Motivieren ist nicht Führungsaufgabe, demotivieren aber auch nicht!
Jeder dritte Angestellte ist mit seinem Vorgesetzten so unzufrieden, dass er über eine Kündigung nachdenkt. Nur jeder zweite geht gern zur Arbeit. Das sind die Ergebnisse einer Studie zu den häufigsten Fehlern von Chefs, die dieser Tage veröffentlicht wurde. Das Institut Forsa hat zusammen mit Porsche Consulting 1001 Angestellte im Alter zwischen 21 und 67 Jahren befragt.
Das Interessante ist, dass es den Chefs dabei auch nicht viel besser geht. Gerade im Mittleren Management stecken sie in einer Sandwich-Position, bei der sie den Interessen von oben und denen von unten gerecht werden müssen. Unabhängig davon, ob man Chef oder Angestellter ist, sollten uns diese Ergebnisse zum Nachdenken animieren: Einfach mal kurz in seinem Hamsterrad stehen bleiben. Wie ist das denn so in meinem beruflichen Umfeld?
Eine Führungskraft bewegt sich zwar nicht in einem luftleeren Raum. Es wäre aber doch zu kurz gesprungen, sich einfach als Opfer der Umstände zu betrachten. Schließlich hat jeder einzelne es selbst in der Hand, wie er sich seinen Mitarbeitern gegenüber verhält.
Man verlässt nicht das Unternehmen, sondern seinen Chef
Diese Weisheit scheint im Führungsalltag nicht überall angekommen zu sein. Sollte gerade im Wettkampf um die größten Talente und die qualifiziertesten Facharbeiter dieses Thema nicht die größte Aufmerksamkeit verdienen? Offenbar weit gefehlt!
45 Prozent der Angestellten sagen, dass ihre Chefs sich um zu viele Dinge gleichzeitig kümmern. Deren häufigste Fails sind: 1. Die Vorgesetzten sind oft selbst gestresst und daher nicht ansprechbar, 2. Sie loben zu wenig und 3. Sie halten wichtige Informationen zurück. Wobei man hier auch eine Lanze brechen muss: Führung ist in der heutigen Zeit definitiv anspruchsvoller geworden. Früher ging es eigentlich nur darum, die Produktivität zu steigern. Die Märkte sind nun enger, der Wettbewerb höher, die Prognosen ungewisser und Wachstumserwartungen stressen. Zuguterletzt verschärft sich auch noch der Arbeitsmarkt! In manchen Branchen fragt man sich schon heute, wer sich eigentlich bei wem bewirbt? Der lange Hebel liegt oft beim Bewerber.
Unter diesen Rahmenbedingungen will der Angestellte kein Bittsteller und Befehlsempfänger mehr sein. Das lässt sich auch aus den Erfolgsfaktoren für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz ablesen. Diese sind: Klare Regeln für die Arbeit (Orientierung), Mehr Mitsprache (Wirksamkeit) und mehr Freiraum (Eigenverantwortung). Dies wirkt auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich. Und manche Chefs sind hin- und hergerissen zwischen klassischem und modernem Führungsstil. Aber die Führungskräfte, die diese Balance herstellen können, sind die Gewinner!
Was soll man denn noch alles machen?
Jaja, die neue Generation benötigt soooo viel mehr Aufmerksamkeit! Und Work-Life-Balance ist das neue Reizwort. Hier meldet sich dann auch die „Früher-war-allesbesser“-Fraktion zu Wort. Aber für Unternehmen, die den Startschuss der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt noch nicht gehört haben, ist es nun wirklich höchste Zeit, ihre alten Zöpfe abzuschneiden.
Vielleicht ist gerade nicht die Zeit der einfachen Antworten. Aber was spricht dagegen, dass man gerne zur Arbeit geht und dort Spaß hat? Vielleicht sollte man alte Weisheiten wie „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ überprüfen. Wieso ein Drittel des Tages auf Freude verzichten? Ah, stimmt, man bekommt ja Geld dafür! Aber wie klingt es umgekehrt? „Ich bekomme Geld für etwas, das Spaß macht?“ Und genau hier hat jede Führungskraft den großen Schlüssel selbst in der Hand. Ebenfalls spannend an der Studie: Führungskräfte verbringen im Schnitt nur 20 Prozent ihrer Zeit wirklich mit Führung. Was machen sie in der restlichen Zeit?
In kleineren Unternehmen stecken sie oft stark im operativen Geschäft. Sie arbeiten auf Projekten und sind Teil der Wertschöpfung. In größeren Organisationen gibt es allerlei zu koordinieren. Kommt eine steigende Komplexität in einem dynamischen Marktumfeld dazu, zieht das viel Aufmerksamkeit auf sich. Spätestens wenn Unternehmer im Unternehmen gefragt sind und die Führungskraft ProfitVerantwortung hat.
