Johannes Ullrich ist als Nachfolger von Paul Baier aus der Ortenau Präsident der Handwerkskammer Freiburg. Die Vollversammlung der Kammer hatte den 52jährigen Maler- und Lackierermeister aus Freiburg im Dezember in sein neues Ehrenamt gewählt. Ullrich ist der 9. Präsident der Handwerkskammer Freiburg. Der 1962 in Freiburg Geborene ist seit 2009 Mitglied der Vollversammlung und des Vorstandes der Handwerkskammer Freiburg. netzwerk südbaden traf sich mit Ullrich zum Gespräch über den Beginn seine Präsidentschaft, seine Ziele, die Herausforderungen der Zukunft und die Doppelbelastung als Funktionär und Unternehmer.
netzwerk südbaden: Sie sind seit Ende vergangenen Jahres Präsident der Handwerkskammer Freiburg. Haben Sie den Eindruck, dass das Handwerk in allen Bereichen – Politik und Wirtschaft – als gleichberechtigter Partner wahrgenommen wird?
Johannes Ullrich: Das Handwerk, speziell in der Region Freiburg, unserem sehr großen Kammerbezirk, hat einen überaus guten Ruf. Meine Vorgänger und alle Mitarbeiter der Handwerkskammer haben ihr Bestes dazu beigetragen. Unsere Interessen werden natürlich nicht immer eins zu eins umgesetzt. Aber das wird es nie geben, jeder Wirtschaftsverband hat noch Interessen, die nicht erfüllt sind. Aber wenn das so wäre, dann hätte ich ja auch nichts mehr zu tun.
netzwerk südbaden: Wie sehen Sie die Funktion der Handwerkskammer? Sehen Sie die Kammer als Dienstleister für die Handwerksfirmen oder sehen Sie die Interessenvertretung eher als „Botschafterin“ des Handwerks an?
Johannes Ullrich: Beides. Unsere Aufgabe laut Satzung ist es, die Interessen der Handwerksbetriebe und ihrer Mitarbeiter zu vertreten und Botschafter des Handwerks zu sein. Das ist vor allem auch meine Aufgabe als Präsident.
netzwerk südbaden: Welche Schwerpunkte wollen Sie in den nächsten Jahren setzen, welche Herausforderungen stellen sich?
Johannes Ullrich: Wir müssen uns auf den demographischen Wandel einstellen. Es kommen immer weniger junge Menschen in die Berufswelt, dies wird das Handwerk unmittelbar betreffen. Dies beginnt schon mit der Bildungspolitik, wo wir unsere Interessen in Richtung Berufsorientierung platzieren müssen. Hier gilt es, die Politiker zu informieren. Wer kann was im Handwerk machen, was bietet das Handwerk?
Wir müssen die Eltern der jungen Menschen ansprechen, wir müssen die jungen Menschen selber erreichen, das sind ganz wichtige Aufgaben. Parallel dazu hat ja die Kammer den Bildungsauftrag für die überbetriebliche Ausbildung und vor allem den Auftrag, die Ausbildung zu regeln. Da müssen wir uns anpassen. Wie stellen wir unsere Ausbildungshäuser für die Zukunft auf? Wenn weniger Auszubildende da sind, ist dann auch weniger Bedarf? Wie soll die Weiterbildung aussehen? Diesem Feld müssen wir uns offensiv stellen. Wir sind momentan dabei, eine Strategie zu entwickeln. „Handwerkskammer 2020“ nennen wir das.
netzwerk südbaden: Ihr Vorgänger Paul Baier hat zusammen mit dem Hauptgeschäftsführer Johannes Burger zahlreiche Initiativen entwickelt, um das Handwerk als Vorreiter der Energiewende zu positionieren. Momentan häufen sich kritische Stimmen zu diesem Thema, der Ölpreis ist am Boden, die Lust der Deutschen am Dämmen sinkt, weil sich alles doch nicht so schnell armortisiert. Wie positioniert sich die HWK zukünftig und wollen Sie die Politik von Baier und Burger weiterführen?
