Die Internationale Kulturbörse Freiburg (IKF) ist ein Branchentreff für Kunstschaffende, Veranstalter, Agenturen und Eventfachleute. Nach einer einjährigen Pause fand sie Ende Januar mit leicht verändertem Konzept zum 36. Mal statt. Die FWTM als Veranstalterin bilanziert einen Erfolg. Das sehen nicht alle so. Ein Messebesuch.
Text: Christine Weis
„Wir sind das erste Mal auf der Kulturbörse und begeistert“, sagt Janosch Beyer. Zusammen mit Pascal Weishapl tritt er als „Joschis kunterbuntes Kindervarieté“ auf. Die beiden reisten aus Niedersachsen an und sind als Königin beziehungsweise Pirat verkleidet auf der Messe unterwegs. Wo es normal ist, dass man zwischen den Ständen etwa auf einen rosa Gorilla oder einen Schimmelreiter auf Stelzen trifft. „Sonst sind wir immer die bunten Vögel, doch hier sind wir mal welche unter vielen“, sagt Weishapl. Ihr Invest habe sich bereits ausgezahlt, sie hätten schon Buchungen. Doch vor allem sei der Austausch mit den erfahrenen Künstlerinnen und Künstlern wertvoll.
Anda Grawert hat sich indes mehr von der IKF versprochen. Auch für sie ist es das erste Mal. Es ist der zweite Messetag, die Musikerin hofft noch auf Interessenten. Während der Coronazeit hat sie sich neu erfunden, davor spielte sie im Orchester. Nun tritt sie solo mit E-Violine und Loop-Station auf. „Ich spiele häufig an Schulen, die Kinder finden die E-Geige cool, und sie können mit Klangrohren begleiten“, berichtet Anda Grawert. Es sei wichtig, Kinder für Livemusik zu begeistern, denn sie habe Sorge, dass in 30 Jahren sonst niemand mehr zu Konzerten geht.
Die Pandemie hat auch dem Musiker Raphael Gottlieb und seiner Band zugesetzt. Er hat einen Trabi, Baujahr 1989, zur lebenden Musikbox umfunktioniert. Zwei Männer sitzen im engen Trabi und spielen die angewählten Titel mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Vor Corona waren sie mit Festen und Firmenevents ausgebucht. „Plötzlich ging es von hundert auf null“, sagt Gottlieb, der dann wieder in seinem alten Beruf als Erzieher arbeitete. „Wir sind auf der Messe der Topact von Karoevents aus Teningen“, sagt er augenzwinkernd, da die einzigen. Und so unrecht hat er vielleicht nicht, denn die lebende Musikbox kommt gut an.





Lebende Musikbox präsentieren.
Präsentieren und Netzwerken
Am Stand des Ticketdienstlersters Reservix herrscht reges Treiben. Direkt am Eingang von Halle 2 gelegen, haben die Freiburger mit Kaffee, Popcorn, Stehtischen, Holzhockern und Loungemöbeln eine Wohlfühlatmosphäre geschaffen. Das Unternehmen gehört nach eigenen Angaben zu den führenden in Deutschland. „Die Kulturbörse ist für uns ein Heimspiel und Pflichttermin zugleich“, sagt Mira Krocker, die bei Reservix für die Unternehmenskommunikation zuständig ist. „Wir treffen hier Veranstalter, Kooperations- und Medienpartner. Viele unserer bundesweiten Kundinnen und Kunden reisen eigens nach Freiburg.“ Das diesjährige Motto „Culture Connects People“ stehe sinnbildlich für ihren Anspruch, einen inspirierenden Raum für persönliche Begegnungen zu schaffen. Dafür hat Reservix eigens am zweiten Messeabend die Cafébar Fili in der Innenstadt gebucht, um bei Drinks und Pizza weiter zu netzwerken. „Damit knüpfen wir auch an unseren Empfang auf dem Reeperbahn Festival in Hamburg an“, sagt Krocker. Das viertägige Clubfestival im September sei ebenfalls ein unverzichtbares Branchenevent.