Letztendlich galt in den vergangen Jahren das Credo der Produktivitätssteigerung, was dazu führte, dass die letzten Freiräume wegoptimiert wurden. Daher ist es kein Wunder, dass bei den Angestellten nun der Eindruck entsteht, dass sich ihre Chefs um zu vieles gleichzeitig kümmern. Hier gilt es wieder anzusetzen. Ein kleines Beispiel aus dem Alltag?
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint…
Jeder kennt es: unterwegs hat man gerade zehn Minuten Zeit, mit dem Handy noch kurz Mails zu checken. Und entdeckt ein paar Themen, bei denen man weiterhelfen kann. Lieber schnell reagieren, bevor es in die falsche Richtung geht.
Hier sind Neue Medien wirklich cool. Ein Thema ohne Umschweife direkt auf den Punkt bringen. Ohne überflüssige Details und Anrede schnell raus damit. Wenn keine Rückfragen mehr kommen, dann ist wohl alles klar. Wenn man drei Tage die Woche unterwegs ist, hat diese Arbeitsweise schnell ihren festen Platz im Repertoire.
Aber wenn man als Coach das Thema Kommunikation in Teams oder zu Führungskräften aufarbeitet, rangiert genau diese Arbeitsweise auf der Hitliste ganz weit vorne. Das Feedback dazu: Es ist unpersönlich, direktiver Stil, schafft Distanz, ist dem Thema nicht angemessen, die Einmischung wird als Misstrauen gewertet. Unterm Strich geht so mehr kaputt als es hilft. Und die Führungskraft rutscht bei der Feedback-Runde unruhig auf dem heißen Stuhl herum. „Dabei habe ich es doch nur gut gemeint?“
Während wir unsere Kinder belehren, dass WhatsApp nicht das geeignete Medium für persönliche Kommunikation ist, sind wir munter dabei, im Job auf ähnliche Weise miteinander zu kommunizieren. Und wundern uns dann, dass es nicht so ankommt, wie es gemeint war?
Der Schlüssel: Zurück zu persönlichen Beziehungen
Dabei ist es doch wirklich keine Raketenwissenschaft: Wo Menschen auf einander treffen, geht es darum, miteinander im Kontakt zu stehen. Für die Zufriedenheit im Arbeitsumfeld gilt: Es geht einfach nur um Verständnis, Einfühlungsvermögen und Rückendeckung. No news, oder? Aber warum rutscht uns im Business-Alltag dann immer wieder das Bewusstsein dafür weg?
Bei dem kleinen Beispiel könnte das konkret bedeuten: Anstatt per Mail mal schnell mit dreimal fünf Buchstaben viel Verwirrung zu stiften, wäre es vielleicht besser, kurz anzurufen? Das Problem wird dann wirklich gelöst. Zusätzlich wird die Beziehung stabilisiert – anstatt von kürzest Texten labilisiert.
Die Verschärfung des Personalmarktes wird zwangsläufig dazu führen, dass sich Führungskräfte wieder mehr um Mitarbeiter kümmern werden. Die Konzerne haben das Thema längst erkannt und schaffen dafür neue publikumswirksame Positionen, zum Beispiel einen „Feelgood-Manager“. Bei kleineren und mittelständischen Unternehmen liegt der Schlüssel darin, daß (zwischen-)menschliche Prinzipien wieder einen grösseren Anteil an der Führungsarbeit bekommen. Das Schöne daran ist, dass jede Führungskraft damit schon morgen anfangen kann.
Eine positive Begleiterscheinung dabei? Dass dann auch die Führungskräfte lieber zur Arbeit kommen.
Udo Möbes ist selbstständiger Berater, Trainer und Business-Coach und betreibt seit 2015 mit seiner Frau Ulrike Peter das Seminarhaus „Saiger Lounge“ im Schwarzwald. Er begleitet Change-Prozesse in Unternehmen und coacht Geschäftsführer-Teams oder einzelne Führungskräfte. Für das Digital-Unternehmen Virtual Identity mit 180 Mitarbeitern in Freiburg, München und Wien war er zuvor 16 Jahre lang an der Spitze tätig, davor arbeitete er 11 Jahre für die Haufe Mediengruppe. Udo Möbes wird an dieser Stelle regelmäßig seine Erfahrungen mit CoachingThemen an unsere Leser weitergeben.
2 Kommentare
Spannender Artikel, dem ich als Ergänzung das Buch Feelgood Management mit Tipps für Führung und Mitarbeiter sowie Praxisbeispielen aus Unternehmen empfehlen kann. Blick ins Buch: https://goodplace.org/feelgood-management-buch/