Johannes Ullrich: Ja. Wir müssen dieses Thema vorantreiben. Was mein Vorgänger Paul Baier und Hauptgeschäftsführer Johannes Burger hier vorgegeben haben, ist genau die Sprache, die wir sprechen müssen. Das Thema Energiewende ist absolut aktuell. Wenn eine Energiewende gewollt ist, dann muss auch alles dafür getan werden, dass diese eintreffen kann. Trotz allem muss dem aber auch eine kritische Haltung entgegengebracht werden. Wir müssen überlegen warum plötzlich diese kritische Diskussion aufkommt. Nehmen sie GeTec. Die Messe war 2008 der Startup, alle waren hochmotiviert und haben aus marktpolitischen Gründen und mit voller Überzeugung das Thema vorangetrieben, in diesem Jahr ist es schwieriger geworden für die GeTec. Dennoch: Atomkraft ist, wie wir wissen, eher suboptimal und der Klimaschutz eine globale Herausforderung, der wir uns in Südbaden nach wie vor verschrieben haben.
Diese Punkte zusammengefasst ergeben: Die Energiewende ist eine Aufgabe für uns. Jedes Handwerk hat die Möglichkeit, durch seine Tätigkeit die Energiewende voranzutreiben, wenn es gewünscht wird. Der Kunde, und das ist ja das Gute, möchte dies auch haben. Letztlich entscheidet ja auch der Kunde. Unsere Aufgabe als Handwerk ist es, dem Kunden durch unsere Beratung die für ihn beste Lösung anzubieten.
netzwerk südbaden: Handwerk in Freiburg wird häufig als Verlängerung der Bauwirtschaft wahrgenommen. Stimmt dieser Eindruck?
Johannes Ullrich: Nein, das kann man so nicht sagen. Die Bauwirtschaft und der Bauverband sind natürlich in der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent und auch für das Handwerk von großer Bedeutung. Die Betriebe im Bau- und Ausbau machen in etwa ein Viertel unserer Betriebe aus. Das Handwerk hat aber viel mehr zu bieten. Da sind auch alle anderen Bereiche wie z.B. die Elektrobranche, die Nahrungsmittel und Gesundheitsgewerke. Ganz wichtig ist auch die Metallbranche, diese Schnittstelle zur Industrie wird immer enger.
netzwerk südbaden: Unter welches Thema stellen Sie ihre Präsidentschaft?
Johannes Ullrich: Ich lebe für das Handwerk und meinen Betrieb. Das Gute am Handwerk ist es, einen Betrieb familiär führen zu können und dadurch eine enge Bindung zu den Mitarbeitern zu haben. Das versuche ich auch als Präsident der Handwerkskammer. Wenn es den Mitarbeitern gut geht, geht es uns auch gut. Die übergeordneten Ziele sind mir wichtig, die Sicherheit der Mitarbeiter, das Einkommen, die sozialen Standards, das Ansehen in der Gesellschaft, das muss stimmen. Viele Handwerker verkaufen sich unter Preis, nicht nur kalkulatorisch, sondern auch in ihrer Darstellung. Die gesellschaftliche Gewichtung des Handwerks ist enorm, wird aber nicht mehr gesehen. Zu zeigen, dass die Tradition des Handwerks der Gesellschaft gut tut, das finde ich wichtig.
netzwerk südbaden: Sie sind ja nicht nur Präsident der Handwerkskammer, sondern führen auch einen eigenen Betrieb, wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Johannes Ullrich: Die Doppelbelastung fordert vor allem ein gutes Zeitmanagement. In Wahrheit ist es sogar eine Dreifachbelastung, es ist der Betrieb, das Amt und die Familie. Man muss Schwerpunkte setzen. Ohne meine Mitarbeiter und ohne meinen Co-Geschäftsführer würde ich dies nicht machen können und ohne die Unterstützung meiner Frau und meines Sohnes würde es auch nicht gehen.
Dieser Text ist in der aktuellen Printausgabe von netzwerk südbaden erschienen