationen legt die Kammer Freiburg jetzt mit ihrem Vorgehen Hand an die Vollversammlung der Kammer(n). Damit beschädigt sie die eben noch so wortreich beschworene Demokratie („Gebt die Kammer denen, die sie bezahlen!“ Ullrich), in dem sie die Selbstverwaltung der Mitglieder ad absurdum führt: egal, was das oberste Gremium, die Vollversammlung, entscheidet – die wahre Macht, so kommt es derzeit rüber, liegt bei Präsidium und Vorstand, man hat also de facto eine Oligarchie installiert. Tatsächlich erfuhren einige Vollversammlungsmitglieder erst aus der Presse von Burgers Absetzung. Der Streit Handwerkskammer/Burger dürfte also noch lange nicht ausgestanden sein und über die Frage, „Ist Johannes Burger HGF oder nicht?“ hinausgehen. Sicher ist jetzt aber schon eines: keiner der Teilnehmer wird die Walstatt unbeschädigt verlassen.
Dr. Stefan Pawellek
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