Gerade kommt Fritz Keller an den Stand. Der Gastronom und ehemalige Präsident des Sport-Clubs Freiburg sowie des DFB gehört mittlerweile auch zur Kulturszene. Denn das Breisacher Musikfestival „Pinot and Rock“ mit Wein und Kulinarik war seine Idee und findet vom 2. bis 6. Juli zum zweiten Mal statt. Angekündigt sind unter anderem die Rockband Lynyrd Skynyrd, Melissa Etheridge und Jan Delay. Keller ist begeistert von der kulturellen Vielfalt auf der Messe und findet auch das Motto richtig, denn es sei heute wichtiger denn je, Menschen zusammenzubringen.
Kritik, Rückblick, Bilanz
Hier und da hört man aber auch kritische Stimmen, die namentlich nicht genannt werden wollen. Der blaue Teppich werde vermisst, der doch sonst zumindest ein wenig Glamour in die graue Halle gebracht habe. Auch der gedruckte Katalog mit den Informationen zu den Ausstellern fehlt vielen. Zudem herrschten zu strenge Regeln. Wer auch nur eine Minute zu spät zu den Auftritten in den Bühnenhallen komme, werde harsch abgewiesen. Eine Agentin ist der Meinung, dass drei Tage zu viel seien, da dies auch mit hohen Kosten verbunden sei.
„Ich kann zwar nicht alles, aber Hochdeutsch. Und ich leide unter vielen Dingen – etwa, wenn der VfB verliert – aber nicht unter meiner Behinderung.“ Comedian Kai Bosch
Die erste IKF fand 1989 im Bürgerhaus an Seepark statt, ins Leben gerufen von Holger Thiemann. Im Jahr 2000 zog die IKF vom Seepark auf die Messe und war eine feste Größe im Freiburger Messekalender. Corona war eine Zäsur. 2023 dann der Neustart, es kamen 4200 Besucherinnen und Besucher sowie rund 350 Aussteller (2020 waren es 400 Austeller und über 5200 Menschen besuchten die IKF). Im vergangenen Jahr fiel die Messe schon wieder aus. Hanna Böhme, die Geschäftsführerin des Veranstalters Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM), nennt dies in ihrer Eröffnungsrede eine „künstlerische Pause“, in der man das beliebte Format weiterentwickelte. Man habe sich verstärkt an die Community gewandt und viele neue Partner gewinnen können, wie etwa den Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft oder die Strasbourg Music Week.
Mit rund 3000 Besucherinnen und Besuchern zieht die FWTM eine erfolgreiche Bilanz. Es sind rund 300 Aussteller aus der Kultur- und Eventszene: Ticketing- und Technikfirmen, Veranstaltungsorganisationen, Medienagenturen, Künstlerbedarf, Fachverbände sowie nationale und internationale Künstleragenturen aus den Bereichen darstellende Kunst, Musik und Straßentheater. 420 Künstlerinnen und Künstler aus 30 Ländern präsentieren sich auf den vier Showbühnen. Darunter etwa die Freiburger Liedermacherin Laura Braun, deren Auftritt bejubelt wird.
Inklusion ins Rampenlicht
Die IKF setzt einen Schwerpunkt auf das Thema Inklusion und bietet dazu verschiedene Formate an. Comedian Kai Bosch spricht über Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen. Der 27-Jährige hat eine Tetraspastik, seine Arme und Beine sind gelähmt und er stottert. „Wenn ich eine Bühne betrete, sorge ich erstmal für Irritation“, sagt Bosch, der im Rosenau-Theater in Stuttgart eine eigene Show hat. „Ich kann zwar nicht alles, aber Hochdeutsch. Und ich leide unter vielen Dingen – etwa, wenn der VfB verliert – aber nicht unter meiner Behinderung“, witzelt er. Dann wird er ernst: Er wünsche sich, dass Menschen mit Behinderungen ernst genommen werden und man ihnen auf Augenhöhe begegne. Nur schade, dass er nicht auf einer der Showbühnen, sondern im Konferenzraum auftritt. Er hätte das Rampenlicht und ein größeres Publikum verdient.